In Deutschland existieren über 150 Musikmuseen, die sich mit Musikerpersönlichkeiten, mit Musikinstrumenten oder mit regionaler Musikgeschichte befassen. Zu ihren Zielen gehören die Sammlung, Bewahrung und Vermittlung von Nachlässen berühmter Komponisten oder Interpreten, die Präsentation, Dokumentation, Kontextualisierung und Erforschung von Zeugnissen des Musikinstrumentenbaus sowie die Beleuchtung regionaler Aspekte des Musiklebens. Sie können Orte musikalischer und kulturhistorischer Bildung und darüber hinaus der Besinnung, Erinnerung oder spielerischen Unterhaltung sein. Die Bedeutung der Musikmuseen ergibt sich aus der reichen Musikgeschichte Deutschlands, die sich vom gregorianischen Choral und dem Minnegesang des Mittelalters über die barocken Konzert- und Opernformen, die Symphonie der Klassik und Romantik bis hin zur Neuen Musik und zur Popularmusik des 21. Jahrhunderts erstreckt. Die Wahrung, Erschließung und Vermittlung von Nachlässen maßgeblicher Komponisten wie Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach, Ludwig van Beethoven oder Johannes Brahms resultiert aus ihrer musikhistorischen Bedeutung nicht nur für Deutschland, sondern auch aus dem Stellenwert, den ihre Werke im Kanon des internationalen Konzertlebens heute einnehmen. So gehört es zu den Aufgaben der Museen, das Andenken an herausragende Persönlichkeiten zu pflegen und Einblicke in ihre Arbeits- und Lebenswelt zu geben. Denn zum einen kann erst eine Heranführung an deren Werk durch pädagogische Angebote, Sonderausstellungen und Veranstaltungen Verständnis und Wertschätzung des eigenen Kulturerbes und damit ein Interesse an der beständigen Pflege, Bewahrung und Neuinterpretation von Zeugnissen musikalischer Kultur bewirken. Zum anderen sind viele der Komponistenhäuser auch forschend aktiv und stellen durch die Erschließung der ihnen anvertrauten Quellen der Wissenschaft eine Basis für die Forschung zu Leben und Wirken der betreffenden historischen Persönlichkeiten zur Verfügung.
Geprägt und auf besondere Weise inspiriert wurde das Schaffen großer Musiker und Musikerinnen durch den Musikinstrumentenbau, der mit seinen Entwicklungen historische Maßstäbe gesetzt hat, sei es durch die Produktion herausragender Blechblasinstrumente in Nürnberg, die Entfaltung des deutschen Klavierbaus ausgehend von Gottfried Silbermann, den Lauten- und Geigenbau in Füssen und Mittenwald oder die Erfindung der Klarinette durch Jacob Denner. Den Museen fällt neben der Dokumentation von Leben und Werk wichtiger Musikerpersönlichkeiten ebenfalls die Aufgabe zu, traditionsreiche und wertvolle Musikinstrumentensammlungen, die oft bereits im 19. Jahrhundert oder früher begründet wurden, zu bewahren und zu beleben. Darüber hinaus stellt sich ihnen die Aufgabe, die Tradition von Wunderkammer und Raritäten- oder Kuriositätenkabinett, die eigene Geschichte und die Rolle der Museen im Kolonialismus kritisch aufzuarbeiten. So stellen Musikermuseen und Musikinstrumentensammlungen gleichermaßen Objekte, Quellen und Erkenntnisse zur Verfügung, die für die Wissenschaft unentbehrlich sind. Gelegentlich betreiben Museen heute neben der Objektbetreuung und -dokumentation auch intensive Forschungen, die so vielfältig sind wie die vorhandenen Quellen und Objekte selbst, sich also von der Materialerforschung bis hin zur Provenienzforschung erstrecken.
Da sowohl Bund, Länder, Städte und Gemeinden als auch Stiftungen, Vereine und Privatpersonen als Träger dieser Institutionen fungieren können, ist ihre Finanzierung äußerst heterogen gestaltet. Dadurch ergibt sich für einige Häuser eine ungesicherte finanzielle Situation, die sich nicht nur in mangelnder personeller Ausstattung und wenig flexiblen Öffnungszeiten niederschlägt, sondern auch Museumspädagogik, eine konsistente Vermittlungsarbeit, eine angemessene Konservierung, sinnvolle Schritte der Digitalisierung oder nachhaltige Forschung zu den Museumsobjekten erschwert. Der internationale Museumsverband ICOM ergänzt aus diesem Grund die Kernaufgaben der Museen um die Forderung nach dauerhafter institutioneller und finanzieller Basis, nach Leitbild und Museumskonzept, nach Museumsmanagement sowie nach qualifiziertem Personal.
„Museen verstehen sich heute auch als zentraler Ort von Debatten, von Konflikten und Wertediskussionen. Zugleich möchten sie sinnliche, ästhetische und intellektuelle Erkenntnis durch Abenteuer, Spiel und Emotion vermitteln.“
Nicht zuletzt durch die pandemiebedingten Einbrüche der Besuchszahlen sind Museen zu einem strategischen Wandel angehalten, der nicht nur Wissenstransfer, Wirksamkeit und Wohlfühlen im Museum betrifft, sondern auch Aspekte wie Inklusion, Diversität, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, demokratische Bildung, koloniale Unrechtskontexte, Provenienzforschung, Restitution, transkulturelle Museumsarbeit, soziale Teilhabe, Sammlungskonzepte, Neukonzeption von Dauerausstellungen, Barrierefreiheit und Partizipation. So verstehen sich Museen heute auch als zentraler Ort von Debatten, von Konflikten und Wertediskussionen. Zugleich möchten sie sinnliche, ästhetische und intellektuelle Erkenntnis durch Abenteuer, Spiel und Emotion vermitteln.
