Aufstellung eines Feuerwehrorchesters im Freien
Die Mitglieder des Musikzugs Meschede der Freiwilligen Feuerwehr  
Foto:  Feuerwehr Meschede/Musikzug

Die Freiwillige Feuerwehr in Meschede löscht nicht nur Brände, sondern hat auch seit über 100 Jahren einen eigenen Musikzug. Der Verein zeigt, wie lebendig das Musikleben auch in kleineren Orten ist – nicht zuletzt in Krisenzeiten.

Wenn es brennt, dann brennt’s, mag es auch noch so ungelegen kommen. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass der Melder grundsätzlich donnerstags zwischen 19.30 und 22.00 Uhr losgeht“, sagt Herbert Bürger geradezu gottergeben. Zu diesem Zeitpunkt findet die wöchentliche Probe des Musikzugs Meschede statt, und der Musikzugleiter kann sich an so manches Mal erinnern, an dem ein Großteil des Ensembles mitten im Stück von den Plätzen aufsprang, um zu irgendeinem Einsatzort in der Umgebung zu eilen. So ist das bei einer Truppe, die an die freiwillige Feuerwehr angegliedert ist und deren Mitglieder vielfach nicht nur Dienst am Instrument, sondern auch am Löschfahrzeug verrichten. Schon die Gründer im Jahr 1911 waren Feuerwehrleute.

Der Musikzug in der Sauerland-Gemeinde ist eine von 65 musikalischen Gruppierungen, die der Verband der Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen allein im Regierungsbezirk Arnsberg aufführt. Landesweit gibt es hiervon rund 180, wobei sich zu den mit Blasinstrumenten besetzten Musikzügen noch die hauptsächlich aus Trommeln und kleinen Flöten bestehenden Spielmannszüge gesellen. Die Verbindung zwischen Brandbekämpfung und Musik hat eine lange Tradition und reicht zurück in eine Zeit, in der die Alarmierung und Koordinierung von Einsatzkräften nur über prägnante akustische Zeichen, sogenannte Signalmusik, möglich war. Was die musikalische Bandbreite angeht, ist man heute freilich weiter: „Vom Prinzip her spielen wir alles“, sagt Herbert Bürger, der die Musikzugleitung 2008 übernahm. „Volkstümliche Musik findet bei uns ebenso statt wie Rock, Pop, Musical oder Sinfonisches; auch moderne Klassik und Filmmusik haben wir im Angebot.“

Engagierte Nachwuchsarbeit

Bevor er ans Dirigentenpult wechselte, hatte Herbert Bürger selbst jahrelang als Posaunist im Musikzug mitgespielt. „Damals waren wir noch nicht so groß“, erinnert sich der 41‑Jährige, der heute regelmäßig vor 50 Mitgliedern – Kameradinnen und Kameraden nennt er sie – im Probenraum und auf der Bühne steht. „Höchststand“, verkündet er stolz und führt die Größe seines Ensembles nicht zuletzt auf die engagierte Nachwuchsarbeit zurück, die der Musikzug Meschede in den vergangenen Jahren geleistet hat. Seit Längerem gibt es hier ein Jugendorchester, aus dem gerade in den letzten Jahren viele ins Hauptensemble hinübergewechselt sind. „Das erklärt auch unsere Altersstruktur“, sagt Bürger. Von wegen, nur alte Leute würden sich heute noch in Musikvereinen engagieren: „Unsere Mitglieder sind im Schnitt Anfang 30.“

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Feuerwehrorchester auf einer Bühne
Konzert zum 100-jährigen Bestehen des Musikzugs  
Foto:  Feuerwehr Meschede/Musikzug

