Foto: Musiklehrerausbildung an der Hochschule für Musik und Theater Rostock
Musiklehrerausbildung an der Hochschule für Musik und Theater Rostock  
Foto:  Oliver Borchert  /  Hochschule für Musik und Theater Rostock
Musikunterricht in den Schulen fördert Fantasie, soziale Kompetenz und Kreativität. Doch seit Jahren mangelt es in Deutschland an ausgebildeten Fachlehrkräften. Zu neueren bildungspolitischen Entwicklungen und Perspektiven informiert Ortwin Nimczik.

Grundlegend für das Schulwesen in Deutschland sind sowohl das individuelle Recht auf Bildung des Einzelnen als auch der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag. Die Grundstruktur des Bildungswesens in Deutschland beruht auf einem sukzessiven Aufbau, ausgehend vom Elementarbereich über den Primar- (Grundschul-) und Sekundarbereich I und II sowie den tertiären Bereich bis zum Feld der Weiterbildung. [1] Aufgrund der durch den Föderalismus der Bundesrepublik Deutschland bedingten Kulturhoheit der 16 Bundesländer konstituieren sich die rechtlichen Grundlagen der allgemein bildenden Schulen jedoch in 16 landesspezifischen Schulgesetzen, die sich in der Praxis in ebenso vielen unterschiedlich strukturierten Schullandschaften konkretisieren. Diese unterscheiden sich deutlich im Aufbau und der Gliederung sowie in der Benennung von Schulformen und -typen (besonders bei Schularten, die zwei oder drei Bildungsgänge anbieten), partiell auch in der Dauer der Vollzeitschulpflicht. Die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) koordiniert zwar die Arbeit von Bund und Ländern sowie einzelner Länder; jedoch ergibt sich unter Berücksichtigung aller Komponenten eine Gemengelage, die eine Gesamtsicht auf die schulische Situation in Deutschland zumindest erschwert, teils gar unmöglich macht. [2] 

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Foto: Bundesbegegnung „Schulen musizieren“
Bundesbegegnung „Schulen musizieren“  
Foto:  Ortwin Nimczik  /  German Music Teacher Association (BMU)

Der Unterricht der allgemein bildenden Schulen richtet sich an alle Kinder und Jugendlichen in jeweils fachspezifischer Ausprägung, so beispielsweise als Deutsch-, Mathematik-, Englisch- oder Kunstunterricht. Vor allem in den Bildungsgängen der Sekundarstufe I und der Grundschule haben neben den Unterrichtsfächern zunehmend auch Lernbereiche als durchgängige Prinzipien Eingang gefunden, besonders auf natur- und gesellschaftswissenschaftlichem, aber auch musisch-ästhetischem Gebiet. Uneinheitlich stellen sich hingegen Gesamtumfang und Dauer des allgemein bildenden Unterrichts dar: Hatten einige Bundesländer im Jahr 2013 die Umstellung vom neunjährigen auf das achtjährige Gymnasium (G9/G8) abgeschlossen und die Schulzeit so von 13 auf zwölf Jahre verkürzt, kehren mehrere Länder inzwischen zum alten Modell zurück. [3]

Der im Folgenden verwendete Begriff Musikunterricht kennzeichnet das Schulfach Musik. Dies schließt zum einen die Befassung mit Voraussetzungen und grundlegenden Konzeptionen in Hinblick auf die Planung des Unterrichts ein. Zum anderen bezieht es sich auf das tatsächliche konkrete Unterrichtsgeschehen einschließlich dessen Inszenierung und Analyse im Feld der allgemein bildenden Schulen. An Musikschulen oder im privaten Bereich erteilter Unterricht ist eingrenzend nach dem speziell unterrichteten Instrument bzw. Fach zu bezeichnen, beispielsweise als Klavier-, Gesangs-, Schlagzeug- oder Musiktheorieunterricht. 

Musikunterricht als Bestandteil des Fächerkanons

Musikunterricht an allgemein bildenden Schulen ermöglicht ein professionell gestaltetes und nachhaltiges Lernen von Musik. Damit eröffnet er Perspektiven für ein Leben mit Musik in allen Lebensphasen und leistet seinen spezifischen Beitrag zur musikbezogenen wie allgemeinen Kompetenzentwicklung von Schüler*innen. Diesem Beitrag des Unterrichtsfachs Musik im Fächerspektrum der Schule wird von politischer und administrativer Seite in offiziellen Verlautbarungen ein bedeutsamer bildungspolitischer Wert zugesprochen. Individual- wie sozialbezogene, fachimmanente wie sekundär wirksame Bildungs- oder Erziehungsziele erscheinen dabei meistens gleichermaßen relevant. Die KMK beschreibt „musische Bildung“ [4] als „Teil der kulturellen Bildung jedes Einzelnen und Voraussetzung zur Teilnahme am kulturellen Leben. Sie ist eine wichtige Voraussetzung für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Musische Bildung vermittelt Schlüsselqualifikationen wie Fantasie, Vorstellungsvermögen, geschulte Sinne und die Fähigkeit zur ganzheitlichen Wahrnehmung. Die Beschäftigung mit Kunst und Musik ist Quelle der eigenen Ausdrucks- und Kommunikationsmöglichkeiten anderen Menschen gegenüber und ermöglicht den Erwerb sozialer Kompetenz.“ [5] 

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Foto: Bettina-von-Armin-Schule
Bettina-von-Armin-Schule in Berlin  
Foto:  Aaron Grahovac-Dres  /  Bettina-von-Armin-Schule

An anderer Stelle formulierte die KMK drei schulform- und stufenübergreifende Leitlinien für den Musikunterricht, welche die bildungspolitischen Positionen der Bundesländer bündeln sollten und die in ihrer Prägnanz nach wie vor als relevant anzusehen sind:

