Die Deutsche UNESCO-Kommission veranstaltet in Zusammenarbeit mit dem Kulturhauptstadtbüro RUHR.2010 vom 26. bis 28. April in Essen die internationale Fachkonferenz "Kulturelle Vielfalt – Europas Reichtum. Das UNESCO-Übereinkommen mit Leben füllen". Diese Konferenz im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2007 ist eine der ersten Veranstaltungen weltweit zur Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen. Über 450 Fachleute aus mehr als 60 Ländern, Vertreter der UNESCO, der EU-Kommission und des Europarates, Regierungsvertreter aus den 27 EU-Mitgliedstaaten sowie aus außereuropäischen Staaten, nehmen teil. Im Dialog mit der internationalen Zivilgesellschaft soll die Konferenz Impulse geben, um das UNESCO-Übereinkommen mit Leben zu erfüllen.

Das Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen von Oktober 2005 ist das bedeutendste Kulturübereinkommen, das die UNESCO seit der Welterbekonvention von 1972 verabschiedet hat. Es gilt als "Magna Charta der internationalen Kulturpolitik". Schon jetzt haben 56 Staaten (darunter Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Indien, Italien, Kanada, Mexiko, Spanien und Südafrika), die zusammen etwa die Hälfte der Weltbevölkerung repräsentieren, dieses neue Übereinkommen ratifiziert, das während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft am 18. März 2007 in Kraft trat. Die Europäische Union hat sich geschlossen für das UNESCO-Übereinkommen eingesetzt. Ergänzend zu den EU-Mitgliedsstaaten ist auch die Europäische Gemeinschaft dem Übereinkommen als Vertragspartei beigetreten.

Die Diskussion um kulturelle Vielfalt wird global geführt: von Regierungen, von Künstlerverbänden, von kulturpolitischen Vereinigungen und Wissenschaftlern, gebündelt in den weltweit 37 "Koalitionen für kulturelle Vielfalt". Das UNESCO-Übereinkommen mit Leben erfüllen – dies erfordert Dialog und Partnerschaft zwischen den Vertragsstaaten und den vielfältigen nichtstaatlichen Akteuren weltweit wie Künstlerorganisationen, zivilgesellschaftlichen Plattformen, Kulturindustrien, Forschungsnetzwerken und Entwicklungsagenturen. "Die aktive Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Umsetzung des Übereinkommens ist ein zentrales Anliegen der Essener Konferenz,“ so Dr. Roland Bernecker, Generalsekretär der Deutschen UNESCO-Kommission. "In dem Übereinkommen geht es um die Entwicklung der besten Rahmenbedingungen für Kreativität und menschliche Freiheit. Das Recht auf kulturelle Selbstbestimmung ist durch das UNESCO-Übereinkommen völkerrechtlich verankert worden."

Die Fachkonferenz "Kulturelle Vielfalt – Europas Reichtum" befasst sich mit der Umsetzung des Übereinkommens: Wie können wir in internationaler Zusammenarbeit die Vielfalt kultureller und künstlerischer Ausdrucksweisen voran bringen? Was bedeutet das Übereinkommen für die Europäische Union? Ist der kulturelle Reichtum in unserem Land, in unseren Städten sichtbar? Wie können wir sicherstellen, dass kulturelle Vielfalt und Offenheit langfristig erhalten bleiben? Ziel der Konferenz ist es auch, den Kulturdialog in die Breite der Gesellschaft hineinzutragen.

Den Auftakt der Konferenz am 26. April bildet die Kontroverse "Kulturelle Freiheit – Kulturelle Vielfalt". Auf dem Eröffnungsplenum diskutieren Sakiko Fukuda-Parr, Mitglied der UNESCO-Expertengruppe für den Weltbericht über kulturelle Vielfalt 2008, und Chris Marcich, Senior-Vizepräsident und Vorstandsmitglied der Motion Picture Association of America. Bei dem anschließenden Panel "Globalisierung. Vielfalt. Mischung. Identität. Exklusivität" greifen europäische Künstler und Kulturpolitiker Peter Sloterdijks "Fünf Topoi, ein Versuch, uns unsere Zeit zu erklären" auf. Teilnehmer der Gesprächsrunde sind Monika Griefahn, MdB, Ko-Vorsitzende der deutsch-französischen Parlamentariergruppe zur Kulturellen Vielfalt, Pia Raug, Vorsitzende des World Composers Council und Generalsekretärin des European Council of Artists, Dänemark, Péter Inkei, Spezialist für Kulturpolitik, Ungarn, Jörn Rüsen, Präsident des Kulturwissenschaftlichen Instituts, Essen. Es moderiert Hansjürgen Rosenbauer. Über die Bedeutung des UNESCO-Übereinkommens aus der Perspektive der deutschen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik spricht anschließend Georg Boomgaarden, Staatssekretär des Auswärtigen Amts. Der erste Konferenztag endet mit einem Empfang in der UNESCO-Welterbestätte Zeche Zollverein in Essen.

