Die geplante Orchesterfusion des Südwestrundfunks veranlasste Helmut Lachenmann zu einem kritischen Kommentar, der an die Berliner Akademie der Künste ging und hier in Auszügen wiedergegeben werden soll, um auch dem Protest der Musikabteilung der Bayerischen Akademie der Schönen Künste Ausdruck zu verleihen:

"Einer Reaktion auf die gespenstische Drohung, die beiden SWR-Sinfonieorchester zu fusionieren, das heißt irreparabel kaputt zu machen, muß vorausgehen – denn die nächste Barbarei kommt bestimmt – die Frage: was tun die für unser Gemeinwohl verantwortlichen bzw. für die Kultur und das kulturelle Selbstverständnis unserer Gesellschaft zuständigen Politiker und die per Amt in unsere Gesellschaft hineinwir-
kenden Autoritäten hierzulande in der Öffentlichkeit, in den verschiedenen Gremien, in den Schulen, in den Hochschulen, in den Universitäten, in den Akademien, in den Gemeinden, in den Feuilletons, in den Kultursendungen, was tun die Konzertveranstalter, die GEMA, der Deutsche Musikrat, die Komponistenverbände, um jenem hinter allen kulturbeflissenen Fassaden unaufhaltsam sich ausbreitenden Zustand entgegenzuwirken, den ein Thomas Mann bereits 1 955 prophetisch diagnostizierte als einen »Kulturschwund, der beängstigt«?

Schlimm genug, daß man einer weithin gleichgültigen Öffentlichkeit klarmachen muß, welch irreparablen Schaden die Durchsetzung des Fusions-Vorhabens bedeuten würde: Schaden nicht nur für diese Orchester, auf die unsere Mitbürger stolz sein sollten und die in ihren im Lauf ihrer Wirkungsgeschichte individuell gewachsenen, international hochgeachteten Physiognomien für immer zerstört würden, Schaden nicht nur für das Musikleben und Schaden nicht nur für das Ansehen unseres Landes, auf dessen kulturell immer noch leuchtendes Beispiel so viele Länder mit Bewunderung blicken...

Hier sollen – einmal mehr – auf das Betreiben einer verbrecherisch blinden und gleichgültigen Ignoranz Gelder eingespart werden unter Inkaufnahme der Zerstörung von Einrichtungen, deren über den kommerziellen Aspekt weit hinausgehender Wert mit Zahlen überhaupt nicht erfaßbar ist...

Es ist höchste Zeit, daß parteienübergreifend die einer lebendigen Kultur sich verantwortlich Wissenden solch wahnsinnigem Vorgehen, nämlich dem
Betreiben eines kulturellen Kahlschlags auf Raten, mit allen Mitteln sich entgegenstemmen, aber zugleich diesen Vorgang zum Anlaß nehmen, solche Unaufgeklärtheit einer in aller Arglosigkeit sich selbst entmündigenden Gesellschaft in der Öffentlichkeit endlich zur Sprache und zum Bewußtsein zu bringen."

Helmut Lachenmann

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