Außenansicht des Opernhauses in Oslo
Das Opernhaus in Oslo im Stadtteil Bjørvika  
Foto:  Erik Berg
Technischer Fortschritt, neue künstlerische Ansprüche sowie veränderte Seh- und Freizeitgewohnheiten haben die Musiktheaterarchitektur stark verändert. Anhand prägnanter Bauten aus dem In- und Ausland erläutert Yorck Förster, freier Kurator am Deutschen Architekturmuseum, Konzepte von Sanierungen und Neubauten.

Im Juni 2017 wurde in Frankfurt am Main eine Machbarkeitsstudie zur Sanierung der Städtischen Bühnen vorgestellt. Das Bauensemble am Rand des Bankenviertels ist in über 110 Jahren gewachsen. Am Anfang stand das Schauspielhaus von 1902. Nach einer Teilzerstörung im Zweiten Weltkrieg und einer ersten Phase des Wiederaufbaus Anfang der 1950er Jahre wurde schließlich die Doppelanlage aus Schauspiel und Oper mit gemeinsamen Werkstätten 1963 eröffnet.

Dass eine grundlegende Sanierung der in weiten Teilen rund 60 Jahre alten Substanz ansteht, überrascht wenig, das hat das Haus mit den meisten der vornehmlich in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg neu gebauten (Musik-)Theatern in Deutschland gemeinsam. Zum Schock wurden aber die Summen, die die Studie nannte: je nach Variante im günstigsten Fall rund 850 Millionen Euro für eine Sanierung und 890 Millionen Euro für einen kompletten Neubau.

Dabei ist die Studie, die in enger Zusammenarbeit von Bühnen und Hochbauamt mit Architekten (pfp Planungs GmbH) und Fachplanern erarbeitet wurde, bemüht, mit größtmöglichem Realismus zu kalkulieren. Die verwachsene Baugeschichte des Ensembles findet ebenso ihren Niederschlag in der Kalkulation wie die Größe des Hauses (die Städtischen Bühnen in Frankfurt sind mit rund 1.200 Mitarbeitern die größte kommunale Bühne in Deutschland). In das Zahlenwerk flossen die beträchtlichen Ausgaben für eine Interimsspielstätte ebenso mit ein wie eine Risikovorsorge für Unvorhergesehenes und zu erwartende Kostensteigerungen während der Bauzeit.

Die Frankfurter Studie wie auch Sanierungen von Häusern aus jüngster Zeit zeigen deutlich, dass bei den Sanierungskosten drei Bereiche unterschieden werden müssen, die jeweils eine eigene Komplexität entfalten können: In der Regel unmittelbar ersichtlich ist die Notwendigkeit einer baulichen und energetischen Sanierung und Ertüchtigung der Häuser. Damit kann aber der Verlust des genehmigungsrechtlichen Bestandsschutzes von Gebäudeteilen einhergehen. Allein die dann möglicherweise notwendige Anpassung an aktuelle Arbeitsstättenrichtlinien – zum Beispiel für den Orchestergraben oder -probensaal – kann zu einem nicht unerheblichen Mehrbedarf an Flächen führen. In Frankfurt zum Beispiel wurden aus diesem Grund insgesamt rund 7.500 Quadratmeter Nutzfläche zusätzlich veranschlagt.

Von außen im Verborgenen liegt dagegen der Sanierungsaufwand der Haustechnik, für Bühnenbauten sind das unter anderem so essentielle Funktionen wie die Be- und Entlüftungstechnik des Zuschauersaals. Daraus können sich, wie es bei den Bühnen Köln geschehen ist, dramatische Zeitverzögerungen und Kostensteigerungen ergeben.

Die Bühnentechnik schließlich, die den Anforderungen eines Repertoire-Betriebs und den sich ebenso weiter entwickelnden Sehgewohnheiten des Publikums genügen muss, ist der dritte Bereich. Die Sanierung der denkmalgeschützten Staatsoper Unter den Linden in Berlin zeigt den enormen Aufwand, den es für eine Ausgestaltung nach aktuellem Standard bedarf. Als das Opernhaus gebaut wurde, standen die Flächen Auditorium und Bühnenraum im Verhältnis eins zu eins, bei den heute im Repertoirebetrieb gängigen Kreuzbühnen ist es eins zu vier.  

