Mit einem offenen Brief an den Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer AG reagierte der Landesmusikrat Hamburg auf den am 11.1.2013 in der Bildzeitung veröffentlichten Beitrag "Und so verschwenden sie unsere Gebühren":

Offener Brief

Sehr geehrter Herr Dr. Döpfner,
sehr geehrter Herr Diekmann,

mit schierem Entsetzen musste man am 11.1.2013 in der BILD lesen, dass Sie die Orchester, Bigbands und Chöre der ARD als „Verschwendung“ bezeichnen. Ein gefährlicher Irrtum!

Noch gilt Deutschland als Musikland, und die Musik tut den Menschen hier sehr gut. Ein wichtiges Merkmal dieses Musiklands ist unsere Orchesterlandschaft. Dazu gehören die Profiensembles der ARD. Fast 25 % der Weltkulturorchester befinden sich in Deutschland. Für viele sind wir Vorbild, Anregung. Darauf sollten wir stolz sein. Zu Recht wurde beantragt, diese Orchesterlandschaft zum Weltkulturerbe zu erklären. Die Existenz dieser Orchester sollten Sie nicht gefährden.

Kultur braucht Spitze und Breite, Hochkultur und populäre Kultur, Vergangenheit und Gegenwart. Die Orchester, Bigbands und Chöre der ARD präsentieren neben dem Auftrag, eine Grundversorgung mit Musik sicher zu stellen, vor allem Hochkultur, sind Leistungsspitzen, setzen Maßstäbe. Sie halten unsere musikalische Tradition lebendig und stehen zugleich für künstlerische Erneuerung. Gerade die gebührenfinanzierte Trägerschaft setzt sie in die Lage, Musik zu spielen, zu entdecken, aufzuführen und zu speichern, die sich nicht am Markt finanziert. Sie sind unverzichtbar zur Qualitätssicherung, für die zeitgenössische Musik, für selten gespielte Musik aller Epochen und für Nischenprogramme.

Mit diesen Leistungen entsprechen sie dem Bildungsauftrag des öffentlich rechtlichen Angebots.

Öffentlich- rechtliche Verantwortung bedeutet auch Sicherung von Vielfalt. Es gibt viele Musikrichtungen, die Gesellschaft verlangt ein breit aufgestelltes Angebot, verlangt in der Regel populäre Musik und Musikunterhaltung, das ist in Ordnung. Aber verantwortliche Programmpolitik ist für mehr zuständig. Die Orchester und Chöre singen und spielen vor allem klassische und romantische Musik und neue „E-Musik“. Damit pflegen und erhalten sie zentrale Inhalte unserer musikalischen Tradition. Die Bigbands pflegen den Jazz. Jazz ist leider Minderheitenmusik, rechnet sich in der Regel auch nicht am Markt, ist aber Inspiration für fast alle Bereiche der populären Musik. Das wissen leider nicht viele. Auch den Jazz finanziell zu fördern, ist eine Aufgabe verantwortlicher Musikpolitik.

Bitte betrachten Sie auch die Zahlen. Trotz der hohen Bedeutung dieser Ensembles sind die Kosten, die sie verursachen, nur ein minimaler Betrag des Gesamtrundfunkhaushalts, nämlich rund 2%. Diese 2% haben kaum Wirkung auf den Gebührenbedarf.

Dass zu viele Menschen diese Ensembles nicht kennen, wie Sie zu Recht berichten, liegt einmal am fehlenden Musikunterricht in unseren Schulen. Die Menschen werden als Kinder in Schule (und Familie!) leider zu wenig für diese Musik interessiert. Bitte helfen Sie uns, diese Erosion des Musikunterrichts zu stoppen.

Diese Unkenntnis ist aber auch auf das Programmhandeln der ARD-Verantwortlichen zurückzuführen. Wie oft präsentieren diese die Ensembles, w i e präsentieren sie sie, welche Sendeplätze geben sie ihnen, wie viele Menschen erreicht z.B. eine Jazzsendung um Mitternacht? Ihre Behauptung vom 11.1. ist hoffentlich nur ein einmaliger Ausrutscher. Bei Wiederholung könnte sie unserer Musik und damit den Menschen im Land schaden. Es wäre jetzt angebracht, die Programmpolitik der ARD zu thematisieren, es wäre förderlich, diese Ensembles den Leserinnen und Lesern jetzt korrigierend, mit Blick auf ihre große Bedeutung in motivierenden, Interesse weckenden Artikeln vorzustellen!

Mit freundlichen Grüßen,
Prof. Wolfhagen Sobirey,
Präsident des Landesmusikrats Hamburg
Mitglied im Präsidium des Deutschen Musikrats