  • Aus allgemein-pädagogischer Perspektive leistet das Unterrichtsfach Musik „einen unverzichtbaren Beitrag zur Erziehung des jungen Menschen. Praktischer Umgang mit Musik, allein oder in Gemeinschaft, kommt dem existenziellen Ausdrucksbedürfnis des Menschen entgegen, entwickelt Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit, fördert Kreativität und Erlebnistiefe sowie Genuß- und Gestaltungsfähigkeit, Phantasie und Toleranz.“ Die KMK stellt deutlich heraus, dass das Fach Musik die Aufgabe hat, „angesichts der heutigen Reizüberflutung [...] zu einem eigenverantwortlichen Umgang mit der medialen Welt anzuleiten“, und kommt zu dem Schluss, dass das Schulfach Musik „Grundlagen zu einem eigenständigen und selbstbestimmten Lebensentwurf“ schafft.
  • Aus kulturpolitischer Sicht ist Musikunterricht in der Schule „für die Pflege und das Wachstum der Musikkultur in Deutschland unentbehrlich. [Er] vermittelt an die heranwachsende Generation das musikkulturelle Erbe, indem [er] durch vertiefte Sach- und Fachkenntnisse Verständnis für die vielfältigen Erscheinungen der Musik weckt, zu einer eigenen Identität beiträgt und das ‚Publikum von morgen‘ zur aktiven Teilhabe und zur Mitwirkung am kulturellen Leben ermuntert und befähigt. Dabei wird unter kulturellem Leben sowohl die traditionelle Überlieferung in der eigenen Region als auch die Musikpflege anderer Völker und Kulturen verstanden“, wobei populäre Musik ausdrücklich eingeschlossen ist: „Längst haben die vor Jahrzehnten noch vorwiegend einseitig auf die sog. Hochkultur bezogenen Inhalte des Schulmusikunterrichts, d. h. die ‚ernste‘ bzw. klassische Musik, einem breiteren Verständnis von Musikkultur, das auch Phänomene der Rock-, Pop- und Jazzmusik sowie der deutschen und internationalen Folklore einbezieht, Platz gemacht.“
  • Aus der Perspektive der Institution Schule selbst betrachtet, trägt das Schulfach Musik mit seinen spezifischen Möglichkeiten zudem „wesentlich zum äußeren Bild einer Schule bei. Es prägt durch seine vielfältigen, in die außerschulische Öffentlichkeit hineinwirkenden Aktivitäten das Erscheinungsbild von Schule und fördert damit die Schulverbundenheit von Schülern, Lehrern und Eltern. Darbietungen von Musikgruppen bereichern schulische Veranstaltungen und helfen, das Schulklima zu verbessern.“ [6]

Musikalische Bildung in institutionalisierter Form des Elementarbereichs sollte möglichst früh und fachkompetent geleitet beginnen, z. B. in Kindertagesstätten, Kindergärten oder anderen vorschulischen Einrichtungen. Der Musikunterricht in den allgemein bildenden Schulen ab der Primarstufe besitzt in der Folge die zentrale Aufgabe, potenziell alle Kinder und Jugendlichen mit musikalischer Bildung in Berührung kommen zu lassen. [7] Allgemein bildende Schulen sind die einzigen gesellschaftlichen Orte, die eine gezielte, kontinuierliche, systematische und aufbauende Entwicklung, Förderung und Präsentation der musikalischen Fähigkeiten aller Schüler*innen ermöglichen können. Als Zieldimension einer derart breit angelegten musikalischen Bildung von Kindern und Jugendlichen gilt die selbstbestimmte Teilnahme und aktive Teilhabe an der Musikkultur sowie die Befähigung zu deren Fortentwicklung und Tradierung. Unterricht im Fach Musik ist in den Grundschulen wie den Jahrgängen der Sekundarstufen I und II in den Stundentafeln der verschiedenen Schulformen der Bundesländer verankert. Das Fach Musik hat dabei entweder den Status eines ordentlichen Schul- bzw. Pflichtfachs mit entsprechender Bezeichnung beziehungsweise eines Wahlpflichtfachs oder es ist indirekt ein (zunehmend nicht mehr exakt fixierter) Bestandteil von Lernbereichen bzw. Fächerverbünden. Die Stunden- bzw. Kontingentstundentafeln der einzelnen Bundesländer sehen verschiedene Quantitäten für die Verteilung der Musikanteile vor. Für Lernbereiche wird in der Regel ein Stundenpool bzw. eine Kontingentstundenzahl vorgegeben. Die interne Verteilung bzw. der Anteil der einzelnen Fächer kann den lokalen Gegebenheiten entsprechend weitgehend von den Schulen selbst bestimmt und festgelegt werden. Sogenannte Wahlpflichtbereiche können durchaus zusätzliche Möglichkeiten des Einbezugs von Musikunterricht (partiell im Zusammenspiel mit anderen ästhetischen Fächern) in die schulische Praxis schaffen. Im Kontext dieser heterogenen Bedingungen wird in der Schulpraxis, besonders der Jahrgangsstufen sieben bis zehn, das Fach Musik vielfach in Phasen des Epochenunterrichts, d. h. im – häufig halbjährigen – Wechsel mit anderen Schulfächern erteilt. Es kann verschiedentlich auch abgewählt bzw. durch andere Fächer ersetzt werden (vgl. Abbildungen 1a / b). 