Und nicht zuletzt sind Bühnenbauten – ob nun für Theater, Oper oder als Konzerthaus – keine neutralen Bauwerke, sondern Ausdruck des kulturellen Selbstverständnisses. Die Gebäude bilden die Form für die kulturelle Teilhabe, die aber mit der Veränderung der Praxis der Aufführungen einerseits und der Erwartungen des Publikums andererseits selber einem Wandel unterliegt. Unabhängig ob Sanierung oder vollständiger Neubau besteht die Frage, welche Rolle das Haus in der Stadt selber spielen soll.

Verborgen, komplex und unterschätzt: Die Tücken der Haustechnik

Die Bühnen Köln mit Schauspiel und Oper haben seit den späten 1950er Jahren ihren Stammsitz am Offenbachplatz im Zentrum der Stadt. Stilistisch changiert das in Teilen denkmalgeschützte Ensemble von Wilhelm Riphahn zwischen Bescheidenheit und überraschender Monumentalität. Nach gut 50 Jahren Spielbetrieb beschloss die Stadt Köln wegen des schlechten technischen und baulichen Zustands der Gebäude einen Neubau für das Schauspielhaus und eine Sanierung der Oper. Ein Architekturwettbewerb dafür fand 2008 statt. Im Neubau sollten ursprünglich auch die bisher ausgelagerten Probebühnen und Werkstätten sowie eine Studiobühne und eine Kinderoper unterkommen. Während der Entwurfsplanung zeigte sich, dass die Kosten über dem von der Stadtregierung beschlossenen Budget liegen würden. Daraufhin wurde das Raumprogramm reduziert. Zeitgleich entwickelte sich ein schließlich erfolgreiches Bürgerbegehren zum Erhalt beider Gebäude. 2010 wurde dann ein VOF-Verfahren für die Sanierung der Bestandsgebäude – sowohl des Schauspiels, des ehemaligen Cafés und des Opernhauses – ausgelobt. Die Planungsgemeinschaft des Kölner Büros von HPP Architekten und theapro aus München erhielt den Zuschlag für die architektonische Planung.

Die Arbeiten begannen 2012, im November 2015 sollte die Eröffnung sein. Die Ausführung beim Hochbau und der Bühnentechnik erfolgten entsprechend. Die Planung und Ausführung der erforderlichen Haustechnik innerhalb des Bestands erwies sich als hochkomplex; Schwierigkeiten bei den Fachplanern und der Umsetzung führten dazu, dass der Eröffnungstermin nicht gehalten werden konnte. Eine umfassende Neuaufstellung des Sanierungsprojekts mit den Bühnen als Bauherr und Projektleiter und einem neuen Planungsteam folgte. Die Planung der Haustechnik für 2.280 Räume, rund 720 km Leitungen und Kabel und 58 Lüftungsanlagen wurde neu ausgeschrieben, die neuen Fachplaner mussten sich einarbeiten und der Bestand an bereits eingebrachter Technik erfasst und überprüft werden. Seit Mai 2019 liegt eine geheilte Entwurfsplanung der haustechnischen Gewerke vor, projektiert ist die Schlüsselübergabe zu dem Gebäudeensemble nun für das zweite Quartal 2023.

Das Budget für die Sanierung von Opernhaus und Schauspiel sowie dem Neubau von Kinderoper und Kleinem Haus (Studiobühne) war 2011 auf 253 Millionen Euro veranschlagt worden. Nach der gescheiterten Eröffnung und der mühsamen Wiederaufnahme des Planungsprozesses geht die Kostenprognose vom Juni 2019 nun von einem Betrag von 554 bis 571 Millionen Euro (inklusive Baunebenkosten) aus. Nicht darin enthalten sind die Kosten für die Interimsspielstätten.