Musikermuseen
Die etwa 54 Musikermuseen in Deutschland zeigen Objekte, die Leben und Schaffen meist von Komponisten dokumentieren. Museen, die sich Musikerinnen oder Komponistinnen widmen, gibt es – mit Ausnahme der im Zusammenhang mit ihren männlichen Angehörigen bedachten Künstlerinnen wie Fanny Mendelssohn oder Clara Schumann – (noch) nicht. Die Musikermuseen befinden sich oft am Wirkungsort oder im Geburtshaus eines Künstlers und folgen in ihrer Konzeption dem Gedanken, die ursprüngliche Wohnatmosphäre des Hauses wiederzugeben. Mitunter präsentieren sie Musikinstrumente, die aus dem Besitz des bedachten Musikers stammen oder mit ihm in anderer Form in Verbindung stehen. In besonderer Weise beleuchten sie das soziale wie kulturelle Lebensumfeld der betreffenden Persönlichkeiten, indem sie deren persönliches Mobiliar oder Möbel der Zeit sowie Gemälde, Büsten, Erinnerungsstücke, Autografe, Briefe und andere Originaldokumente präsentieren. Auch Memorabilien, wie Lebend- und Totenmasken, gehören oftmals zum Inventar. Hinter den Aktivitäten der Musikermuseen stehen häufig Gesellschaften, wie die Brahmsgesellschaft Baden-Baden, die Georg-Friedrich-Händel-Gesellschaft im Händel-Haus in Halle, die Internationale Carl-Löwe-Gesellschaft in Wettin-Löbejün oder die Hamburger Telemann-Gesellschaft, welche gelegentlich außerdem als Träger der Einrichtungen fungieren.
In den letzten Jahren sind durchaus neue Dauerausstellungen und Musiker-Gedenkstätten entstanden, so bspw. im Schumannhaus Leipzig „Experiment einer Künstlerehe – Die Leipziger Zeit der Schumanns“, welche unter anderem der Frage nachgeht, ob es Gleichberechtigung in der Kunst gab und gibt. Nach vierjähriger denkmalgerechter Sanierung und Gebäudeerweiterung wurde ferner im Dezember 2023 das Schumann-Haus in Düsseldorf eröffnet. Die neue Dauerausstellung kombiniert wertvolle Originale, welche die bürgerliche Kultur des 19. Jahrhunderts atmosphärisch vermitteln, mit Medienstationen und Installationen. Weitere Neugründungen der letzten Jahre sind das internationale Kurt-Masur-Institut im Mendelssohn-Haus Leipzig und das COMU Carl-Orff-Museum in Dießen am Ammersee, welches ab 2025 einen inklusiven und spielerischen Zugang zu Carl Orffs künstlerischem und pädagogischen Werk anbieten möchte; Leitbild, Konzepte, Ziele und Angebote sind bereits im Vorfeld über das Internet zu erkunden. Derzeit wird auch das E.T.A. Hoffman-Haus in Bamberg saniert, dessen Wiedereröffnung für 2026 vorgesehen ist.
In einigen Fällen sind den Musikermuseen spezialisierte Archive und Forschungsinstitute angegliedert, die das musikalische Erbe des Künstlers dokumentieren, pflegen und verbreiten, Handschriften und andere Quellen sammeln und wissenschaftlich erschließen, kritische Gesamtausgaben und Editionen herausgeben, Schriftenreihen veröffentlichen, Publikationen anregen oder Digitalisierungsprojekte durchführen. In Dauer- oder Sonderausstellungen werden hier die Ergebnisse neuer Forschungen präsentiert. Zu diesem Typus gehören Häuser mit internationaler Ausstrahlung wie das Beethoven-Haus in Bonn, das Bach-Archiv Leipzig, das Händel-Haus Halle, das Richard-Strauss-Institut in Garmisch-Partenkirchen oder das Richard-Wagner-Museum mit Nationalarchiv und Forschungsstätte in Bayreuth. Daneben existieren weitere, z. T. kleinere Häuser, die jedoch über nicht minderbedeutende Archive verfügen.
Die Bewahrung und den Wiederaufbau historischer Wirkungsorte bedeutender Musiker haben sich zahlreiche Privatpersonen, Gesellschaften, Stiftungen und Bürgerinitiativen auf die Fahnen geschrieben, die mit ihren Anliegen Unterstützung in der Kulturpolitik ihrer Kommune, ihres Landes oder beim Bund suchen. Deshalb haben Komponistenhäuser und Musikermuseen im Zuge ihrer Bemühungen um größere öffentliche Wahrnehmung ihre Ausstellungskonzepte überarbeitet und ihre Gebäude modernisiert bzw. erweitert. Die in neuerer Zeit erfolgten An- und Neubauten spiegeln sowohl einen Wandel in der Museumspädagogik als auch den Stellenwert, der diesen Häusern heute beigemessen wird. So sanierte das Wagner-Museum in Bayreuth die Villa Wahnfried und schuf in unmittelbarer Nähe der Wohnstätte Wagners ein transparentes Museumsgebäude aus Glas und Stahl, das architektonisch einen deutlichen Kontrapunkt zur benachbarten Villa darstellt. Anliegen des Museums ist es, die Aura des authentischen Lebens- und Schaffensortes des Komponisten erlebbar zu machen und dabei an die ambivalente und prekäre Wirkungsgeschichte des Ortes zu erinnern. So werden die Ideologiegeschichte Wagners und des so genannten Bayreuther Kreises, die enge Verbindung zwischen Bayreuth und der NS-Diktatur und die persönlichen Beziehungen der Familie Wagner insbesondere zu Adolf Hitler dokumentiert.