Abbildung 1a
Stundentafeln Musik an Grundschulen (2018)
Tabelle: Stundentafeln Musik an Grundschulen 2018
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Über die Kongruenz zwischen den länderspezifischen Stundentafeln für den Musikunterricht bzw. den Kontingentstundentafeln und dem tatsächlich erteilten Unterricht in Musik gibt es bislang keine empirisch abgesicherten Daten. Vielmehr ist man auf Teilerhebungen und Hochrechnungen angewiesen, die z. B. die musikpädagogischen Verbände unter ihren Mitgliedern durchführen. Schulbehörden und Kultusministerien verschiedener Bundesländer publizieren in den amtlichen Schulstatistiken zwar absolute Zahlen der existierenden Lerngruppen bzw. der erteilten Stunden, dabei bleibt jedoch die tatsächliche Relation zu den Vorgaben der Stundentafeln in der Regel unberücksichtigt. Zudem erweist sich in diesen Statistiken die Differenz zwischen (zusätzlichen) Angeboten wie AG-Stunden (Chor, Orchester, Spielkreise etc.), unklaren Bezeichnungen wie „Rhythmik“ und konkretem Musikunterricht vielfach als unscharf. [8] Vor dem angezeigten Problemhorizont stellt sich immer dringlicher die Frage, inwieweit Musik seinen Status als originäres Unterrichtsfach verliert und es so zu einer schleichenden Reduzierung der Stundenzahl und letztlich zum Verlust der eigenen Dignität des Faches kommt. In diesem Kontext ist auch der Beschluss der KMK vom 16. Oktober 2008 in der Fassung vom 11. Oktober 2018 zu den „Ländergemeinsame[ n] inhaltliche[n] Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung“ [9] kritisch zu sehen. Im auf die Grundschulbildung bezogenen Teil wird in diesem Beschluss von einer grundlegenden musikbezogenen Fachlichkeit signifikant Abstand genommen. Die angeführten „[f]achliche[n] Perspektiven“ sowie die „[f]achdidaktische[n] Grundlagen“ der Ausbildung fungieren im Sinne von „Mindestanforderungen“ für einen „Studienbereich Ästhetische Bildung: Kunst, Musik, Bewegung“. Die „primarstufenbezogene[n] Unterrichtsinhalte und -ziele der Fächer Kunst, Musik und Sport“ werden dazu unter dem Dach ästhetischer Bildung integriert. Ein derartiger Studienbereich soll für Lehramtsstudierende als Alternative zum traditionellen Studium des Unterrichtsfachs Musik für die Grundschule wählbar werden. [10] Die Umsetzung dieses Beschlusses in den Bundesländern wird aus musikpädagogischer Sicht voraussichtlich zu weiteren negativen Auswirkungen auf die Qualität der schulisch vermittelbaren musikalischen Bildung in der Grundschule führen.

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Foto: Workshopsituation Bundeskongress Musikunterricht
Workshopsituation Bundeskongress Musikunterricht  
Foto:  Filz  /  Bundesverband Musikunterricht

Die „Gestaltung der gymnasialen Oberstufe und der Abiturprüfung“ folgt der entsprechenden Vereinbarung der Kultusministerkonferenz in der zurzeit gültigen Fassung vom 5. Februar 2018. Sie sieht „die Gliederung in eine einjährige Einführungsphase und eine zweijährige Qualifikationsphase, die Zuordnung der Fächer zu drei Aufgabenfeldern, die Unterscheidung der Fächer nach Pflicht- und Wahlfächern, die Möglichkeit einer individuellen Schwerpunktsetzung, die Erteilung des Unterrichts auf unterschiedlichen Anspruchsebenen“ vor. [11] Insgesamt belegen Schüler*innen in der Qualifikationsphase „zwei bis vier Fächer auf erhöhtem Anforderungsniveau. [Diese] werden mindestens vierstündig unterrichtet, bei zwei Fächern auf erhöhtem Anforderungsniveau mindestens fünfstündig“. [12] Das Fach Musik ist dem Aufgabenfeld 1 (sprachlich-literarisch-künstlerisches Aufgabenfeld) zugeordnet, kann dieses aber im Unterschied zu anderen Schulfächern wie z. B. Deutsch nicht allein abdecken, was in der Regel die Wahl eines zweiten Fachs aus dem gleichen Aufgabenfeld erforderlich macht. In der Qualifizierungsphase müssen die Schüler*innen mindestens „zwei Schulhalbjahre in einem literarischen oder künstlerischen Fach“ den Unterricht belegen. [13] Verschiedentlich dürfen auch Leistungen aus instrumental- oder vokalpraktischen Kursen in die Qualifikationsphase bzw. die Abiturnote eingebracht werden, ohne damit jedoch die Pflichtauflagen der künstlerischen Fächer direkt zu erfüllen. Die Detailregelungen sind in den Bundesländern sehr unterschiedlich; dies gilt besonders vor dem Hintergrund der differenten Gymnasialzeiten sowie den Besonderheiten der Länder, die landeseinheitliche Aufgabenstellungen für die Abiturprüfungen vorschreiben.

Eine Entscheidung für Musik als „Fach mit erhöhtem Anforderungsniveau“ (früher als „Leistungskurs“ bezeichnet) oder als schriftliches oder mündliches Prüfungsfach im Abitur ist nicht ausgeschlossen, bleibt aber ebenfalls abhängig von länderspezifischen Vorgaben. Falls Musik „schriftliches Prüfungsfach [ist], so kann an die Stelle der schriftlichen Prüfung eine besondere Fachprüfung treten, die auch einen schriftlichen Teil umfasst“. [14] Bei der Wahl des Unterrichtsfachs Musik in der gymnasialen Oberstufe spielen die möglichen Fächerkombinationen, das Kursangebot der jeweiligen Schule sowie die Disposition des individuellen Schullaufbahnprofils eine zunehmend einschränkende Rolle. Auch institutionelle Vorgaben, z. B. Mindestkursgrößen oder Fixierungen von Fächer- bzw. Kursschienen, bauen wachsende Hindernisse für das Zustandekommen von Musikunterricht auf erhöhtem Anforderungsniveau auf. Um länderübergreifend die formale Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit zu gewährleisten, hat die KMK – wie für alle anderen Unterrichtsfächer – die grundlegenden fachlichen Anforderungen in den Abiturprüfungen auch für das Fach Musik beschlossen. [15] 

Abbildung 1b
Stundentafeln Musik in der Sekundarstufe I (2018)
Tabelle: Stundentafeln Musik in der Sekundarstufe I (1)
Fortsetzung Abbildung 1b
Tabelle: Stundentafeln Musik in der Sekundarstufe I (2)
Fortsetzung Abbildung 1b
Tabelle: Stundentafeln Musik in der Sekundarstufe I (3)
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Von den insgesamt rund 623.000 Schüler*innen der jeweils höchsten beiden Jahrgangsstufen, die im Schuljahr 2017/18 die gymnasiale Oberstufe besuchten, belegten 30,7 Prozent Kurse im Fach Musik auf grundlegendem Anforderungsniveau. Dies sind 3,1 Prozentpunkte mehr als im Schuljahr 2007/08 und dies ist zugleich einer der höchsten Werte der letzten zehn Jahre. Der prozentuale Anteil derjenigen Schüler*innen, die das Fach Musik mit erhöhtem Anforderungsniveau absolvierten, betrug im Schuljahr 2017/18 1,9 Prozent. Zwei Drittel der Schüler*innen in den oberen Jahrgangsstufen der Sekundarstufe II haben keinen Musikunterricht (vgl. Abbildung 2).