Die gewachsene Bühne

Ein signifikantes Beispiel für den enormen Zuwachs der Bühnentechnik ist die 1743 fertiggestellte Staatsoper Unter den Linden in Berlin. Der ursprüngliche Bau von Knobelsdorff war ein längsrechteckiger Baukörper mit einem repräsentativen Portikus als Hauptzugang und zwei Treppenportalen als Nebenzugänge an den Längsseiten. Seither hat das Haus viele Umbauten im Zuschauersaal erlebt, noch deutlicher verändert hat sich indessen der Bühnenbereich. 1910 wurde der mächtige Bühnenturm aufgesetzt, 1928 die Hauptbühne um Seitenbühnen ergänzt. Die für moderne Anlagen charakteristische Kreuzform mit einer entwickelten Hinterbühne ist bei der 2017 abgeschlossenen Sanierung (hg merz architekten) entstanden. Zudem ist der Technikbereich unter die Erde gewachsen. Neben der Lindenoper gibt es nun ein unterirdisches Bauwerk zur Lagerung und Montage der Kulissen, das zudem die Verbindung zum benachbarten Probenzentrum und der Intendanz herstellt.

Geändert haben sich auch die Erwartungen an die Akustik der Säle. Gerade die Lindenoper litt in der Fassung des Auditoriums nach dem Wiederaufbau unter einer zu trockenen Akustik mit zu kurzer Nachhallzeit. Es bedurfte eines erheblichen Aufwands, um diese auf einen für Opernhäuser guten Wert von 1,6 Sekunden zu verbessern: Die Saaldecke wurde ausgebaut und über dem dritten Rang eine Nachhallgalerie eingefügt. Darüber ist ein konstruktiv völlig neuer Dachstuhl entstanden, damit trotz des höheren Saals die Außenkubatur des denkmalgeschützten Gebäudes unverändert bleibt.

Bild
Prachtvoller Zuschauerraum eines Theaters
Neue Nachhallgalerie der Staatsoper Unter den Linden  
Foto:  Marcus Ebener  /  Staatsoper Unter den Linden

Hinter der neopalladianischen Portikusfassade aus dem 18. Jahrhundert  – die entsprechend der Baubefunde wieder in friderizianischem Rosa erstrahlt – blieben im Inneren bewusst die aus den 1950er Jahren stammende Raumfolge und das Auditorium erhalten. Richard Paulick gestaltete seinerzeit mit Adaptionen von Stilelementen und Repräsentationsformeln des höfischen Absolutismus den Wiederaufbau des Hauses als »Deutsche Staatsoper« für die Hauptstadt der DDR.  Wiederauf- oder Umbauten sind auch immer ein Balanceakt zwischen Bewahren einerseits und dem ästhetischen, architektonischen, sozialen und auch politischen Ausdruck ihrer Zeit andererseits.

„Bühnenbauten – ob für Theater, Oper oder als Konzerthaus – sind keine neutralen Bauwerke, sondern Ausdruck des kulturellen Selbstverständnisses."
Autor
Yorck Förster

Zwischen Kunst und profanem Alltag: Das Foyer

Die Opéra de Lyon (1831, Architekten Antoine-Marie Chenavard und Jean-Marie Pollet) wurde in den 1980er Jahren neu konzipiert: von einer reinen Gastspielstätte zum Haus mit eigenen Produktionen von Oper, Ballett und Konzert. Dieser Schritt erforderte zusätzliche Funktionen, sodass der Raumbedarf insgesamt auf das Dreifache der bisherigen Spielstätte stieg. Zudem sollte ein breiteres Publikum erreicht werden. Die von nun an ebenfalls nötigen Werkstätten wurden in einen Vorort Lyons angesiedelt.

Den Wettbewerb (1986) für den Umbau gewann Jean Nouvel mit dem Konzept, das Gebäude vollständig zu entkernen, es hinter der ursprünglichen Fassade neu zu füllen und es zudem jeweils circa 20 Meter in die Tiefe und die Höhe zu erweitern. Bei der Opéra de Lyon handelt es sich faktisch um einen Neubau hinter historischen Fassaden. Trotz des beachtlichen Flächenzuwachses ließ sich durch das denkmalgeschützte Korsett der Fassade an der beengten Situation der Hauptbühne ohne Neben- und Hinterbühne nichts ändern, die Opéra de Lyon blieb damit ein Haus für den Stagione-Betrieb.

