Am 1. Dezember wurde die Jazzstudie 2022 im Rahmen einer digitalen Veranstaltung im Gespräch mit Politik und Presse vorgestellt. Die Studie gibt einen tiefen Einblick in die Arbeits- und Lebensrealitäten in der deutschen Jazzszene, die von einer überwiegend prekären Einkommenssituation und den existenzbedrohenden Auswirkungen der Coronapandemie stark gezeichnet ist.
Die Ergebnisse einer großflächigen Onlinebefragung von rund 1.000 professionellen Jazzmusiker*innen wurden durch Einzel- und Fokusgruppeninterviews ergänzt und liefern Erkenntnisse zu wirtschaftlichen, berufspraktischen sowie persönlichen und sozialen Aspekten der Lebens- und Arbeitssituation von Jazzmusiker*innen und -pädagog*innen in der Bundesrepublik.
Als deutlich erweiterte Anschlussstudie an die Jazzstudie 2016 zeichnet die Jazzstudie 2022 ein differenziertes Bild der aktuellen Lage. Einige leicht positive Entwicklungen gibt es etwa hinsichtlich der Einkommenssituation im unteren Bereich oder einer Zunahme des Anteils von Frauen unter den Befragten zu verzeichnen. Die seit 2016 erwirkten Verbesserungen bei spezifischen Förderinstrumenten zeigen Wirkung, und die staatlichen Coronahilfen konnten viele Jazzmusiker*innen vor dem wirtschaftlichen Aus bewahren.
Insgesamt hat sich die Einkommenssituation jedoch – in Relation zur Gesamtbevölkerung – weiter verschlechtert, und der Abstand zum Bundesdurchschnittseinkommen ist größer geworden. Die Einschränkungen während der Coronapandemie haben für einen drastischen Einbruch der Konzerttätigkeit gesorgt. Fehlende Betätigungsmöglichkeiten resultieren in Unzufriedenheit und verursachen mentale Belastungen, die sich negativ auf das persönliche Wohlbefinden auswirken. Viele Befragte haben Angst vor Altersarmut – und das nicht ohne Grund, denn der Durchschnitt der erwarteten monatlichen Bezüge im Rentenalter der überwiegend akademisch ausgebildeten Jazzmusiker*innen liegt unter der Hälfte des Bundesdurchschnitts.
Urs Johnen, Geschäftsführer der Deutschen Jazzunion und Co-Autor der Jazzstudie 2022:
"Die Jazzstudie 2022 zeigt in unmissverständlicher Deutlichkeit, dass wir dringend Wege zu einer funktionierenden Altersvorsorge für Jazzmusiker*innen finden müssen. Eine Anhebung des Gagenniveaus und der Unterrichtshonorare kann dabei ein wichtiger Baustein sein. Eine vielen Kolleg*innen drohende Altersarmut werden wir aber nur im Schulterschluss mit der Sozial- und Kulturpolitik abwenden können."
Erstmals wurden in der Jazzstudie 2022 auch Daten zu Diskriminierungserfahren und intersektionalen Benachteiligungen erhoben. Auch hier zeigen sich politischer Handlungs- sowie weiterer Forschungsbedarf.
Die Jazzstudie 2022 wurde von der Deutschen Jazzunion in Kooperation mit dem Jazzinstitut Darmstadt sowie der Gesellschaft für Qualität im Gesundheitswesen Karlsruhe (GfQG) durchgeführt. Das Forschungsprojekt wurde von der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg, der International Psychoanalytic University Berlin, der Hochschule für Musik "Franz Liszt" Weimar und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster begleitet. Die Studie umfasste neben einer großflächigen Onlinebefragung auch qualitative Methoden wie leitfadengestützte Fokusgruppen- und Expert*innen-Interviews. Gefördert wurde die Jazzstudie 2022 von der Initiative Musik gGmbH aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Die Deutsche Jazzunion wurde 1973 gegründet und ist als Sprachrohr der Jazzmusiker*innen in Deutschland wichtige Ansprechpartnerin für die Politik auf Bundesebene. Zu den Kernzielen des Verbands gehören Verbesserungen bei der Vergütung und der sozialen Absicherung von Jazzmusiker*innen, der Ausbau der spezifischen Förderung für Jazz und Improvisierte Musik sowie die Stärkung der Spielstätten.
Informationen zur Jazzstudie 2022: www.jazzstudie.de