Ergänzend ist ein Blick auf die recht uneinheitlich und je nach Bundesland sehr differente Situation des Fachs Musik an den sogenannten beruflichen Gymnasien zu werfen, die je nach Bundesland auch als Fachgymnasien oder Berufskollegien bezeichnet werden. [16] Diese beruflichen Schulformen mit allgemein bildenden Abschlüssen sind in einzelnen Bundesländern stark vertreten und regeln die Verpflichtung zur Belegung des Fachs Musik äußerst verschieden: von der regulären Festlegung, die an den originären Gymnasien gilt, bis zu einer gänzlichen Nichtberücksichtigung. [17] Beobachtbar ist, dass die Zahl der Absolventen dieser Vollzeitschulform, die die Allgemeine Hochschulreife erwerben, stetig steigt. [18] 

Abbildung 2
Schüler*innen der beiden höchsten Jahrgangsstufen in der gymnasialen Oberstufe im Fach Musik
Tabelle: Entwicklung der Schülerzahlen seit 2002/03
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Fachlehrermangel und Unterrichtsausfall

Die Zahl der Lehrkräfte an den diversen Schulformen in Deutschland, die das Fach Musik unterrichten, lässt sich nicht exakt eruieren. [19] Der Bericht „Bildung in Deutschland 2012“ beziffert auf Grundlage einer Sonderauswertung der KMK, die freilich Lücken hinsichtlich der Daten verschiedener Bundesländer hat und sich zudem hinsichtlich der ausgewerteten Schulformen von den Angaben des Statistischen Bundesamts unterscheidet, die Anzahl der Lehrkräfte, die eine Lehrbefähigung oder -berechtigung für das Unterrichtsfach Musik besitzen, mit etwas über 37.800. [20] Es ist davon auszugehen, dass zwischen fünf und sieben Prozent der Lehrkräfte der allgemein bildenden Schulen diese Qualifikation vorweisen können. Aufschlüsselungen der tatsächlichen (formalen) Qualifikationen dieser Lehrkräfte, z. B. hinsichtlich Ausbildung und konkreter Fakultas, liegen jedoch nicht vor. Zudem ist festzuhalten, dass mit den vorliegenden Zahlen keine Angaben zum tatsächlichen Unterrichtseinsatz der Musiklehrkräfte gemacht werden. Diese im Hinblick auf die Ressourcenverteilung entsprechend der Stundentafeln wichtigen Angaben finden sich in publizierten Erhebungen bislang nicht.

Im Blick auf die Alltagspraxis der Schulen bleibt der Mangel an Musiklehrer*innen das grundlegende Problem. Die Schulministerien der Bundesländer konstatieren einhellig einen strukturellen Musiklehrkräftemangel, sodass Musik als Bedarfsfach gilt. Dass eine adäquate Versorgung der Schüler*innen mit Musikunterricht nicht gewährleistet ist, wird bereits durch den Bildungsbericht 2012 bestätigt, der feststellt: „Geht man davon aus, dass jeweils etwa 6 bis 7 % des Pflichtunterrichts bis zum Ende des Sekundarbereichs I auf den Kunst- und Musikunterricht entfallen und jede Lehrkraft in der Regel zwei Fächer unterrichtet, dann müssten die Musiklehrkräfte fast ausschließlich im Fach Musik unterrichten, damit von ihnen der Pflichtunterricht erteilt werden kann.“ [21] Vor allem im Primarbereich und mit graduellen Abstufungen in den nichtgymnasialen Schulformen der Sekundarstufe I ist keine Kontinuität gewährleistet. Nach Untersuchungen musikpädagogischer Verbände auf Länderebene muss davon ausgegangen werden, dass lediglich 20 bis 30 Prozent des erteilten Musikunterrichts an Grundschulen von fachspezifisch ausgebildeten Musiklehrkräften unterrichtet werden, während ca. 70 bis 80 Prozent des Unterrichts fachfremd oder gar nicht erteilt werden. Die Quote des tatsächlichen Unterrichtsausfalls ist jedoch weitestgehend unbekannt. [22] 

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Foto: Hochschule für Musik und Theater Rostock
Hochschule für Musik und Theater Rostock  
Foto:  Oliver Borchert  /  Hochschule für Musik und Theater Rostock

Der eklatante Mangel an ausgebildeten Musiklehrkräften führt im Zusammenhang mit den aktuellen Aufgaben und Ansprüchen der Schule – Inklusion, Heterogenität, Sprachförderung, Differenzierung – zu einer Kumulation der Probleme. Aus pädagogischer Sicht trifft dies insbesondere den Bereich der Förderpädagogik, da die Förderung der Schüler*innen durch Musik erwiesenermaßen große Erfolge erzielen kann. Das Problem des Lehrkräftemangels wird zudem dadurch verschärft, dass Musikunterricht in der Regel bei Erkrankung oder Abwesenheit der Fachlehrkraft nicht fachgerecht vertreten werden kann.