Statuen auf einer Fassade
Foto:  Bertrand Stofleth
Fassade eines Opernhauses mit historischem Unterbau und modernem halbrunden Dach
Die Opéra de Lyon  
Foto:  Bertrand Stofleth
Blick vom Parkett auf die seitlichen Balkone in einem Zuschauerraum
Foto:  Bertrand Stofleth
Großer rechteckig geschnittener Zuschauerraum mit Parkett und Rängen
Foto:  Bertrand Stofleth
Menschengruppen an Restauranttischen auf einer Dachterrasse
Foto:  Blandine Soulage
Luftaufnahme des Opernhauses in Lyon in der Dämmerung
Foto:  Bertrand Stofleth

Indessen nimmt die Szenografie der Gebäudeerschließung radikal Elemente der Alltagskultur auf. Eine technoide Ästhetik von Rolltreppen und schwarzen Rängen im Auditorium sind Kennzeichen des Hauses. Die lange gepflegte Trennung zwischen der ernsten Hochkultur und der populären Alltagskultur ist einer architektonischen Gleichzeitigkeit gewichen; der Typus des traditionellen Opernauditoriums mit Rängen (ohne Logen) wird von Rolltreppen wie ein Kaufhaus oder eine U-Bahn-Station erschlossen.

Vom Foyer als Bühne zum offenen Haus für die Stadt

Eine im Vergleich zu Jean Nouvels Entwurf deutlich weniger avancierte Formensprache findet sich bei der zwölf Jahre vorher (1981) als Konzerthaus wieder aufgebauten (Alten) Oper in Frankfurt am Main. Über drei Jahrzehnte war die ausgebrannte Hülle des nach einem Entwurf von Richard Lucae 1880 fertiggestellten ersten Frankfurter Opernhauses die markanteste Kriegsruine der Stadt. Als 1976 die Entscheidung zu einem Wiederaufbau fiel, hatte das Opernensemble längst seine Spielstätte in der neuen Doppelanlage der Städtischen Bühnen gefunden. Der Wiederaufbau (Braun und Schlockermann) erfolgte daher als Konzerthaus und Kongresszentrum. Hinter der historischen Fassade entstand wie in Lyon ein fast vollständiger Neubau, im Inneren wurde lediglich im Obergeschoss das Foyer an der Loggia in der historischen Fassung von 1880 wiederhergestellt (in Lyon wurde die Galerie erhalten). Das neue Raumgefüge des Frankfurter Hauses ist bestimmt durch eine – wenn auch aus heutiger Sicht etwas schwerfällige – distinguierte bürgerliche Noblesse mit glänzend poliertem Messing. Die sich manchmal aus unglücklichen Raumproportionen ergebende drückende Innenraumatmosphäre ist das Ergebnis eines veranstaltungs- und konzerttechnischen Funktionalismus. Höchst effizient sind in der historischen Hülle außer dem Großen Saal und dem kleineren Mozart Saal noch vier Salons und fünf Foyers untergebracht.

Das historische Operngebäude von Richard Lucae dagegen bot nur einen Saal, der ein Drittel des Raums belegte, ein weiteres Drittel entfiel auf die Bühne. Die verbleibende Fläche aber war den Foyers und vor allem der mehrläufigen zentralen Haupttreppe vorbehalten. Hier hatte das Frankfurter Bürgertum seine große Bühne. Eine vergleichbare Drittelung der Flächenanteile von Bühne, Auditorium und raumgreifenden (Treppen-) Foyers findet sich zu dieser Zeit auch in der Wiener Staatsoper (1869, August Sicard von Sicardsburg und Eduard van der Nüll) und der Opéra National de Paris (1875, Charles Garnier) in Paris. Das Foyer wurde seinerzeit zur großdimensionierten perfekten Bühne für das gesteigerte Selbstbewusstsein des aufsteigenden (Groß)bürgertums entwickelt.