Insbesondere im Hinblick auf den 250. Geburtstag Beethovens im Jahr 2020 wurde das Beethoven-Haus in Bonn inhaltlich neu konzipiert, saniert und um ein „digitales Beethoven-Haus“ erweitert. Neben einer Auswahl von 150 Originaldokumenten aus Beethovens Bonner und Wiener Zeit, die in Beethovens Geburtshaus präsentiert werden, führen moderne Präsentationsformen auf multimediale Entdeckungsreisen im neuen digitalen Beethoven-Haus durch Beethovens Leben und Werk: Als audiovisuelle Erfahrung wird Beethovens Musik neu interpretiert und im virtuellen Raum inszeniert. Die Besucher:innen können am Computer Digitalisate von Handschriften betrachten, klingende Autografe zum Hören und Mitlesen abrufen oder Lesungen aus Beethovens Briefen lauschen. Die Narrative der Dauerausstellung richten sich an den Flaneur, erzählt wird nicht biographisch-chronologisch, sondern fragmentarisch. Die Digitalisierung der Sammlungs- und Bibliotheksbestände des Beethoven-Hauses wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und mit Fördermitteln aus dem Bonn-Berlin-Gesetz gefördert. Eine Kooperation mit dem Rechenzentrum der Universität Bonn gewährleistet eine verlustfreie Langzeitarchivierung der Datenträger. Besonders am Beispiel des Beethoven-Hauses wird deutlich, dass die Digitalisierung im modernen Museum nicht mehr allein die Bedürfnisse des Spezialisten befriedigt, indem Dokumente und Quellen in bestmöglicher Auflösung für die Forschung zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus kann auch der Laie stöbern, nach Zitaten von Beethoven suchen, eine Grußkarte erstellen, seine Lieblingskomposition erleben oder etwas über die Musikinstrumente der Beethoven-Zeit erfahren.
Eine bislang einzigartige Bündelung von Kräften gelang mit dem KomponistenQuartier Hamburg, einem Museumsensemble, welches das Telemann-Museum, das Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Museum, das Johann-Adolf-Hasse-Museum, das Brahms-Museum, das Museum für Fanny und Felix Mendelssohn und das Gustav-Mahler-Museum vereinigt. Der Trägerverein KomponistenQuartier Hamburg e.V. wurde von der Carl-Toepfer-Stiftung, der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, der Hamburger Telemann-Gesellschaft, der Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Gesellschaft zu Hamburg, der Hasse-Gesellschaft Bergedorf, der Fanny-und-Felix-Mendelssohn-Gesellschaft, der Johannes-Brahms-Gesellschaft Hamburg und der Gustav-Mahler-Vereinigung initiiert. Als Schirmherr konnte der Dirigent Kent Nagano gewonnen werden. Von den Betreibern wird das bürgerschaftliche Engagement hervorgehoben, welches das KomponistenQuartier in Hamburg erst ermögliche. Ziel der Initiative ist es, die musikhistorische Bedeutung Hamburgs zu vermitteln und die Ausstrahlung auf das aktuelle Musik- und Kulturleben der Stadt darzustellen, von der Elbphilharmonie bis hin zum Reeperbahnfestival.
Vom Nationalsozialismus vertriebene oder ermordete Künstler und Komponisten werden in Deutschland noch kaum bedacht. Ausnahmen sind die BrüderBuschGedenkstätte in Siegen und das Kurt-Weill-Zentrum in Dessau.
Ein Blick auf die Karte der Musikermuseen und anderen komponistenbezogenen Einrichtungen in Deutschland verdeutlicht die verschiedenen eingangs beschriebenen Ausprägungen der Häuser. So gibt es Museen, die Objekte aufbewahren, erforschen und ausstellen, Gedenkstätten, die eine Dauerausstellung präsentieren, Häuser, die Archive und Nachlässe verwalten, und Institutionen mit angegliederten Forschungsinstituten. Bedeutenden Komponisten wie Bach, Brahms oder Schumann widmen sich gleich mehrere Museen, da diese Musiker an verschieden Orten tätig waren oder ihr Geburtshaus nicht an ihrem Wirkungsort liegt.
Musikinstrumentensammlungen
Während die Musikermuseen in der Regel eigenständig organisiert sind, firmieren die meisten der 75 Musikinstrumentensammlungen in Deutschland als Abteilungen größerer Institutionen, seien dies Landes-, Regional- oder Stadtmuseen, Museen mit einem technischen, kulturhistorischen oder künstlerischen Schwerpunkt, Universitäten oder Forschungsinstitute. Die Musikinstrumentenmuseen lassen sich nach Sammlungsschwerpunkten unterscheiden. So verfolgen einige einen umfassenderen Ansatz und zeigen das breite Spektrum von Musikinstrumenten der europäischen und teilweise auch außereuropäischen Musik. Ihre Aufgabe besteht darin, ihre Sammlungen zu bewahren, zu erschließen und zu erweitern, ihre Bestände in einen musik- und kulturgeschichtlichen Zusammenhang zu stellen sowie Funktion, Gebrauch und Bau der Musikinstrumente zu erforschen und zu vermitteln. Andere Museen befassen sich allein mit bestimmten Musikinstrumenten wie Tasteninstrumente, Orgeln, Blechblasinstrumente oder mechanische Musikinstrumente und betrachten die technische Entwicklung der jeweiligen Instrumentengattung, ihre Fertigung oder Verwendung häufig unter lokalgeschichtlichen Gesichtspunkten. So ist bspw. im Umfeld des historisch gewachsenen Geigenbauzentrums Mittenwald im Jahr 1930 das Geigenbaumuseum Mittenwald gegründet worden, das die dreihundertjährige Tradition des Gewerbes im Zusammenhang mit der Ortsgeschichte darstellt. Das Musikinstrumenten-Museum in Markneukirchen befasst sich heute in ganz ähnlicher Weise mit der Kulturgeschichte des Vogtlands als dem „Musikwinkel“ Deutschlands. Allerdings wurde dieses Museum 1883 vom Gewerbeverein Markneukirchen initiiert und hatte zunächst einen ganz praxisnahen Hintergrund. Es sollte als „Gewerbemuseum“ sowohl den ortsansässigen Musikinstrumentenbauern Muster für die Fertigung ihrer Instrumente bereitstellen als auch Anschauungsmaterial für den Unterricht der Fachschule für Instrumentenbau liefern, damit der Anschluss an internationale Entwicklungen nicht verloren ging.