Das zweite Plenum am 27. April unter Vorsitz von Botschafter Günter Overfeld, Ständiger Vertreter Deutschlands bei der UNESCO, behandelt das Thema "Risikoanalyse Kulturvielfalt – Prioritäten für Regierungen und Zivilgesellschaft". Auf der Grundlage der Arbeit des Wirtschaftswissenschaftlers Amartya Sen werden die Risiken für kulturelle Ausdrucksformen, Güter und Dienstleistungen analysiert, ausgehend von den vier Faktoren Acceptability, Adaptability, Availability und Accessibility. Welchen Handlungsspielraum bietet das Übereinkommen? Die Keynote-Rede hierzu hält Kader Asmal, Mitglied des Parlaments und ehemaliger Bildungsminister Südafrikas. Odile Quintin, Generaldirektorin für Bildung und Kultur der Europäischen Kommission, antwortet aus der Sicht der Europäischen Kommission.

Acht parallel tagende Foren mit hochkarätigen internationalen Teilnehmern widmen sich den Themenbereichen
• Film (u.a. Kulturminister Cheik Oumar Sissoko, Mali; Dieter Gorny, Aufsichtsratsvorsitzender der Filmstiftung NRW und Künstlerischer Direktor der RUHR.2010 GmbH, Audrius Juzenas, Regisseur „Ghetto“, Litauen),
• Musik (u.a. Thomas Sternberg, MdL, Nordrhein Westfalen; Michel Lambot, Impala Label, Belgien; Fruzsina Szép, Roots & Routes, Musikexport, Ungarn),
• Nord-Süd-Kooperation und Handelspolitik (u.a. Kimmo Aulake, Ministerium für Bildung und Kultur, Vorsitzender des Lenkungsausschusses Kultur des Europarats, Finnland; Ranesh Ray, Designer, Kurator, Indien; Edna dos Santos-Duisenberg, UNCTAD, Abteilung Kulturwirtschaft, Genf),
• Staat bekommt Gesellschaft (u.a. Khadija Chérif, Präsidentin von Femmes Démocrates, Tunesien; Véronique Guèvremont, Spezialistin für Völkerrecht, Universität Laval, Kanada),
• urbaner öffentlicher Raum (u.a. Oliver Scheytt, Geschäftsführer RUHR.2010, Kulturhauptstadt Europas; Robert Palmer, Kulturdirektor des Europarats, Straßburg),
• Medienpolitik und Medienwirtschaft (u.a. Fritz Pleitgen, Präsident der European Broadcasting Union / Geschäftsführer RUHR.2010, Kulturhauptstadt Europas; Verena Metze-Mangold, Geschäftsführung Filmförderung des Hessischen Rundfunks und Vizepräsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission),
• Bildung und Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit (u.a. Patrícia Salvação Barreto, Abteilungsleiterin Internationale Beziehungen, Kulturministerium, Portugal; Max Fuchs, Vorsitzender des Deutschen Kulturrats),
• Mentee-Programm "U 40" - Kulturelle Vielfalt 2030 (mit 17 jungen Talenten aus ganz Europa, Nina Obuljen, Stellvertretende Kulturministerin, Kroatien; und Carlos de Andrade, Präsident der Independent Music Association, Brasilien).

Thema des dritten Plenums ist "Talk around the World – Talk around Europe": Welche konkreten Aufgaben sind im Rahmen des UNESCO-Übereinkommens zu erfüllen? Welche Erwartungen haben Nicht-Europäer gegenüber Europa? Teilnehmer sind u.a. Danielle Gattegno Mazzonis, Staatssekretärin im Kulturministerium, Italien; María Eliana Arntz, Staatssekretärin im Kulturministerium, Chile; Verena Wiedemann, Generalsekretärin, ARD. Es moderiert Ruth Hieronymi, MdEP, Berichterstatterin des Europäischen Parlaments zur Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen".

Die Beigeordnete UNESCO-Generaldirektorin für Kultur Françoise Rivière hält die Einführungsrede zum vierten Plenum am 28. April zum Thema "Kulturelle Vielfalt schützen und fördern: Impuls für Reflexion, Ethik und Kooperation". Es folgt das "Panel 2010: Kulturelle Vielfalt im öffentlichen Raum Europa" (u.a. Roland Bernecker, Generalsekretär der Deutschen UNESCO-Kommission; Richard Harris, Australische Koalition für Kulturelle Vielfalt; Moderation: Arnd Henze, WDR). Zum Abschluss der Konferenz werden die Ergebnisse aus den acht Foren präsentiert: Elemente für einen europäischen Aktionsplan.

Die Konferenz wird gefördert von der Kulturstiftung des Bundes, dem Auswärtigen Amt, der Landesregierung Nordrhein-Westfalen und der Europäischen Kommission. Fachpartner sind der LandesMusikRat Nordrhein-Westfalen, die European Broadcasting Union (Genf) und der Weltverband der Kommunen (UCLG), Barcelona. Medienpartner ist die ARD.

Die Ergebnisse der Essener Konferenz werden als Beitrag der Zivilgesellschaft auch bei der in acht Wochen stattfindenden ersten Vertragsstaatenkonferenz des UNESCO-Übereinkommens zur kulturellen Vielfalt in Paris Beachtung finden.

Absätze