Rund 20 Jahre nach der Lucae-Oper entstand 1902 in Frankfurt ein neues Schauspielhaus. Das von dem Berliner Architekten Heinrich Seeling entworfene, stilistisch zwischen Neorenaissance und Jugendstil changierende Gebäude, entsprach – wenn auch in deutlich bescheideneren Ausmaßen als das Opernhaus – dem Repräsentationsbedürfnis der bürgerlichen Stadtgesellschaft. Nach den Kriegszerstörungen wurde das Schauspielhaus Anfang der 1950er Jahre mit einem neuen Bühnenhaus (und einer Drehbühne mit 38 Meter Durchmesser!) wiederhergestellt und fortan als Spielstätte für die Oper genutzt. In einer zweiten Bauphase ist nach einem Entwurf von Otto Apel und seine Büropartnerschaft ABB Architekten daneben ein neues Gebäude für das Schauspiel entstanden. An der 1963 eröffneten Doppelanlage der Bühnen in Frankfurt lässt sich geradezu idealtypisch der fundamentale Wandel des Selbstverständnisses der städtischen Gesellschaft ablesen. An die Stelle der Treppenanlage und umschlossenen Pausenfoyers hinter der Portalfront im alten Gebäude von 1902 trat eine gläserne, 120 Meter lange und 9 Meter hohe Foyerhalle. Der gesellschaftliche Aufbruch Anfang der 1960er Jahre hat damit eine architektonische Fassung mit einer für die Zeit noch ungewohnten, fast schon verstörenden Offenheit erhalten: Die frühen Fotografien zeigen das Foyer im unteren Bereich noch mit Vorhängen. Bald schon wurden die Vorhänge abgenommen, seither schauen die Besucher des Hauses auf ihre Stadt und die Stadt in das Foyer. Ein durchaus passendes Bild – das Pausenfoyer als offener Ort, in dem sich die Stadtgesellschaft selber begegnet, und eine durchlässige Membrane zwischen Stadt und dem Geschehen auf den Bühnen.

Ein erweitertes Wohnzimmer

Die Entwürfe von Musiktheatern der letzten Jahre zeigen, dass diese Öffnung zum städtischen Leben längst nicht mehr nur eine symbolische, sondern ein ganz direktes Element der architektonischen Konzepte geworden ist.

So wurde das neue Musiktheater in Linz bewusst in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs im Süden der Innenstadt platziert, während sich das Landestheater Linz und weitere Kultureinrichtungen im Norden der Stadt nächst der Donau befinden. Bei dem zweistufigen Wettbewerb für den Neubau des Musiktheaters 2006 konnten Terry Pawson Architects die Jury auch dadurch überzeugen, dass sie die Umgebung in die Planung einbezogen (Realisierung: ArchitekturConsult ZT zusammen mit archinauten I dworschak + mühlbachler architekten).

Bild
Außenansicht des Landestheater Linz
Landestheater Linz  
Foto:  Peter Philipp

Das Wettbewerbsgelände war eigentlich nur der ehemalige Standort des Unfallkrankenhauses am Verkehrsknotenpunkt Blumauerplatz. Die als Kreisverkehr organisierte Wegeführung entlang des Platzes hätte das Musiktheater jedoch von der Stadt abgeschnitten. Die Architekten schlugen deshalb eine Reorganisation der Verkehrsführung und Verlegung des Straßenverlaufs nach Süden vor. Die Baumasse des Musiktheaters konnte dadurch die vormalige Verkehrsfläche einnehmen und direkt an den Linzer Volksgarten, dem innerstädtischen Park der Stadt, andocken. Dazu wurde auch die Trasse einer Straßenbahnlinie abgesenkt. Das Gebäude des Musiktheaters ist zusammen mit dem Park als ein »erweitertes Wohnzimmer« für die Bevölkerung konzipiert. Vom Vorplatz – darunter befindet sich die Straßenbahn – an der breiten Eingangsfront des Theaters führt eine Freitreppe direkt in den Volksgarten. Das hier platzierte Theatercafé öffnet schon früh am Vormittag für Gäste, auch das Restaurant mit Dachterrasse hat lange vor den Abendveranstaltungen im Musiktheater geöffnet.

Eben diese Qualität als Wohnzimmer und neue Mitte der Stadt zu entwickeln ist auch das Ziel der von Delugan Meissl Associated Architects mit Wenzel+Wenzel ausgearbeiteten Planungen für die Sanierung und Erweiterung des Badischen Staatstheaters in Karlsruhe. Mit einer großen Freitreppe soll sich das Haus am Ettlinger Tor künftig zum Vorplatz öffnen und den ganzen Tag ein neues Zentrum in der Stadt für die Stadt werden. Die umfangreichen Arbeiten an dem Haus sollen 2020 beginnen und zehn Jahre später abgeschlossen sein.