Eine hinreichende Versorgung aller Formen der allgemein bildenden Schulen mit qualifizierten Musiklehrkräften ist für die Zukunft und im Kontext der gesellschaftlichen Veränderungen, der Altersstruktur der Musiklehrkräfte sowie der steigenden Schülerzahlen nicht gesichert. Die Problematik des Mangels an Fachlehrer*innen für das Unterrichtsfach Musik ist (besonders im Blick auf die Grundschulen) eingebunden in den allgemeinen Lehrkräftemangel. Die von den Landesministerien forcierten Einstellungen von Quer- und Seiteneinsteigern lösen die grundlegende Problematik jedoch nicht, sie führen vielmehr schleichend, aber unweigerlich zu einer Entprofessionalisierung des Musiklehrerberufs. [23] Im Sinne einer konzertierten Aktion sind hier die Ministerien gefordert, mit den Ausbildungsinstitutionen konstruktiv zusammenarbeiten, um gemeinsam kurzfristig greifende Weiterbildungs- und Nachqualifizierungsmaßnahmen mit klar definierten Qualifikationsstandards im Hinblick auf eine musikpädagogisch fundierte Vermittlungskompetenz zu etablieren. 

Rahmenbestimmungen für den Musikunterricht

Die inhaltlich-methodische Ausgestaltung des Musikunterrichts wird durch  die landeseigenen Lehrpläne oder Kernlehrpläne und/oder Rahmenrichtlinien  geregelt. Diese richten sich auf die Formulierung von Kompetenzen oder rekurrieren  einerseits auf inhaltliche Breite und methodische Vielfalt, geben andererseits  aber auch, z. B. im Blick auf das Zentralabitur, verbindliche Unterrichtsinhalte für  einzelne Kurse oder thematische Schwerpunkte einschließlich festgelegter Werke  vor. Sie konkretisieren in durchaus unterschiedlicher Gewichtung die musikpädagogische  Theoriebildung im Blick auf ihre schulformspezifische Anwendbarkeit  und legen entsprechende Rahmenbedingungen fest. Die inhaltlich-methodische  Ausgestaltung im Detail ist weitgehend Aufgabe der schulischen Fachkonferenzen  und der Fachlehrkräfte. Für die entsprechende Planung und Durchführung  des Musikunterrichts geben Schul- und Liederbücher, Unterrichtsmaterialien,  Medienpakete  und Themenhefte diverser Schulbuchverlage sowie unterrichtspraktische  Beiträge der musikpädagogischen Fachzeitschriften Anregung und  Hilfestellung. Die räumliche und mediale Ausstattung des Musikunterrichts ist,  ebenso wie die personelle, nicht einheitlich. Neben exzellent ausgestatteten Schulen  gibt es auch Mangelversorgung, also Schulen, denen weder Fachräume, Instrumente  noch audio-visuelles Equipment zur Verfügung stehen.  

Über die konkrete Ausgestaltung des Musikunterrichts in der Schulpraxis liegen  kaum ausgewiesene Untersuchungen vor. Im Kontext der umfassenden musikkulturellen  Bewegungen der letzten Jahrzehnte und auch bezogen auf das Verhältnis  von Jugend und Musik haben sich die Konditionen für den Musikunterricht  jedoch deutlich verändert und erweitert. Musik erweist sich heute, aufgrund ihrer  Vielfalt und Omnipräsenz im Verbund von Ton, Bild und anderen Medien, als  Bestandteil allgemeiner Existenz- und Ausdruckserfahrung. Im Horizont der gesamtgesellschaftlichen  Bildungsaufgabe und im Referenzrahmen eines offenen  Kulturverständnisses soll Musikunterricht Kinder und Jugendliche befähigen,  selbstbestimmt und aktiv an der Musikkultur, ihrer Fortentwicklung wie ihrer Tradierung,  teilzunehmen und dabei ihre persönliche wie gesellschaftliche Identität  zu suchen und zu finden. Vor dem Hintergrund der veränderten und sich in Zukunft  auch weiter verändernden Bedingungen ist davon auszugehen, dass es den  Musikunterricht  nicht geben kann. Die Praxis des Musikunterrichts an allgemein  bildenden Schulen ist (u. a.) davon abhängig, welche Schüler*innen mit welchen  biografischen Hintergründen, in welchen Orten, mit welchen soziokulturellen  Kontexten, an welchen Schulen an ihm teilnehmen.  

Der Deutsche Musikrat hat über seinen damaligen Bundesfachausschuss „Musikalische  Bildung“ im Jahr 2005 einen umfassenden Rahmen für den Musikunterricht an  den allgemein bildenden Schulen definiert. In insgesamt sieben Punkten umreißt  dieser Rahmen ein Spektrum, das von der Freude an der Musik und am gemeinsamen  Musizieren über emotionale und sensorische Erlebnisse bis hin zur intellektuellen  Durchdringung einschließlich des Verstehens der eigenen Musikkultur reicht. [24]  

Foto: Musikgymnasium Schloss Belvedere
Musikgymnasium Schloss Belvedere  
Foto:  Gerold Herzog  /  Musikgymnasium Schloss Belvedere
Außenausfanhme: Mozarthaus und Akkordeon-Abteilung auf dem Campus Musikgymnasium Schloss Belvedere.
Mozarthaus und Akkordeon-Abteilung auf dem Campus Musikgymnasium Schloss Belvedere.  
Foto:  Gerold Herzog / Musikgymnasium Schloss Belvedere
Foto: Musikgymnasium Schloss Belvedere, Kammermusiksaal
Musikgymnasium Schloss Belvedere, Kammermusiksaal  
Foto:  Gerold Herzog  /  Musikgymnasium Schloss Belvedere

