Beim Kongress in Berlin zeigt sich die deutsche Musikwirtschaft mit unterschiedlichen Gesichtern: Die Tonträgerindustrie leckt ihre Wunden, Konzertveranstalter freuen sich über positive Tendenzen. An die Adresse des Gesetzgebers gehen Forderungen nach Reformen des Urheberrechts und optimierten Rahmenbedingungen.

„Wir sind ein gutes Stück vorangekommen“, resümiert Jens Michow, Präsident des Bundesverbands der Veranstaltungswirtschaft (IDKV), die Ergebnisse des Kongresses „Musik als Wirtschaft“, der am 26. April zum zweiten Mal in Berlin stattfand. Neben dem Ziel, der Politik den Handlungsbedarf für Erhalt und Optimierung der Rahmenbedingungen des Wirtschaftszweiges der Musikwirtschaft zu umreißen, hätten die Branchenvertreter unter Beweis gestellt, dass sie trotz aller Unterschiedlichkeiten der einzelnen Sparten letztendlich für eine gemeinsame Sache kämpfen, so Michow.

Die deutsche Musikwirtschaft – zu ihr gehören neben dem umsatzstärksten Bereich der Konzertwirtschaft die Musikverleger und -produzenten, Künstlermanager und Konzertagenturen sowie die krisengeschüttelte Tonträgerindustrie – ist mit einem Gesamtumsatz von 3,4 Milliarden Euro (2003, laut GfK-Untersuchung) in ihrer Gesamtheit nach wie vor eine Wachstumsbranche. Sie repräsentiert immerhin etwa ein knappes Drittel des gesamten Medienbudgets von 11,23 Milliarden Euro, zu dem neben der Musik die Bereiche Buch, Film, Unterhaltungssoftware und Leermedien zählen. Ihre einzelnen Sektoren haben sich aber in den letzten Jahren aufgrund struktureller und technischer Bedingungen deutlich abweichend entwickelt. Während Veranstalter von Live-Entertainment wieder Zuwachsraten verzeichnen, leidet die Phonowirtschaft existenzbedrohlich unter dem „ungezügelten Raubkopieren“ von Tonträgern, sei es durch illegale Downloads aus dem Netz oder durch privates Brennen. Diskussionen um die Urheberrechte der Tonträgerhersteller, aber auch der ausübenden Künstler und Autoren bildeten daher einen Schwerpunkt im Kongressverlauf.

So forderte Sony Music-Präsident Dr. Balthasar Schramm dazu auf, den „nicht physischen Eigentumsbegriff“ neu zu bestimmen: „Wir müssen lernen, wehrhaft zu sein um sicher zu stellen, dass das, was durch den wertbildenden Faktor Kreativität geschaffen wird, auch materiell dem Produzenten zugute kommt.“ Es müsse ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, der es ermögliche, jene Ansprüche abzusichern und praktisch durchzusetzen, die sich aus geistigem Eigentum ableiteten. Schramm an die Adresse der Gesetzgeber: „Ohne eine Anpassung des rechtlichen Rahmens geht das nicht.“

Urheberrecht muss auf Ertragsfähigkeit von Musik reagieren

Konkretes Anschauungsmaterial zur Notlage der Tonträgerwirtschaft lieferte Peter Zombik, Geschäftsführer des Bundesverbands der Phonografischen Industrie. Zu den Wettbewerbern der Branche gehörten inzwischen vorrangig die Hersteller von Leertonträgern, die im Jahre 2003 325 Millionen beschreibbare CDs verkauften, während gleichzeitig nur 125 Millionen Langspiel-CDs vertrieben worden seien. „Das kommt im Wesentlichen nicht mehr denjenigen zu Gute, die die Vorinvestitionen in das Tonträgerprodukt getätigt haben“, klagte Zombik. Somit sei die Ertragsfähigkeit von Musik eine zentrale Frage und hierauf müsse das Urheberrecht reagieren. Dieses Recht sei längst zum zentralen Marktordnungsrecht geworden, das letztlich die Frage entscheide, unter welchen Bedingungen Wissen, Information und Kultur entsteht, verbreitet wird und genutzt werden kann. Zombik: „Wenn man die Investitionsfähigkeit der Träger dieser wirtschaftlichen Entwicklung weiter erhalten will, muss man in der Tat über weitere umfassende Reformen des Urheberrechts nachdenken.“