Der Opernplatz am Hafen

Seit April 2008 haben die Norwegische Oper und das Ballett ihre Heimat im Oslo Opera House. Der Standort befindet sich in einem ehemaligen Hafenbereich südöstlich des Hauptbahnhofs. Heute bildet das Opernhaus den Mittelpunkt des neuen Stadtteils Bjørvika und ist das Wahrzeichen der Stadt.

Das norwegische Architekturbüro Snøhetta hat den Internationalen Wettbewerb für das Gebäude im Jahr 2000 gewonnen. Für das komplexe Bauprogramm haben die Architekten ein einprägsames Bild gefunden: Aufeinander geschobenen Eisschollen gleich liegt der Baukörper im Hafen des Fjords. Die skulpturale Landschaftsformation wird aus den spiegelnden Glasflächen des Foyers und der Außenhülle aus weißem Carrara-Marmor entwickelt. Die gesamte Dachfläche des Gebäudes bildet sommers wie winters eine begehbare Landschaft; das Operngebäude ist gleichzeitig ein belebter Stadtplatz, eine Bühne der Öffentlichkeit und Logenplatz für den Blick auf die Seeseite Oslos. Auch die 15 Meter hohe Glaswand des Foyers mit schrägen Stützen, welche die Dachkonstruktion tragen, erlaubt nach Westen den Blick auf die Stadt und nach Süden auf den Fjord der Bjørvika-Bucht. Die Foyerzone, in der sich auch die mit einer Lichtinstallation des Künstlers Olafur Eliasson umhüllten Sanitärboxen befinden, ist rund um die Uhr zugänglich.

Die Galerie im Foyer der Oper in Oslo
Foto:  Erik Berg
Außenansicht des Opernhauses in Oslo
Das Opernhaus in Oslo im Stadtteil Bjørvika  
Foto:  Erik Berg
Blick vom Zuschauerraum auf die Bühne in einem runden Theaterraum
Foto:  Erik Berg
Zuschauerraum mit Parkett und Rängen
Foto:  Erik Berg
Blick auf das Dach des Opernhauses in der Abenddämmerung
Foto:  Erik Berg

Kultur für alle

Neben ihrer künstlerischen Bedeutung bilden die genannten Beispiele allesamt wesentliche Elemente der Stadtentwicklung, ein Aspekt, der nicht übersehen werden sollte. Das Haus in Oslo ist ein Schlüsselprojekt, um ein ehemaliges Hafenareal als neues, lebendiges Stadtquartier zu erschließen, das Haus in Linz gibt der Innenentwicklung der Stadt einen wichtigen Impuls. Das ist auch möglich, weil diese Häuser nicht nur tagsüber lediglich intern im Betrieb sind und erst abends in ihre Rolle als Ort der öffentlichen Begegnung und des intellektuellen Austauschs finden. Vielmehr ist das hybride Angebot, dass die Gebäude von vornherein ein attraktiver öffentlicher Platz, Belvedere, ein Bildungsangebot und ein Gastronomiestandort (und nicht zuletzt alles andere als eine alltägliche Architektur) sind, wichtig, um sie auch tagsüber im Leben der Stadt zu verankern.

So gesehen wiederholt sich in dieser Baugattung, was sich im Museumsbau seit den 1980er Jahren vollzog. Inspirierende architektonische Entwürfe für Neubauten, eine wiederentdeckte Lust an der Inszenierung von Ausstellungen, pädagogische Angebote, Cafés und Museumsshops verliehen den Museen eine breite, neue Attraktivität. Mit dem Leitsatz der »Kultur für alle« prägte der 2018 verstorbene langjährige Frankfurter Kulturdezernent und Mitinitiator des Museumsufers Hilmar Hoffmann diesen Aufbruch. Die Transformation in der Typologie der Bühnenbauten ist eine Fortschreibung dieses Aufbruchs.

Über den Autor

Yorck Förster ist Publizist und freier Kurator am Deutschen Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt am Main und Partner der Kuratorenwerkstatt Förster Gräwe Winkelmann. Er ist u. a. Co-Kurator der Wanderausstellung „Große Oper – viel Theater“, die seit März 2018 mit einem umfangreichen Begleitprogramm an acht Museen und Musiktheatern in Deutschland gezeigt wurde.