Musikpraxis in der Schule

Die Musikpraxis neben dem Musikunterricht spielt vor allem in Schulen  eine Rolle, die besonders musikinteressierten Schüler*innen speziell ausgerichtete  Musikzweige  anbieten. Hierzu zählen vornehmlich musisch ausgerichtete  Gymnasien oder Musikgymnasien, die partiell auch mit Musikhochschulen  kooperieren. Diese z. T. als Internatsschulen geführten Institutionen bieten neben  einem verstärkten Musikunterricht auch intensiven Instrumental-, Vokal- und  Musiktheorieunterricht sowie Kurse in Gehörbildung an. Dabei spielt die Pflege  der Orchester- und Chorarbeit eine bedeutsame Rolle. Übergeordnetes Ziel dieser  speziell ausgerichteten Schulen ist eine gezielte Förderung musikalisch Hochbegabter  und die potenzielle Vorbereitung auf einen späteren Musikerberuf. Darüber  hinaus gibt es eine Reihe von Schulen, die mit unterschiedlichen Konzepten und in  unterschiedlicher Intensität erweiterten Musikunterricht erteilen.  Eine intensive Instrumental- und Vokalpraxis wird auch in den regulären allgemein  bildenden Schulen vornehmlich im Bereich des AG- und Wahlfachangebots gepflegt.  Hier fungieren Chöre, Big Bands, Orchester, Spielkreise, Neue-Musik-AGs, Bands,  Combos etc. als Spezifikum des jeweiligen Schullebens. Die Lebendigkeit der musikalisch-  künstlerischen Ensemblearbeit an Schulen ist gleichermaßen abhängig vom Engagement der Schüler*innen sowie von den motivationalen Impulsen der  Lehrkräfte. Anrechnungen auf deren Lehrdeputat werden von administrativer Seite  zunehmend erschwert.  

In den letzten gut 25 Jahren haben sich zudem im Rahmen des Musikunterrichts  verschiedene Formen des Klassenmusizierens etabliert, die jenseits von musikalischer  Spezialbildung auf einen breiten musikalischen Kompetenzaufbau setzen.  Erreicht werden sollen dabei gerade jene Schüler*innen, die außerhalb der Schule  nicht die Möglichkeit haben, ein Instrument zu erlernen. Dieser Trend hat sich im  Kontext von Profilbildungen der Schulen, durch die zunehmende Schulautonomie  und nicht zuletzt durch die Weiterentwicklung der Ganztagsschulen dynamisiert.  Im allgemeinen Sinn werden unter dem Terminus Klassenmusizieren alle musikpraktischen  Aktivitäten einschließlich ihrer Reflexion verstanden, die gemeinsam  von einer Schulklasse im Musikunterricht vollzogen werden. [25] Klassenmusizieren  kann folglich im allgemeinen Sinn Bestandteil jedweder Form des Musikunterrichts  in der allgemein bildenden Schule sein. Im spezifischen Sinn realisiert Klassenmusizieren  sich in sogenannten Profilklassen (Musikklassen), die sich dadurch  auszeichnen, dass alle Schüler*innen ein Instrument erlernen und / oder im Gesang  ausgebildet werden. Musikklassen erhalten in der Regel im Vergleich zu den  regulären Stundentafeln einen quantitativ erweiterten Musikunterricht (kontinuierlich  mindestens zwei, z. T. auch drei und mehr Wochenstunden). Neben der  geschlossenen Form existieren auch Einwahlmodelle aus mehreren Parallelklassen  oder aus dem gesamten Jahrgang. Bezüglich der erlernten Instrumente  variieren die Modelle: Musikklassen mit Bläsern oder Streichern, Gesangsklassen  (auch als Sing-, Vokal- oder Chorklassen bezeichnet), mit Keyboards oder Blockflöten,  aber auch mit Gitarren, Perkussionsinstrumenten, Steckbund-Monochorden  sowie in diversen Mischformen. Die weiteste Verbreitung haben diese Formationen  in der fünften und sechsten Jahrgangsstufe, mit Tendenz zur Weiterführung  in die Mittelstufe hinein. Auch im Grundschulbereich formieren sich zunehmend  Musikklassen. Sie sind in allen Schulformen ein wichtiges Feld, in dem es zu konstruktiven  Kooperationen zwischen Musiklehrer*innen der allgemein bildenden  Schulen und Musikschul- bzw. Privatmusiklehrkräften kommt.  

Abbildung 3
Kooperationen von öffentlichen Musikschulen im VdM mit allgemein bildenden Schulen und anderen Partnern
Abbildung und Tabelle zu Kooperationen von öffentlichen Musikschulen
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Musikklassen mit den verschiedenen Formen des Klassenmusizierens scheinen  eine sehr erfolgreiche Form des Musikunterrichts zu sein. Ihre momentane Gesamtzahl  ist schwer ermittelbar, unverkennbar war die steigende Tendenz in den letzten Jahren. Die diversen Konzepte und Praxen in den Schulen werfen freilich  auch Fragen auf. Diese richten sich u. a. auf die jeweilige konzeptionelle Zielrichtung,  Ausgestaltung und Stimmigkeit, auf methodisch-didaktische Konsistenz, auf die musikpädagogische sowie bildungstheoretische Einbindung oder die Balance  zwischen den Anteilen eines „reinen“ Instrumentalspiels und den (möglichen) anderen  Anteilen des allgemeinen Musikunterrichts. [26] Zugleich fordert das Klassenmusizieren  in spezifischer Weise die Kompetenz der Musiklehrer*innen, sodass in  diesem Kontext auch Veränderungen in der Ausbildung von Musiklehrer*innen  notwendig wurden. [27]  

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Die Liederfeste zum Abschluss der Aktion „Klasse! Wir singen“ bringen Tausende von Kindern zusammen
Die Liederfeste zum Abschluss der Aktion „Klasse! Wir singen“ bringen Tausende von Kindern zusammen  
Foto:  Anja Albrecht