Die meisten der heute namhaften Sammlungen sind tatsächlich zwar erst im 19. Jahrhundert gegründet worden, die Herkunft der Objekte in Musikinstrumentenmuseen geht allerdings oft auf private Sammlungen oder auf Übernahmen von ehemaligen Höfen und Adelshäusern zurück. So kam bspw. die einzigartige, historisch gewachsene Sammlung von Instrumenten aus dem Besitz einiger Wittelsbacher Kurfürsten des 17. und 18. Jahrhunderts gemeinsam mit Musikinstrumenten aus dem Fundus der ehemaligen Hofmusikintendanz an das Bayerische Nationalmuseum in München.
Andere kleinere Sammlungen wie die Stiftung Historischer Tasteninstrumente der Sammlung Neumeyer-Junghanns-Tracey im Schloss Bad Krozingen haben überregionale Bedeutung wegen der Exklusivität ihrer Objekte. Wie in zahlreichen vergleichbaren Fällen handelt es sich auch hier um von privaten Sammlern zusammengetragene Musikinstrumente.
Das Musikinstrumenten-Museum Berlin und das Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig gehören zu den „Global Playern“ unter den Musikinstrumentenmuseen. Dabei reicht die Geschichte des Berliner Musikinstrumenten-Museums zurück bis in das Jahr 1888, als an der Königlichen akademischen Hochschule für Musik unter der Federführung des bedeutenden Geigers Joseph Joachim und des Musikforschers Philipp Spitta die „Sammlung alter Musikinstrumente“ gegründet wurde. Zu einem Grundstock von 34 Musikinstrumenten aus dem Bestand der preußischen Kunstkammer kamen in den Jahren bis 1902 zwei Sammlungen des Leipziger Verlegers und Musikalienhändlers Paul de Wit und die Privatkollektion des Genter Advokaten César Snoeck. Zurzeit besitzt das Museum rund 3.600 Instrumente der Kunstmusik des 16. bis 20. Jahrhunderts. Das Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig geht ebenfalls auf Sammlungen von Paul de Wit zurück, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts zunächst in Köln im „Musikhistorischen Museum Wilhelm Heyer“ präsentiert und 1926 als Studiensammlung an die Universität Leipzig verkauft wurden. Heute umfasst die Sammlung des Leipziger Museums mehr als 9.000 Objekte zur Entwicklung des europäischen Musikinstrumentariums von der Renaissance bis zur Gegenwart, mechanische Musikinstrumente und historische Toninformationsträger sowie außereuropäische Musikinstrumente und eine ikonographische Sammlung. Sowohl die Berliner als auch die Leipziger Sammlung wurden ursprünglich als Studiensammlung für Hochschule bzw. Universität angelegt und verfolgen bis heute einen forschenden Ansatz.
Forschungsaspekte der Musikinstrumentenmuseen betreffen bspw. die Organologie (Musikinstrumentenkunde), historische Aufführungspraxis und Interpretationsforschung. Neun europäische Museen kooperierten im Digitalisierungsprojekt MIMO (Musical Instrument Museums Online), dessen Ziel es war, sämtliche Instrumente der Sammlungen online zugänglich zu machen. Aus Deutschland beteiligten sich das Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig, das Germanische Nationalmuseum Nürnberg und das Ethnologische Museum Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin. International renommiert ist der musiXplora, die in den letzten Jahren entwickelte virtuelle Forschungsumgebung am Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig. Der Mehrwert dieses virtuellen Nachschlagewerks der Organologie und der Musikwissenschaft liegt in der Erschließung der Objekt- und Forschungsdaten, die weit über die rein digitale Verfügbarmachung hinausgeht. Denn erst die Datenvernetzung, Standardisierung, Nutzung der Gemeinsamen Normdatei und digitaler Bestände ermöglicht den von der Bundesregierung initiierten Aufbau der nationalen Forschungsinfrastruktur für Kultur- und Geisteswissenschaften (NFDI4Culture). Im Rahmen mehrerer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Digitalisierungs- und Forschungsprojekte gründete sich am Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig zuletzt die Forschungsstelle DIGITAL ORGANOLOGY. Sie ermittelt fundierte und kontrollierte Vergleichsdaten, die sammlungsübergreifend auf der ganzen Welt zusammengetragen und standardisiert werden: in einer Prosopographie text-, zahl- und medienbasierter Forschungsdaten. Die Forschungsstelle am Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig kooperiert mit einigen weiteren an deutschen Universitäten und Hochschulen zu Studienzwecken angelegten Musikinstrumentensammlungen. Hier wären bspw. zu nennen die Musikinstrumentensammlung des musikwissenschaftlichen Seminars der Georg-August-Universität in Göttingen (1.700 europäische Instrumente ländlicher Volksmusiktraditionen sowie europäische Kunstmusikinstrumente) und die Instrumentensammlung KLANGKÖRPER (Stiftung Dr. h.c. Karl Ventzke) der Universität Tübingen.
Elektronische, mechanische oder elektromechanische Musikinstrumente vom Synthesizer bis zum Mischpult bewahrt die Technische Geräte- und Instrumentensammlung der Folkwang Universität für Musik, Theater, Tanz, Gestaltung und Wissenschaft in Essen. Dem dort ansässigen Institut für Computermusik und elektronische Medien (icem) ist daran gelegen, Elektronische Musik bspw. der 1950er Jahre klanglich rekonstruieren zu können, wozu die originalen Geräte der Zeit unabdingbar sind. Neuerdings ist auch die Sammlung historischer Tasteninstrumente der Firma Schiedmayer in Wendlingen am Neckar zu besichtigen. Andere Sammlungen, wie die Musikinstrumentensammlung des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg oder die Musikinstrumentensammlung am Institut für Musikforschung der Ludwig-Maximilians-Universität in Würzburg, sind öffentlich nicht zugänglich.
