Am 20. September präsentierte das Reeperbahn Festival im Rahmen einer Pressekonferenz im east Hotel die Ergebnisse der dritten Keychange-Marktforschungsstudie zur Geschlechtervielfalt im deutschen Musikmarkt.
Auf der von ShaNon Bobinger moderierten Veranstaltung sprachen am Freitagmorgen Lea Karwoth (Senior Projektmanagerin, Keychange), Anna Oberle (Senior Eventmanagerin, GEMA), Alexander Schulz (CEO, RBX GmbH) und Rolf Kullen (Senior Director, Marktforschungsinstitut KANTAR) über die Ergebnisse der aktuellen Studie, die von der GEMA unterstützt wurde.
Die Situation weiblicher Führungs- und Nachwuchskräfte sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf standen bei der von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) geförderten Studie besonders im Fokus.
Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass insbesondere FLINTA* (Frauen, Lesben, Inter-, Trans- & Agender) noch nicht an eine Chancengleichheit der Geschlechter in der Musikindustrie glauben. Die befragten Akteur*innen bewerten die Situation weiterhin überwiegend kritisch, zum Teil sogar kritischer als bei der Keychange-Studie vor drei Jahren. Ein möglicher Treiber könnten öffentlichkeitswirksame Skandale sein. Diese tragen zwar zu mehr Diskurs bei, verstärken jedoch auch das Bewusstsein für weitere Handlungsbedarfe, so heißt es im Fazit der Studie.
Fast alle befragten FLINTA* und drei Viertel der Männer gaben an, schon einmal im beruflichen Kontext diskriminierende Erfahrungen gemacht zu haben. Bei den männlichen Befragten ist der Anteil im Vergleich zu 2021 sogar angestiegen. Zudem stellte die Studie heraus, dass intersektionale Diskriminierung, insbesondere bei FLINTA*, ein ernstzunehmendes Thema darstellt. Etwa die Hälfte der Befragten berichtete von Benachteiligungen aufgrund von zwei oder mehr Merkmalen wie z. B. Geschlecht und Alter.
In Bezug auf gesundheitliche Themen wie Menstruation und Menopause ergab die Studie, dass knapp vier von zehn der Befragten Einschränkungen in ihrem Berufsleben wahrnehmen, in den meisten Unternehmen aber nicht offen darüber gesprochen wird.
Die Studienergebnisse zeigen aber auch erste Verbesserungen auf: Der Anteil überwiegend weiblich gelesener Führungskräfte, der sich auch in der Geschäftsführung der Unternehmen widerspiegelt, steigt laut der Befragung gefühlt sichtbar an. Im Vergleich zur Studie von 2021 wurde zudem häufiger wahrgenommen, dass sich der Anteil von FLINTA* auf Konzert- und Festivalbühnen erhöht hat. Insbesondere bei Newcomer*innen sagte die Hälfte der Befragten, dass diese eine größere Geschlechtervielfalt repräsentieren als dies bei etablierteren Künstler*innen der Fall ist.
Qualifizierte Maßnahmen zur Förderung von Geschlechterdiversität waren ebenfalls Gegenstand der Befragung und wurden als äußerst notwendig erachtet. Demnach werden Kinderbetreuungsmöglichkeiten geschlechterunabhängig als hilfreichste Fördermaßnahme bewertet. Für FLINTA* spielen zudem strukturelle Gegebenheiten seitens des*der Arbeitgebenden eine große Rolle, z.B. die Ermöglichung flexibler Arbeitszeiten und Führungspositionen in Teilzeit. Während für FLINTA* strukturelle Gegebenheiten seitens der Arbeitsgebenden eine große Rolle spielt, setzen Männer stärker auf eine rücksichtsvolle Unternehmenskultur. Mentoringprogramme, transparente Einstellungs- und Beförderungskriterien wurden ebenfalls als wichtige Maßnahme identifiziert.
Junge Talente könnten laut der Befragten am meisten durch transparente Einstellungs- und Beförderungskriterien, Diversität in Jobgesprächen oder auch neutrale Anlaufstellen für sexuelle Belästigung und Machtmissbrauch in der Ausbildung unterstützt werden.
Lea Karwoth, Senior Project Manager für Keychange, RBX GmbH: „Wir stehen an einem entscheidenden Punkt: Der gesellschaftliche Diskurs entwickelt sich, doch die notwendigen Veränderungen in der Branche kommen nur langsam voran. Die Umfrageergebnisse verdeutlichen, dass der Weg hin zu einer geschlechtergerechten Musikwirtschaft komplex und herausfordernd ist. Es herrscht Einigkeit darüber, dass gezielte Fördermaßnahmen entscheidend sind, um echte Chancengleichheit zu schaffen und zu verhindern, dass wir weiterhin wertvolle Talente verlieren, die die Musikbranche aufgrund zahlreicher Barrieren verlassen. Gemeinsam stehen alle Akteur*innen vor der Aufgabe, ein nachhaltiges und gerechteres Umfeld der Musikwirtschaft zu gestalten.“
Anna Oberle, Senior Eventmanagerin, GEMA: „Keychange legt den Finger erneut in die Wunde. Die Studie zeigt, die Zahlen sind noch immer alarmierend und bisherige Maßnahmen haben zu keinen zufriedenstellenden Ergebnissen geführt, im Gegenteil. Aber, wir haben einiges erreicht, wir sind auf dem richtigen Weg und es braucht Zeit. Mit der Studie leistet Keychange seit Bestehen der Initiative einen substanziellen Beitrag zur Debatte. Die GEMA ist seit Beginn an engagierte Partnerin der Initiative und hat erneut an dieser Studie mitgewirkt. Für uns gilt: Musik ist bunt, Musik ist vielfältig. Als GEMA vertreten wir diese Vielfalt und engagieren uns für mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Musikbranche. In der GEMA haben sich derzeit mehr als 95.000 Musikschaffende organisiert. Gemeinsam und im Verbund mit Partnern wie Keychange können wir die Zukunft gestalten und Strukturen schaffen, in denen alle gleichermaßen fair behandelt werden.“