Im Kontext der schulischen Musikpraxis besonders in Grundschulen sind in den  letzten Jahren verschiedene zeitlich begrenzte Projekte in variabler Qualität und  Relevanz zur Stärkung der musikalischen Bildung initiiert worden. Als Initialzündung  kann das ursprünglich aus der Arbeit der Musikschule Bochum hervorgegangene  und dann ab 2007 im Verbund der Kulturstiftung des Bundes, des  Landes Nordrhein-Westfalen und der Zukunftstiftung Bildung weiterentwickelte  Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ (JeKi) gelten. 2010 wurde das Projekt auf  das nordrhein-westfälische Ruhrgebiet ausgeweitet und zum Modell, das in unterschiedlichen  Ausformungen in Hamburg, Hessen und in anderen Bundesländern  übernommen wurde. In NRW selbst wurde es zum Schuljahr 2015/16 ersetzt  durch das für alle Kommunen des Landes geöffnete Nachfolgeprogramm „Jedem  Kind Instrumente, Tanzen, Singen“ (JeKits), welches neben dem instrumentalen  Angebot auch die beiden anderen Schwerpunkte alternativ einbezieht. Zahlreiche  weitere Projekte und Initiativen sind zu nennen, die mit unterschiedlichen regionalen Schwerpunkten, vielfach auf der Basis bürgerlichen Engagements und im  Windschatten kulturbürokratischer Routinen, sehr wichtige und kreative Ergänzungen  zum gesamtgesellschaftlichen musikbezogenen Bildungsauftrag vom vorschulischen  Sektor bis hinein in den Bereich der Fortbildung von Musiklehrkräften  leisten.28 In Relation zum schulischen Musikunterricht sind solche Projekte jedoch  als Ergänzung, nicht als Ersatz zu werten.

Der Musikunterricht an den allgemein bildenden Schulen ist auf vielfache Weise  in Kooperationen mit den Musikschulen verbunden. Die Anteile der Zusammenarbeit  mit VdM-Musikschulen hat sich auf dem in den letzten Jahren erreichten  Niveau eingependelt. So kooperierten 2017 80 Prozent der VdM-Musikschulen mit  Grundschulen und 45 Prozent mit Gymnasien (vgl. Abbildung 3).  

Über die Kooperationen der allgemein bildenden Schulen mit privaten Musikschulen  bzw. freiberuflich tätigen Instrumental- oder Vokallehrkräften liegen keine  Daten vor; im Zuge des weiteren Ausbaus der Ganztagsschulen ist aber auch hier  eine stärkere, qualitativ abgesicherte Zusammenarbeit als Ergänzung des Musikunterrichts  notwendig und wünschenswert.  

Perspektiven

Die Perspektiven des Musikunterrichts in der allgemein bildenden Schule sind  und bleiben eingebunden in aktuelle kultur-, bildungs- und schulpolitische Entwicklungen.  In diesem Rahmen geht es besonders darum, den Musikunterricht in  seiner Spezifik und Einzigartigkeit im Fächerkanon aller Schularten und -formen  und in musikpädagogisch sinnvollen Lernumgebungen zu stärken sowie ihn von  allen Seiten in seiner gesamtgesellschaftlichen Bedeutung wertzuschätzen. Dazu  gehört unabdingbar die Forderung, die Kontinuität des Musikunterrichts zu sichern.  Hierzu ist eine Erhöhung der Studierendenzahlen für die Ausbildung der  Musiklehrkräfte notwendig, insbesondere im Grund- und Förderschulbereich.  Perspektivisch besonders relevant bleibt im Weiteren die Ermöglichung und Sicherung  inklusiver Unterrichtspraxis, in der das Fach Musik den heterogenen Ansprüchen  und Anforderungen der Schulrealität fachlich und pädagogisch erfolgreich  begegnen kann, sowie die Verständigung über den Beitrag, den der Musikunterricht  zur aktiven und selbstbestimmten Teilhabe in unserer digitalen Welt der  Gegenwart und Zukunft leisten kann und soll.  

Über den Autor

Ortwin Nimczik lehrt als Professor für Musikpädagogik und Musikdidaktik an der Hochschule für Musik Detmold. Er ist Ehrenpräsident des Bundesverbands Musikunterricht.
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Fußnoten

