Ist es für den SWR realistisch, vom 1. April 2005 an weitere Einsparungen vorzunehmen? Und wie hoch werden sie sein?
Der SWR wird in den kommenden vier Jahren voraussichtlich 150 Mio. Euro weniger einnehmen als ursprünglich geplant. Gründe dafür sind, neben der geringeren Gebührenanpassung von 88 Cent vom 1. April an, auch Hartz IV und demographische Gründe. Wir werden immer mehr Befreiungen von der Gebühr haben. Wir rechen schon dadurch mit Einnahmeausfällen von bis zu 30 Mio. Euro. Das führt zwangsläufig zu deutlichen Einschnitten.
Die Notwendigkeit der Kostenreduktion von rund 40 Mio. Euro jährlich hat zur Folge, daß wir die internen Sachkosten in allen Bereichen weiter reduzieren müssen. Zum Beispiel im Bereich der Reisekosten, der allgemeinen Verbrauchsmaterialien, in den Bereichen der Informationstechnik, der Fortbildung, der Medienforschung und des Marketings. Die Marketingaufwendungen werden wir im kommenden Jahr um mehr als eine Mio. Euro zurückfahren müssen. Das sind schmerzhafte Einschnitte - wir können nur versuchen, sie dadurch zu kompensieren, daß wir die Effizienz in diesem Bereich weiter verbessern.
Eine weitere Notwendigkeit ist, daß wir zunächst einmal den Planstellenabbau konsequent fortsetzen. Die mit der Fusion verbundene Reduzierung von rund 650 Planstellen wird mit dem Haushalt 2005 nahezu abgeschlossen sein. Wir werden allerdings die Personalkosten weiter senken müssen, hauptsächlich durch natürliche Fluktuation und durch flankierende Maßnahmen, vor allem auch durch den Verzicht auf bisher erbrachte Leistungen. Das weitere Rückführen von Planstellen ist ein Element neben anderen zur Zukunftssicherung.
Was heißt das konkret ?
Wir werden uns, wie viele andere in dieser Gesellschaft auch, auf weitere Einschnitte einstellen müssen. Unsere Tarifabschlüsse liegen schon heute, und bereits zum dritten Mal, unter denen für Beschäftigte von Bund, Ländern und Kommunen. Für die nächsten Tarifverhandlungen müssen wir über eine weitere Nullrunde bei den Gehältern verhandeln.
Was bedeutet dieses Einsparvolumen von 150 Mio. Euro für den SWR konkret?
Es geht um die mittel- und langfristige Existenzsicherung des Senders. Die Einsparungen werden bestehende Strukturen und Entwicklungsmöglichkeiten nachhaltig und spürbar beeinflussen. Dies bedeutet sowohl Verzicht wie auch Umbau der Strukturen, der Programme und der Technik. Das ist zwingend notwendig, um die rund 150 Mio. Euro einzusparen.
Wir müssen heute Entscheidungen treffen, die mittel- und langfristige Auswirkungen haben. Jetzt müssen die Weichen gestellt werden, um unsere Programme und Strukturen für die Zukunft fit zu machen. Und daran arbeiten wir.
Sie kündigten bereits Einsparungen bei Gemeinschaftseinrichtungen der ARD an. Welche sind das ?
Das stimmt. Der SWR hat die Gesellschafterverträge mit dem Institut für Rundfunktechnik und der Rundfunk-Betriebstechnik in Bayern zum Jahresende 2005 gekündigt. Darüber hinaus haben wir unseren Austritt aus der Stiftung Schule für Rundfunktechnik ebenfalls zum Ende 2005 erklärt. Für beides wenden wir jährlich 2,9 Mio. Euro bzw. 1,3 Mio. Euro auf. Weiter werden wir uns ab 2006 nicht mehr an den Hörfunk-Gemeinschaftsaufgaben "ARD-Musikwettbewerb" und "Bayreuther Festspiele" beteiligen.
Gravierende Einschnitte stehen bevor, die auch das kulturelle Engagement betreffen. Welche werden das sein und warum gerade Kultur? Über welchen Etatansatz wird hier gesprochen ?
Wir müssen prüfen, was ist wirklich disponibel. Das ist leider das Programm und das sind leider die kulturellen Aktivitäten. Alle Möglichkeiten und denkbaren Veränderungsszenarien kommen auf den Tisch, werden bewertet und durchgerechnet. Derzeit stehen alle öffentlichen Veranstaltungen, alle Festivalbeteiligungen, alle Preise und auch die Klangkörper auf dem Prüfstand. Es gibt nichts, was in den nächsten Wochen nicht kritisch geprüft wird - vom Programm bis zu den Personalkosten, von Popveranstaltungen bis zu den Donaueschinger Musiktagen.
Der SWR muß deutliche Einschnitte im Bereich der außerprogrammlichen Aktivitäten vornehmen. Wir können daher zum Beispiel das zweitägige Open-Air-Konzert SWR3 Arena of Sound auf dem Stuttgarter Schlossplatz und das eintägige SWR3 Rheinland-Pfalz-Open-Air auf der Großen Bleiche im nächsten Jahr nicht mehr veranstalten.