In Deutschland haben sich an verschiedenen Orten Musikinstrumentenbauzentren herausgebildet (s. die oben präsentierte Karte). Die Bedeutung von Mittenwald als Zentrum des deutschen Geigenbaus bspw. geht auf Mathias Kloz (1653-1743) und Andreas Jais (1685-1753) zurück. Nach seiner Ausbildung in Norditalien kehrte Kloz in seine Geburtsstadt zurück, die günstig an einer Handelsstraße und in der Nähe von Wäldern mit Holz von guter Qualität lag, keine Zunftbeschränkungen auferlegte und somit ein geeigneter Ort für die Gründung einer Werkstatt von überregionaler Bedeutung war. Markneukirchen und das Vogtland profitierten von böhmischen „Exulanten“, Religionsflüchtlingen aus Böhmen, die bereits um 1650 nach Sachsen kamen. Unter ihnen waren zwölf Geigenbaumeister, die sich im März 1677 zu einer Geigenmacherinnung zusammenschlossen. Auch hier begünstigten der Holzreichtum der Region und die Existenz alter Handelswege die Blüte des Instrumentenbaus, der sich bald auch auf Holz- und Blechblasinstrumente erstreckte.

Foto: Heike Fricke
Museen mit Schwerpunkt regionale Musikgeschichte
In rund 20 deutschen Regionalmuseen werden – oft auch neben weiteren Sammlungen – Musikinstrumente und Musikalien gezeigt, die sich auf die lokale Musik- oder Kulturgeschichte beziehen. Dabei werden durchaus ganz unterschiedliche Akzente in der Bewertung und Darstellung des Musiklebens einzelner Städte und Regionen gesetzt.
Aufgrund der Gliederung Deutschlands in zahlreiche Fürstentümer in der Zeit des Absolutismus haben sich in einigen Museen Musikinstrumente, Notenhandschriften und weitere historische Quellen musikalischer Zentren jener Zeit erhalten, so in den Thüringer Residenzen Sondershausen und Rudolstadt. Das Museum der Stadt Füssen verfügt über eine Abteilung zum Füssener Lauten- und Geigenbau.
Das seit 2012 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth präsentiert seine Ausstellung zum prunkvollen Barocktheater im Mehr-Sinne-Prinzip. Im Ausstellungsbereich stehen ein taktiles Leitsystem, eine musikalische Station mit Vibropad, Tast-, Geruchs- und Hörstationen zur Verfügung. Die illusionistische Welt des Barocktheaters wird u. a. durch eine maßstabsgetreue, funktionstüchtige Bühnenrekonstruktion vermittelt, die zum Ausprobieren einlädt.
Der Grundstock der Musikinstrumentensammlung am Historischen Museum Frankfurt/Main entstand mit der Übernahme der Instrumente der städtischen Kapellmusik des 16. und 17. Jahrhunderts, den Instrumenten des Pfeifergerichts und denen des Frankfurter Bürgermilitärs aus der Zeit der Freien Stadt (1816–1866) bereits in der Gründungszeit des Historischen Museums und in den 1880er Jahren. Im 19. Jahrhundert schuf ein erstarkendes Bürgertum Musikzentren außerhalb des Höfischen Lebens. Aus diesen kulturgeschichtlichen Zusammenhängen haben sich im Braunschweiger Städtischen Museum Musikinstrumente aus dem Besitz der Braunschweiger Brüderkirche und der Bürgergarde erhalten, da es in der Hauptsache die Bürger der Stadt Braunschweig waren, die dem 1861 gegründeten Museum Instrumente schenkten oder vermachten.
Auf die Bedeutung urbaner Strukturen für die lokale Musikkultur besinnt sich das Märkische Museum Stiftung Stadtmuseum Berlin und präsentiert seine Mechanischen Musikinstrumente als Zeugen des Berliner Musiklebens zwischen Straßenmusik und bürgerlichem Salon. Im Jahr 2025 will der Bubenreuther Museumsverein im entstehenden Bubenreutheum eine neu konzipierte Ausstellung zum Thema „Musik und Intergration“ realisieren und neue Depoträume entwickeln.
In einigen Landesmuseen finden sich neben Musikinstrumentensammlungen auch Dokumente zum Musikleben und -schaffen der Region, darunter Notenbestände, Theaterzettel und Konzertprogramme verschiedener Institutionen.
Sonstige Museen
Eine relativ neue Erscheinung in der deutschen Museumslandschaft sind Museen für Popmusik, darunter als eines der größten das 2004 eröffnete rock’n’popmuseum in Gronau, der Geburtsstadt des Musikers Udo Lindenberg, welches die Geschichte der Popmusik mit Exponaten der Unterhaltungselektronik, der Jugendkultur und Memorabilien veranschaulicht.
Die Museen für Popmusik vereinen den Gedanken des Musikermuseums mit soziokulturellen Aspekten. Außerdem wird hier der Tatsache Rechnung getragen, dass das Instrumentarium der Rock- und Popmusik – von der E-Gitarre über die Hammondorgel bis zum Moog-Synthesizer – untrennbar mit der Entstehung und Entwicklung dieser Musik verbunden ist. Eine besondere Rolle spielt dabei die Entwicklung des Sounds von der Wachswalze bis zur digitalen Klangkunst. Das Phänomen „Beatles“ beleuchten sowohl das Beatles-Museum in Halle/Saale und „Das kleinste Beatles-Museum der Welt“ in Siegen, beide in privater Trägerschaft. Das 2022 in Frankfurt/M. gegründete museum of modern electronic music (MOMEM) widmet sich der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte elektronischer Clubmusik und der wegweisenden und innovativen Wirkung Frankfurter Künstler in den Bereichen Techno und House-Musik.
Ebenfalls aus dem traditionellen Museumskanon heraus heben sich die Museen zur Musikvermittlung, die sich weniger als Institutionen begreifen, die Objekte sammeln, bewahren, dokumentieren oder erforschen, sondern die den Lern- und Experimentieraspekt für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung in den Vordergrund ihrer Arbeit stellen. Im Zuge einer Museumspädagogik, die insbesondere jungen Besucher:innen die musealen Inhalte durch körperlich-sinnliches Erleben und Erfahren vermitteln möchte, sind in Deutschland bislang sechs Musikmuseen entstanden, die das Ausprobieren verschiedener Musikinstrumente unter musikpädagogischer Anleitung anbieten.