  1. Vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Grundstruktur des Bildungswesens in der Bundesrepublik Deutschland. Diagramm, Berlin 2017.
  2. Vertiefend hierzu: Lutz R. Reuter, Margarete Menz: Das Schulwesen in der Bundesrepublik Deutschland, in: Gerhard Mertens [ u. a.] (Hrsg.): Handbuch der Erziehungswissenschaft, Bd. II/1: Schule, Paderborn 2009, S. 139–154.
  3. Vgl. die Details hierzu: Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland 2015/16. Darstellung der Kompetenzen, Strukturen und bildungspolitischen Entwicklungen für den Informationsaustausch in Europa, Bonn 2017, S. 137 f.
  4. In Abgrenzung von historischen Vorstellungen musischer Bildung wäre es hier sinnvoll und begrifflich klarer, von musikalischer Bildung zu sprechen.
  5. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland: Kunst- und Musiklehrerausbildung. (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 06.12.2012), Berlin 2012, S. 2.
  6. Vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Zur Situation des Musikunterrichts im Fach Musik an den allgemeinbildenden Schulen in der Bundesrepublik Deutschland. Bericht der Kultusministerkonferenz vom 10.03.1998, Bonn 1998, S. 11 f.
  7. Die Gesamtschülerzahl an allgemein bildenden Schulen betrug im Schuljahr 2017 / 18 gut 8,3 Millionen, etwas über sieben Millionen davon besuchten den Primarbereich und die Schulen der Sekundarstufe I; Daten nach: Statistisches Bundesamt: Bildung und Kultur. Allgemeinbildende Schulen. Schuljahr 2017/2018, Wiesbaden 2018, S. 10 (= Fachserie 11, Reihe 1).
  8. Diese Undifferenziertheit mag am Beispiel Nordrhein-Westfalens angedeutet werden: So müsste die Summe der erteilten Stunden bezogen auf die „künstlerischen Fächer“ Musik und Kunst in der Grundschule NR Ws entsprechend der Stundentafeln annähernd gleich sein. Doch die Statistik zum Schuljahr 2017/18 weist für die erteilten Stunden Kunst / Kunsterziehung sowie Musik / Rhythmik ein Verhältnis von etwa 4 : 3 aus. Vgl. Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Das Schulwesen in Nordrhein-Westfalen aus quantitativer Sicht 2017 / 18 , 2. Aufl., Düsseldorf 2018, S. 86 und 91.
  9. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.10.2008 i. d. F. vom 11.10.2018, Bonn / Berlin 2018.
  10. Vgl. ebd., S. 66. Im Zuge der Einführung solcher Lernbereiche sind mittlerweile entsprechende Studiengänge, u. a. an der Universität zu Köln, aufgebaut worden, deren fachliche Anteile gegenüber dem originären Studium des Fachs Musik sehr stark beschränkt sind.
  11. Vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe und der Abiturprüfung. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 07.07.1972 i. d. F. vom 15.02.2018, Berlin/Bonn 2018, S. 4.
  12. Ebd., S. 9.
  13. Ebd., S. 8
  14. Ebd., S. 12.
  15. Vgl. hierzu Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Musik. Beschluss der KMK vom 01.12.1989 i.d. F. vom 17.11.2005, Berlin/Bonn 2005.
  16. Zum Status des Fachs Musik an dieser Schulform vgl. Philipp Ahner: Wahlfach „Musik“. Musikunterricht an beruflichen Gymnasien in der Sekundarstufe II in Baden-Württemberg aus der Perspektive von Jugendlichen, Musikpädagogik und Kultusverwaltung, Norderstedt 2011.
  17. Vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe und der Abiturprüfung. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 07.07.1972 i.d. F. vom 15.02.2018, Berlin/Bonn 2018, S. 8, Fußnote 4.
  18. In Baden-Württemberg lag sie im Jahr 2016 bei 18.646 – mehr als ein Drittel aller Abiturient*innen in diesem Jahr. Vgl. Statistisches Landesamt BadenWürttemberg: Abiturienten nach Schularten, Stuttgart 2018. Online unter: https://www.statistik-bw.de/BildungKultur/SchulenAllgem/LRt0302.jsp?path=/BildungKultur/SchulenBerufl/ (Zugriff: 5. Oktober 2018).
  19. Das Statistische Bundesamt zeigt die Gesamtzahl der Lehrkräfte an allgemein bildenden Schulen Deutschlands an (Schuljahr 2017/18: 679.478) und differenziert diese u.a. nach Schularten, Beschäftigungsumfang und Geschlecht, weist aber aufgrund einer auf die Bundesländer bezogenen uneinheitlichen Quellenlage keine Fachspezifik aus. Vgl. Statistisches Bundesamt: Bildung und Kultur. Allgemeinbildende Schulen. Schuljahr 2017/2018, Wiesbaden 2018, S. 696–744 (= Fachserie 11, Reihe 1).
  20. Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.): Bildung in Deutschland 2012. Ein indikatorengestützter Bericht mit Analyse zur kulturellen Bildung im Lebenslauf, Bielefeld 2012, S. 335.
  21. Ebd., S. 191.
  22. Die Studie „Jugend / Kunst / Erfahrung. Horizont 2015“ eruierte im März 2015 den Ausfall des Musikunterrichts an Gymnasien und Sekundarschulen durch Befragung von Schüler*innen der neunten und zehnten Klassen. Demnach fand an 22 Prozent der Schulen kein Musikunterricht statt, an 27 Prozent fiel er „häufig“ oder „ab und zu“ aus. Vgl. die Statistik des Deutschen Musikinformationszentrums: Ausfall des Musikunterrichts an Gymnasien und Sekundarschulen (9. und 10. Klasse), Bonn 2015 (Zugriff: 2. November 2018). – Der Deutsche Musikrat und die Bertelsmann-Stiftung bereiten derzeit eine Studie zum Thema vor. Erste Ergebnisse sollen 2019 vorliegen.
  23. Im Jahr 2017 haben die Länder Berlin 114, Nordrhein-Westfalen 60, Sachsen 39 und Niedersachsen 31 Stellen für das Unterrichtsfach Musik mit Seiteneinsteigern besetzt (bundesweit: 267 Stellen), vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Einstellung von Lehrkräften 2017. Tabellenauszug, Berlin 2018, S. 9.
  24. Vgl. Sieben Thesen zur Musik in der Schule, in: Deutscher Musikrat (Hrsg.): Musik bewegt. Positionspapiere zur Musikalischen Bildung, Berlin 2005, S. 10–19, hier S. 11 f.
  25. Vgl. hierzu ausführlich Michael Pabst-Krueger: Klassenmusizieren, in: Werner Jank (Hrsg.): Musik-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II, 6. Aufl., Berlin 2017, S. 158–168.
  26. Vgl. Hans-Ulrich Schäfer-Lembeck (Hrsg.): Klassenmusizieren als Musikunterricht!? Theoretische Dimensionen unterrichtlicher Praxen. Beiträge des Münchner Symposions 2005, München 2005. Inzwischen liegen Studien in diesem Kontext vor, z.B. Gerd Arendt: Instrumentalunterricht für alle? Zur langfristigen Relevanz des Klassenmusizierens und der Notwendigkeit einer Reform des Musikunterrichts, Augsburg 2009; Thade Buchborn: Neue Musik im Musikunterricht mit Blasinstrumenten, Essen 2011; Katharina Bradler: Streicherklassenunterricht. Geschichte – Gegenwart – Perspektiven, Augsburg 2014. Als eine integrative Konzeption von Musikunterricht vgl. Bernhard Sommer [u.a.]: Leitfaden Bläserklasse. Ein Konzept für das erfolgreiche Unterrichten mit Blasinstrumenten, Innsbruck 2018.
  27. Vgl. hierzu Ludwig Striegel: Klassenmusizieren als integratives Unterrichtskonzept: Das Mainzer Modell, in: Schäfer-Lembeck (Hrsg.): Klassenmusizieren als Musikunterricht!?, München 2005, S. 118–124 und Ortwin Nimczik: Studienfeld Klassenmusizieren: Ein neuer Schwerpunkt im Studiengang Schulmusik an der Hochschule für Musik Detmold, in: ebd., S. 125–137.
  28. So z.B. Primacanta. Jedem Kind seine Stimme, SingPause. Singen an Düsseldorfer Grundschulen, GanzOHR! Musik für Kinder, Canto Elementar.

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