Knapp 400 Teilnehmer aus Kultur, Politik, Gewerkschaft und Medien trafen sich am 14. November 2003 zum Kongreß „Bündnis für Theater - Wir brauchen einen neuen Konsens“ in Berlin, um gemeinsam über neue Wege und Konzepte für die Theaterlandschaft Deutschlands zu diskutieren.
Bundespräsident Dr. h.c. Johannes Rau, auf dessen Initiative das „Bündnis für Theater“ vor einiger Zeit gefordert worden war, sagte zur Eröffnung des von der Kulturstiftung der Länder organisierten Kongreßes: „Die Finanzierung von Theater und Oper ist eine öffentliche Aufgabe und das muß so bleiben, Theater muß sein!“ Rau nannte die Kultur „eine Pflichtaufgabe für den Staat“. Er warnte vor einer „um sich greifenden Kulturfeindlichkeit“. Das Theater sei deswegen auch schon lange mehr keine „Insel der Seligen“. Die Theatermacher forderte Rau auf, die Beziehungen zu den Zuschauern stärker im Blick zu haben. Das Netz zwischen Theatern und ihrem Publikum gelte es auszubauen und neue Zuschauer unter den jungen Menschen zu gewinnen.

Kulturstaatsministerin Christina Weiss betonte in ihrer Grundsatzrede: „Kultur muß eine Pflichtaufgabe in den Köpfen sein.“ Die kulturelle Grundbildung sei eine Basisaufgabe des Staates. Die Theater sollten nach Weiss’ Ansicht eine größere Planungssicherheit ihrer Budgets erhalten. Gleichzeitig warnte Weiss davor, das Theater als Ware zu betrachten. Sie rief dazu auf, Reformstau und „verkrustete Strukturen“ der deutschen Bühnen aufzulösen. „Die Zukunft des Theaters wird auf der Bühne entschieden“, meinte Weiss. Sie forderte mehr Freiheit und Eigenständigkeit für die Bühnen in Deutschland. „Mehr Freiheit heißt aber auch mehr Verantwortung“, fügte die Kulturstaatsministerin hinzu.

In verschiedenen Foren und Diskussionen erarbeiteten die Teilnehmer des Kongreßes schließlich Forderungen, Thesen und Vorschläge zur Verbesserung der Theatersituation in Deutschland.

Die Forderung nach einer gesetzlichen Verankerung der Kultur als Pflichtaufgabe, die sich auch der Bundespräsident in seiner Rede wünschte, fand große Unterstützung. Daß es grundsätzlich möglich ist, Kultur als Pflichtaufgabe gesetzlich festzuschreiben, zeigt das sächsische Kulturraumgesetz, das die Kultur als Pflichtaufgabe normiert. Die Teilnehmer der Tagung waren sich einig, daß dies den Theatern vor allem mehr Schutz bei Spardebatten biete, weil auf freiwillige Leistungen immer zuerst zurückgegriffen wird und bei defizitären Haushalten auch zurückgegriffen werden muß. Der deutsche Städtetag warnte allerdings davor, den Städten und Gemeinden gesetzlich neue Pflichtaufgaben zu verordnen. Grundsätzlich müsse aber die Tendenz dringend gestoppt werden, daß bei Haushaltskonsolidierungen an der Kultur überdurchschnittlich gespart werde.

Einigkeit herrschte darüber, daß eine wenigstens mehrjährige Planungssicherheit für die Theater anzustreben sei. Mehr Budgetsicherheit würde die mittel- und langfristigen Planungen erleichtern.
Die Diskussion über tarifrechtliche Verbesserungen zeigte Einvernehmen darin, daß der Spielbetrieb ohne tarifvertragliche Regelungen nicht möglich sei. Die Theater sollten auch nicht von allgemeinen Tariferhöhungen ausgenommen werden. Ein einheitlicher Tarifvertrag wurde gewünscht, um die Gemengelage verschiedenster Verträge zu beenden. Gleichzeitig sollten die Möglichkeiten des Tarifrechts mehr als bisher ausgeschöpft werden. Auch müßten Spitzengehälter und Stargagen kritischer gesehen werden.

Das Theater habe sein angestammtes „bürgerliches“ Publikum verloren und müsse neue Formen der Zuschauerbindung finden, appellierte eine Arbeitsgruppe des Kongreßes. Dazu muß das Stadttheater eine Vielfalt an Inhalten abbilden, um die unterschiedlichen Schichten des Publikums auch adäquat ansprechen zu können. Eine Anbiederung an die Zuschauer sei aber in jedem Fall falsch.
Übergreifend wurde gefordert, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing einen größeren Stellenwert beizumessen. Es gehe darum, mehr Identifikation bei den Zuschauern zu erreichen und sich damit auch neues Publikum, ob jung oder alt, zu erschließen. Das Theater müsse sich noch mehr dem Publikum öffnen, sich besser vermitteln und Schwellenängste potentieller Zuschauer abbauen. Auch könnten neue Einnahmequellen, beispielsweise durch zusätzlichen Spielbetrieb in den Theaterferien, erschlossen werden.

In der Zusammenarbeit mit der Politik sollten sich die Theater mehr Gehör verschaffen, wurde gefordert. Außerdem sollen die Theater ihre Arbeit und ihre wirtschaftlichen Strukturen transparenter gegenüber den Politikern der Kulturverwaltungen machen, um dort mehr Verständnis zu finden. Die Theater sollten im Dialog mit der Politik viel stärker und eindeutiger ihre Forderungen artikulieren. Das sei auch ein Teil der größeren inhaltlichen und wirtschaftlichen Eigenverantwortung der Theater, die die Teilnehmer des Kongreßes nachdrücklich forderten.
Eine Doppelspitze als Theaterleitung sei in jedem Fall empfehlenswert. Ein mit dem künstlerischen Leiter gleichberechtigter Finanzchef bilde für die Theater eine mittlerweile bewährte Leitungsstruktur. So könne auch der Betrieb von Theatern mit den Mitteln eines modernen Managements gesichert werden.

Für die Theater der freien Szene gehe es darum, sich gemeinsam zu organisieren und die Verantwortung der Kommunen auch für diese Theaterform einzufordern. Dazu müßten neue kulturpolitische Konzepte erarbeitet werden.

Der Kampf der stärkeren Bühnen zu Lasten der Schwächeren müsse aufhören, darüber waren sich die Teilnehmer des Kongreßes einig. Die Theater sollten stärker kooperieren, statt im Alleingang für einzelne Bühnen Verbesserungen zu erreichen.

Die Diskussion über die beste Rechtsform für öffentliche Bühnen blieb offen. Entscheidend sei jedoch, unabhängig von der Rechtsform, die Optimierung der jeweiligen Ausgestaltung der gewählten Organisationsform.
Quelle: Kulturstiftung der Länder

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