So befindet sich in Berlin das ausschließlich privat finanzierte „Klingende Museum“ als ein weiterer Standort des „Klingenden Museums Hamburg“, welches seit 2017 als „Instrumentenwelt“ in der Hamburger Elbphilharmonie untergebracht ist und unter dem Motto „Musik machen geht ganz einfach“ kindgerechte Angebote auch digital bereitstellt. Das klingende Mobil der Elbphilharmonie macht in Stadtteilzentren und Kitas in ganz Hamburg Station und macht Musik spielerisch erlebbar. Einen vergleichbaren Ansatz verfolgt das Mobile Musik Museum in Düsseldorf. Im musiculum in Kiel probieren Kinder und Jugendliche Instrumente aus, spielen im Filmmusikorchester mit oder synchronisieren Trickfilme. Das Toccarion im Festspielhaus Baden-Baden bietet Kindern zwischen 5 und 12 Jahren die Möglichkeit, Musik zu entdecken und sich in Führungen und Workshops mit Stimme, Gesang, Rhythmus, Tanz, Musikinstrumenten und dem Orchester zu beschäftigen. Die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz hat den Education-Room KlangReich eingerichtet, der Kindern und Jugendlichen die Instrumente des Sinfonieorchesters nahebringt.
Ethnologische Museen und Sammlungen
Große Teile der materiellen und immateriellen Sammlungen aus der ganzen Welt, die sich heute im Bestand ethnologischer Museen befinden, wurden unter kolonialen Bedingungen zusammengetragen, darunter zahlreiche Musikinstrumente. Hinzu kommt, dass in einigen Museen auch Human Remains aufbewahrt werden, im Falle der Musikinstrumente bspw. Trommeln aus menschlichen Schädeln und Trompeten aus menschlichen Gebeinen. Diese Sammlungsbestände gerieten in den letzten Jahren zunehmend in die Kritik. Anstoß für die medial geführte Debatte zum kolonialen Unrechtskontext in Deutschland waren insbesondere der Nachbau des Berliner Stadtschlosses, die Unterbringung der ethnologischen Sammlung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz – die etwa 7.000 Musikinstrumente enthält – im Humboldt-Forum und der Austritt der Kulturhistorikerin und Leibniz-Preisträgerin Bénédicte Savoy aus dem Expertenbeirat im Juli 2017. In der Folge haben die ethnologischen Museen die Aufgabe übernommen, ihre eigene Geschichte und ihre Rolle im Kolonialismus kritisch aufzuarbeiten. Dies spiegelt sich in den Ausstellungen und Veranstaltungen der Museen wider. Dabei kommt der, soweit möglich, systematischen Aufarbeitung der Erwerbungskontexte der Sammlungsbestände auch im Hinblick auf mögliche Restitutionen eine besondere Bedeutung zu.
Prominente Beispiele sind das Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt in Hamburg (MARKK, bis 2018 Museum für Völkerkunde) oder die Musikinstrumentensammlung des Rautenstrauch-Joest-Museums in Köln, die das Gamelan in den Mittelpunkt stellt und es ihren Besuchern ermöglicht, die Instrumente hörend wie spielend zu erfahren. Gleichzeitig setzt sich das Rautenstrauch-Joest-Museum für eine interdisziplinäre, postkoloniale Erforschung seiner Sammlungen ein. Man sucht proaktiv den Dialog, den Wissensaustausch und die Kooperation mit den Nachkommen der Gesellschaften, aus denen die Sammlungen stammen. Partizipation und Inklusion werden als wichtige Elemente für eine Vielstimmigkeit und Transparenz neuer Forschungsmethoden erachtet. Neue Digitalisierungsstrategien sowie die schrittweise Erschließung und Offenlegung der Provenienzen der Sammlungsbestände sind zu einer Kernaufgabe ethnologischer Museen geworden.
Musikinstrumente außereuropäischer Kulturen finden sich vereinzelt auch in Musikinstrumentensammlungen, die sich ansonsten auf europäische Objekte beschränken, wie zum Beispiel an der Georg-August-Universität in Göttingen, im Musikinstrumenten-Museum in Berlin, im Stadtmuseum in München oder im Musikinstrumentenmuseum in Leipzig. Hier gilt es in der adäquaten Beforschung und Ausstellung dieser Musikinstrumente die neuen Methoden postkolonialer Forschung zukünftig einzubeziehen.
Provenienzforschung
Ziel der Provenienzforschung ist eine möglichst lückenlose Erschließung der Herkunft von Sammlungsbeständen von der Entstehung bis hin zum heutigen Aufbewahrungsort. Zu klären ist dabei, unter welchen rechtlichen, politischen, kulturellen und wissenschaftstheoretischen Umständen und Perspektiven die Kulturgüter ins Museum gelangten. Der NS-Staat bereicherte sich im Zuge der Verfolgung und Vernichtung von Menschen umfassend an deren Eigentum, wobei Kulturgüter und Kunstwerke besonders im Fokus standen. Neben offenem Raub ging der Entzug häufig indirekt vonstatten, z. B. wenn Verfolgte gezwungen waren, ihren Besitz zu verkaufen, um Sondersteuern wie die „Judenvermögensabgabe“ zu begleichen oder die Flucht ins Exil zu finanzieren. Auch Kulturgut, das nicht direkt geraubt, aber z. B. unter Zwang abgegeben oder veräußert wurde, gilt daher als „NS-Raubgut“. Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste fördert die Provenienzforschung in den Museen, so bspw. im Instrumentenmuseum des Musikwissenschaftlichen Instituts der Universität zu Köln, dessen Sammlung zwischen 1932 und 1991 auf über 180 Exponate – darunter historische Streich- und Blasinstrumente, außereuropäische Instrumente und Modelle zu Unterrichtszwecken – anwuchs. Die Aufarbeitung von Akquisitionen für die Sammlung in der NS-Zeit ergab, dass die Herkunft von 86 Objekten – das ist beinahe die Hälfte der untersuchten Objekte – weiterer Forschungsbedarf besteht. Ein ebenfalls vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördertes Provenienzforschungsprojekt am Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig befasste sich mit einer Teilsammlung von 256 Objekten aus dem Vorbesitz des Musikartisten Paul Kaiser-Reka, der seine umfangreiche Sammlung in den Zwischenkriegsjahren zusammengetragen hatte. Hier ergab sich für ein Viertel dieser Objekte weiterer Forschungsbedarf, zwei Objekte wurden in die Lost Art Datenbank als bedenklich bzw. als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut eingetragen. Eine Ausdehnung der Provenienzforschung auf die entschädigungslose Enteignung von Privateigentum in SBZ und DDR findet in letzter Zeit ebenfalls Förderung durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste. Unabhängig von der Rechtslage besteht auch mehr als 30 Jahre nach dem Ende der DDR Bedarf an systematischer Erforschung des Entzugs, der Umsetzung und allgemein des Verlusts von Kulturgut zwischen 1945 und 1990. Eine Aufarbeitung in den Musikmuseen steht allerdings noch aus.