Während auch die Präsidentin des Deutscher Musikverlegerverbands, Dagmar Sikorski, die nachhaltige Sicherung der Autorenrechte im digitalen Zeitalter einforderte, nahmen Vertreter der GEMA teilweise andere Positionen ein. Übereinstimmend vertraten der GEMA-Vorstandvorsitzende Prof. Dr. Reinhold Kreile und sein Stellvertreter Prof. Dr. Jürgen Becker die Ansicht, dass die bestehenden Regelungen zur privaten Vervielfältigung dazu geeignet seien, auch im digitalen Umfeld für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu sorgen. „Wir sind nicht der Auffassung“, so Becker, „dass die Einführung von Systemen des Digital Rights Managements (DRM) ein Verbot der privaten Vervielfältigung rechtfertigt.“ Die GEMA begrüße grundsätzlich jeden technischen Fortschritt bei der Weiterverbreitung von Musikwerken und der Werke ihrer Mitglieder. GEMA-Chef Kreile unterstrich aber, dass bei jeder Weiterverbreitung auch im Informationszeitalter der vom Gesetzgeber geprägte und von der Rechtsprechung auch des Bundesverfassungsgerichts immer wieder formulierte Grundsatz gelte, dass für jede Nutzung die angemessene Vergütung für die Werkschöpfer bezahlt werden muss.

Staat muss sich heraushalten, wo private Leistungen erbracht werden

Für den derzeit wirtschaftlich vergleichsweise gut abschneidenden Bereich der Konzertwirtschaft forderte IDKV-Präsident Jens Michow eine zügige und vor allem praxisgerechte Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach ausländische Künstler bei der Besteuerung ihrer Einnahmen im Inland nicht schlechter gestellt werden dürfen als deutsche Künstler. Darüber hinaus sei es ein wesentliches Anliegen der Veranstaltungsindustrie, dass sich überall dort der Staat heraushalte, wo Leistungen durch private Unternehmer erbracht werden könnten. „Es ist nicht einzusehen“, so Michow, „dass die Bundesagentur für Arbeit mit ihren Künstlerdiensten im Wesentlichen Künstlervermittlung in selbständige Dienstverträge betreibt, nicht jedoch in Arbeitsverhältnisse. Da werden internationale Stars und namhafte inländische Künstler für Firmenevents und Veranstaltungen aller Art vermittelt, bei denen von Arbeitsvermittlung absolut nicht die Rede sein kann.“ Dies geschehe ohne Vermittlungsgebühr auf Kosten der Versicherten und auf Basis eines erheblichen Bundeszuschusses. Gegen diese Art von Wettbwerb hätten die zahlreichen Künstleragenturen und Künstlervermittler keine Chance.

In das gleiche Horn stieß Prof Dr. Johannes Kreile, Justiziar des Verbandes Deutscher Konzertdirektionen, der ein faires Verhältnis der staatlich subventionierten und frei finanzierten Veranstaltungen anmahnte. Das Beispiel der jüngst eingeführten Vergnügungssteuer in Köln mit der Befreiung der städtischen Konzertveranstaltungen, die Ausweitung der Fremdkonzertveranstaltungen der Berliner Philharmoniker oder der Münchner Philharmonie zeige, dass öffentliche Mittel – und dies in Zeiten knapper Kassen – fehlgeleitet würden. Auch das Finanzministerium schade der Kulturwirtschaft mit seiner Haltung, Urteile des EuGH nicht vollständig umzusetzen. Beispielweise werde in Deutschland – europarechtswidrig – die Umsatzsteuerbefreiung für Dirigenten verweigert, während man sie Solisten, Pianisten oder Geigern, gewähre.

„Es gibt für die Veranstaltungswirtschaft keinen Grund zum Jammern“, fasste Peter Schwenkow, Chef der Deutschen Entertainment AG, zusammen. „Wir können aber den Gürtel nicht mehr enger schnallen“. Man wolle auch weiter ohne Subventionen arbeiten, aber die Politik, so Schwenkow, täte gut daran, die Rahmenbedingungen des Wirtschaftszweiges zu erhalten und diese insbesondere an den wunden Punkten der beschränkten Steuerpflicht sowie der Künstlersozialabgabe zu optimieren.

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