Sie wollen auch bei den Orchestern sparen.
Wir müssen auch die Strukturen bei den Klangkörpern verändern. Wir werden die Klangkörper so nicht halten können, wenn wir gleichzeitig Programme zurückschneiden und mit den Mitarbeitern über Nullrunden diskutieren.
Wir haben beim SWR fünf, mit dem Experimentalstudio der Strobel-Stiftung sogar sechs Klangkörper, also genau so viele, wie die große BBC als nationaler Sender für ganz Großbritannien unterhält. Die ARD verfügt über 22 Klangkörper und veranstaltet über tausend Konzerte im Jahr. Diejenigen, die jetzt laut fordern, das müsse alles so bleiben oder sogar noch ausgebaut werden, waren leider sehr schweigsam, als die Politik uns mit dem Rückenwind eines großen Teils der veröffentlichten Meinung die finanziellen Voraussetzungen dafür entzogen hat. Wenn wir im SWR nicht auf ganze Klangkörper komplett verzichten wollen, müssen wir neue Formen finden, eventuell mit neuen Partnern. In Rheinland-Pfalz haben wir z. B. die Chance einer Fusion. Für Baden-Württemberg sind verschiedene Modelle denkbar. Spätestens Anfang 2005 werden wir weitreichende Entscheidungen zu treffen haben.
Es wurde schon über Entlassungen gesprochen. Stimmt das ?
Nachhaltige Strukturreformen sind unumgänglich. Wenn wir jetzt nichts tun, werden wir am Ende wirklich den Kahlschlag heraufbeschwören. Es geht um die Zukunftssicherung auf einem schmaleren Fundament, das dann dauerhaft tragfähig sein soll. Von Entlassungen ist dabei aber nicht die Rede. Wir wollen den Umbau nach Möglichkeit sozialverträglich gestalten. Niemand geht leichten Herzens an diese Aufgabe heran. Es muß aber sein.
Wenn Sie ausgerechnet bei der Kultur, bei den Orchestern sparen, schadet das nicht der Legitimation der Öffentlich-Rechtlichen?
Wir sprechen über die Reduzierung von Aufgaben, die in diesem Ausmaß nicht zwingend geboten sind. Im 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist definiert, daß wir mit unserem Programm für Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung zu sorgen haben. Eigene Rundfunkorchester und Konzertveranstaltungen sind in diesem Zusammenhang vor allem eine freiwillige Leistung für die Kulturlandschaft.
Eine weitere Forderung der Politik an die ARD ist, 3sat in die Alleinverantwortung an das ZDF zu geben. Begründet wird es mit weiteren Sparpotentialen. Stimmt das und wird 3sat künftig allein nur vom ZDF verantwortet ?
Daß beide Systeme ihre Programme bei 3sat einbringen können, ist sowohl unter programmlichen wie unter finanziellen Aspekten gerade der entscheidende Vorteil. Und daran halten wir fest.
Die partnerschaftliche Verantwortung von ARD und ZDF für 3sat entspricht somit genau der politischen Forderung nach Kooperationen in und zwischen den beiden öffentlich-rechtlichen Systemen. Hier wird mit geringem personellen und sachlichen Aufwand und großen Synergieeffekten gemeinsam ein kulturell hochwertiges deutschsprachiges Programm hergestellt.
Im Entwurf des 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag findet sich zwar eine Protokollerklärung von 15 Ministerpräsidenten, die ARD und ZDF bitten, zu prüfen, ob das internationale deutschsprachige Gemeinschaftsprogramm 3sat in die alleinige programmliche Zuständigkeit des ZDF überführt werden kann. Baden-Württemberg hat sich erfreulicherweise klar gegen diesen rundfunkpolitischen Fehlgriff gewandt und dies ebenfalls in einer Protokollnotiz festgeschrieben. Da ein Rundfunkstaatsvertrag nur einvernehmlich von allen Ländern zu ändern ist, wird es bei der Mitverantwortung der ARD für 3sat bleiben.
Im SWR beschäftigt sich eine Projektgruppe mit dem Videojournalisten. Auch eine Form, Geld zu sparen?
Nein, das muß man als eine Investition in die Zukunft sehen und ganz klar trennen: Videojournalisten sehe ich im Bereich der Nachrichten oder auch in der Zulieferung von Bildern aus den Regionalstudios für die Aktuell-Sendungen. Man muß wissen: Die Einführung des Videojournalisten kostet erst einmal Geld: Wir müssen in geeignete DV-Kameras, in Hard- und Software und auch in Schulungen investieren. Der Videojournalist ist eine Chance für unsere Mitarbeiter, sich in anderen Bereichen zu qualifizieren: für den Reporter im Bereich Kamera und Schnitt, für Kameraleute, auf journalistischem Terrain. Unsere Produkte können insgesamt durch diese tieferen Einblicke in die Arbeit der Kollegen nur profitieren.
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Quelle
http://www.swr.deMehr zum Thema
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