Herausforderungen und Chancen im digitalen Zeitalter
Digitale Technologien können mit großem Gewinn Kultur für alle verfügbar machen und ermöglichen Zugänge zu kultureller Partizipation und Integration. Der Kulturbetrieb hat durch die Coronakrise geradezu einen Digitalisierungsschub erlebt. Es gab viele kreative Ideen und Entwicklungen, die der Bund mit verschiedenen Programmen und Hilfsmaßnahmen, u. a. im Programm NEUSTART KULTUR, unterstützt hat. So wurde das Organeum der Orgelakademie Ostfriesland mit Mitteln für Fotografie, Audioaufnahmen, Videoproduktion, internes Internet, multimediale Stelen und Erstellung von Webseiten unterstützt. Denn interaktive Stationen, Podcasts und zielgruppenspezifische Audioguides machen auch ortsungebundene Kulturangebote möglich und können die Reichweite der Museen erhöhen. Gleichzeitig entwickeln digitale Angebote im Museum die Kompetenz und Souveränität im Umgang mit den neuen Medien sowohl bei den Besucher:innen als auch bei den Kreativen und Gestalter:innen.
Eine Herausforderung insbesondere für die Musikmuseen ist die Interoperabilität, Kompatibilität, Präsentation und Langzeitverfügbarkeit ihrer Daten, die wesensbedingt multimodal sind: zweidimensionale Bilder, 3D-Scans, Videoclips, Audioaufnahmen etc. Die Schwierigkeiten, die hier zu bewältigen sind, begegnen auf zahlreichen Museumswebseiten, auf denen Filme oder Podcasts nur über proprietäre Hostingservices angeboten werden können. Hier, wie auch in der verlässlichen Langzeitarchivierung der Daten, ist die Initiative des Bundes gefordert. Die Musikmuseen verstehen sich also auch als Impulsgeber, kritische Reflexionsinstanz und ethisches Korrektiv des digitalen Wandels und seiner Folgen.
So hat bspw. das Übersee-Museum in Bremen mit der Kabinettausstellung „Digi… Was?“ die Digitalisierung als Thema der Vermittlung aufgegriffen, macht seine Sammlungsarbeit sichtbar und gestattet den Besucher:innen einen Blick hinter die Kulissen. Ein weiteres Beispiel für die Reflexion des digitalen Kulturwandels ist ein von der Bundesministerin für Kultur und Medien am Berliner Musikinstrumenten-Museum gefördertes Projekt zu Materialität und Virtualität von Museumsobjekten mit der Fragestellung: Wie sinnlich erfahrbar, virtuell und inklusiv darf und soll der musikbezogene Wissenstransfer denn sein?
Vermittlungsarbeit und Museumspädagogik
Musikmuseen begreifen sich zunehmend nicht nur als Orte des Dokumentierens und Aufbewahrens, sondern möchten in besonderem Maß auch als Bildungseinrichtungen aktiv werden. Bei den Musikermuseen steht die Verlebendigung von Leben und Schaffen des Künstlers im Mittelpunkt des museumspädagogischen Programms, die Musikinstrumentensammlungen legen zunehmend Wert auf die musik- und sozialgeschichtliche Kontextualisierung ihrer Exponate. Deshalb bieten beinahe alle Musikmuseen spezielle Führungen und Programme für Kinder und Jugendliche an, die berücksichtigen, dass kulturelle Bildung und Lernen im Museum am besten über eigenes Erleben und aktive Erfahrung geschehen.
Zentrale Bestandteile der Vermittlung im Museum sind natürlich Ausstellungen. Sie sind vielfach emotional und intellektuell anregend und tragen zu einer nachhaltigen Beschäftigung mit den präsentierten Inhalten bei. So zeigt die Musikinstrumentenabteilung im Deutschen Museum München höchst eindrucksvoll die Instrumente des Orchesters in einem riesigen Glaskubus, in dem an die 70 Instrumente zu schweben scheinen.
Videoclips und Computeranimationen können komplexe akustische Vorgänge, die diffizile Konstruktion eines Objekts, die kulturhistorische Bedeutung eines Komponisten oder Auftritte des gewürdigten Musikers vor Augen führen. Heute werden Medien jedoch zum größten Teil interaktiv eingesetzt, da passives Beobachten weder vom Besucher noch vom Ausstellungsmacher gewünscht scheint. Hier gilt es die Balance zu halten zwischen Aktionismus und Exploration.
Ein weiteres Mittel zur Vermittlung der Forschungsinhalte von Musikermuseen sind Konzerte bzw. Gesprächskonzerte, welche den Originalklang von Instrumenten berücksichtigen und auch über Aspekte der Historischen Aufführungspraxis informieren. Sonderausstellungen, Kataloge und Symposien, Vorträge sowie Seminare auch in Zusammenarbeit mit Universitäten, Forschungsinstituten oder Besucherakademien runden die Vermittlungsarbeit dieser Einrichtungen ab. Außerdem veranstalten einige Museen Wettbewerbe für junge Musiker:innen, deren Ziel es ist, die Werke des entsprechenden Komponisten in das Repertoire junger Virtuos:innen einzuführen.
Das Schumann-Haus Leipzig bietet eine Augmented Reality App, in der Künstler:innen ihr heutiges Leben zwischen Karriere, Familien und Geschlechterrollen reflektieren. Auf diese Weise wird das Museum zunehmend ein „dritter Ort“, ein sozialer Raum außerhalb von zuhause (erster Ort) und Arbeit (zweiter Ort), der Menschen miteinander in Kontakt bringt und ein Gefühl der gesellschaftlichen Zugehörigkeit schaffen soll.
Musikmuseen als Tourismusfaktor
Ein weiteres Feld für viele Museen ist der Kulturtourismus, der Städtetourist:innen mit einem höheren Bildungsanspruch in die Städte führt. In den Fokus rückt dabei immer deutlicher eine Zusammenarbeit mit der Tourismuswirtschaft, ebenso wie die Verbesserung der lokalen Infrastruktur (öffentliche Verkehrsmittel, Ausschilderung, Restaurants, Cafés, Belebung), eine Anpassung der Öffnungszeiten, Serviceorientiertheit und Mehrsprachigkeit der Aufsichtskräfte oder das Thema Barrierefreiheit. Für viele Besucher:innen sind insbesondere auf Kinder zugeschnittene Programme, Konzerte oder Workshops von großem Interesse. Auch banale Dinge wie das Vorhandensein eines Museumshops können entscheidend sein für die Besucherfrequenz eines Museums. Hier gilt es mit Besucherbefragungen und Evaluationen die Stärken und Schwächen der eigenen Institution in Erfahrung zu bringen und dann entsprechend zu agieren.
Das Institut für Museumsforschung konnte ermitteln, dass im Jahr 2022 zwischen 45 und 61 Prozent der Besucher:innen – je nach Größe der Häuser – Tourist:innen waren. Dieser touristische Aspekt stellt gewisse Anforderungen an die Öffentlichkeitsarbeit, an Führungsangebote, Ausstellungswesen, Erreichbarkeit, Vermittlungsarbeit, Internetauftritte und Öffnungszeiten.
Verbandsstrukturen
Verschiedene Verbände vertreten die Interessen von Museen auf nationaler und internationaler Ebene: Der deutsche Museumsbund ist der bundesweite Interessenverband aller Museen Deutschlands. Das Institut für Museumsforschung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist eine bundesweit tätige Forschungs- und Dokumentationseinrichtung und vertritt die Belange der Stiftung, des Bundes und der Länder im europäischen Raum. Bei der Deutschen Gesellschaft für Musikforschung gibt es eine Fachgruppe Musikinstrumentenkunde, welche sich als Forum der Information und des Austauschs der an Forschungsinstituten und Universitäten angegliederten Musikinstrumentensammlungen versteht. Die Arbeitsgemeinschaft „Musikermuseen in Deutschland“ repräsentiert eine Reihe bedeutender Häuser, die sich der Bewahrung des Erbes herausragender Komponisten verschrieben haben.
Auf internationaler Ebene sind Museen im International Council of Museums (ICOM) organisiert, welcher dem Erhalt, der Pflege und der Vermittlung des kulturellen Welterbes verpflichtet ist. So wird in den weltweit geltenden Ethischen Richtlinien für Museen (Code of Ethics for Museums) eine Dokumentation von Museumssammlungen "nach allgemein anerkannten professionellen Standards“ gefordert. Die inhaltliche Arbeit von ICOM wird in zahlreichen spezialisierten Gremien und Komitees geleistet; die Musikmuseen sind im Fachkomitee ICOM music organisiert.
Resümee
Die Aufgaben der Musikerhäuser und Musikinstrumentensammlungen haben sich in den letzten Jahren sehr diversifiziert und sind darüber hinaus erheblich erweitert worden. Die klassischen Aufgaben eines Museums – Sammeln, Bewahren und Vermitteln – sind durch moderne Anforderungen an Katalogisierung, Dokumentation, Standortverwaltung und Provenienzforschung transparenter, aber auch komplexer geworden. Ebenso werden die Bereiche Konservierung und Restaurierung zunehmend standardisiert, professionalisiert und auf eine wissenschaftliche Basis gestellt. Die Forschung an Museen ist heute auch darauf ausgerichtet, das zur Verfügung stehende Wissen einem breiten Interessentenkreis zugänglich zu machen. Damit ist nicht nur die Erschließung und Digitalisierung des Materials gemeint, sondern auch ein hoher Anspruch an die Vermittlungsarbeit der Museen formuliert. Zu den bestehenden Aufgaben mancher Komponistenhäuser – Veröffentlichungen, Schriftenreihen, Editionen, kritische Gesamtausgaben – traten in den letzten Jahren umfangreiche Digitalisierungsprojekte hinzu, die Initiativen für gemeinsame Standards in Interoperabilität, Kompatibilität, Präsentation und Langzeitverfügbarkeit anregten.
Ein Blick auf die größeren Projekte der letzten Jahre macht deutlich, dass die Museen in Zusammenschlüssen erfolgreicher agieren, seien dies das Hamburger KomponistenQuartier oder Forschungsprojekte wie MUSICES und musiXplora. Kooperationen mit den Digital Humanities, Mediengestaltern und Architekten sind wünschenswert, aber nicht für alle Museen zu realisieren.
Unter dem Einfluss amerikanischer und angelsächsischer Vorbilder ist die Museumspädagogik in Deutschland einem Wandel unterworfen, der den Besucher und dessen aktive Rolle im Museum in den Mittelpunkt stellt. Die Bedeutung von privaten Förderern ist zahlreichen Museen bewusster geworden und diese Zielgruppe wird stärker angesprochen und gepflegt, als dies noch vor ein paar Jahren der Fall war. Viele Museen haben bereits erkannt, dass Thema und Inhalt eines Museums, die Architektur des Gebäudes, seine Innenausstattung und das Ausstellungsdesign sowie das Inszenieren eines Erlebnisses von großer Bedeutung für die Attraktivität eines Hauses sind. Zahlreiche Museumsneubauten, Neukonzeptionen von Dauerausstellungen, aufregende Sonderausstellungen und auch überarbeitete Internetpräsenzen und Datenbanken sind Ausdruck dieses Wandels.