Dass sie sich für den Rest ihres Lebens an den Musikzug Meschede binden, erwartet Herbert Bürger von seinen Kameradinnen und Kameraden allerdings nicht. „Wir haben zwar keine so große Fluktuation wie etwa ein großes Unternehmen, bei dem im Jahr etwa 25 Prozent der Belegschaft wechseln“, sagt der Musikzugleiter, der als hauptberuflicher Controller genau weiß, wovon er spricht. „Aber die Zeiten sind vorbei, in denen man sein Leben lang an den Heimatort gebunden ist; auch bei uns gehen viele irgendwann fort, zum Studieren oder weil sie einen Job in einer anderen Stadt annehmen.“ Umso wichtiger findet es Bürger, den Spieler*innen allgemein die Freude an der Musik und am gemeinsamen Musizieren zu vermitteln, damit sie ihr Hobby auch woanders pflegen können. „Was wir vor allem möchten, ist, eine schöne Zeit zu verbringen“, sagt Herbert Bürger, „und die verbringen wir, indem wir gemeinsam Musik machen.“

Blasorchester auf einer Bühne
Jubiläumskonzert zum 100-jährigen Bestehen  
Foto:  Feuerwehr Meschede/Musikzug
Blasorchester spielt auf einer Bühne
Musicalkonzert 2020  
Foto:  Feuerwehr Meschede/Musikzug
Blasorchester auf einer Bühne
Solistinnen und Solisten beim Musicalkonzert  
Foto:  Feuerwehr Meschede/Musikzug

Professioneller Instrumentalunterricht

Bei aller Feel-good-Intention heißt das nicht, dass der Musikzugleiter keinen besonderen Wert auf Qualität legen würde. Schon lange hat er sich das Thema Musikpädagogik auf die Fahnen geschrieben. Bei den Musikzügen der Freiwilligen Feuerwehr ist es eng mit einem speziellen System verknüpft, das sich an die Ausbildung der aktiven Löscheinheiten anlehnt, auch wenn es bei den Musizierenden weniger streng und verbindlich gehandhabt wird. Die Grundfertigkeiten auf dem Instrument vermittelt der Unterricht, der im Fall des Musikzugs Meschede vom Förderverein organisiert wird. „Unterrichtet wird von Profimusiker*innen, aber auch von Studierenden oder engagierten Amateur*innen.“ Wer will und den entsprechenden Ehrgeiz mitbringt, kann sich darüber hinaus mithilfe von Lehrgängen weiterentwickeln, die für die nordrhein-westfälischen Musikzüge der Volksmusikerbund NRW e. V. anbietet.

In den Lehrgängen des so genannten D-Bereichs werden in aufsteigenden Schwierigkeitsgraden instrumentale Fähigkeiten ausgebaut, aber auch theoretische Fächer wie Notenkunde, Harmonielehre oder Gehörbildung behandelt. „Ich dränge das niemandem auf“, sagt Herbert Bürger, „aber ich weiß aus eigener Erfahrung, wie sehr man davon profitiert.“ Nicht nur auf dem Instrument, sondern auch persönlich. „Man lernt dabei unheimlich viele spannende Leute kennen, und es hilft dabei, sich zu vernetzen.“ Zudem verhilft dem Musikzug die von seinem Leiter ins Leben gerufene Qualitätsoffensive dabei, sich selbst besser zu verorten, zu wissen, wo man im Vergleich zu anderen musikalisch steht. „Aus diesem Grund haben wir 2019 zum ersten Mal bei einem Wertungsspiel mitgemacht.“ Anstelle des traditionellen Jahreskonzerts in Meschede reiste der gesamte Zug nach Haltern am See, wo man auf andere, ebenfalls höchst motivierte Musikzüge aus dem ganzen Bundesland traf.

Online durch die Corona-Krise

Das Wertungsspiel war einer der letzten großen Höhepunkte im Gemeinschaftsleben der Musikzugs Meschede, bevor der Ausbruch der Corona-Pandemie auch hier für unfreiwillige Funkstille sorgte. Der Verlust gewohnter Strukturen hat bundesweit gerade in ländlicheren Regionen zahlreiche Musikvereine vor erhebliche Probleme gestellt. Auch beim Volksmusikerbund NRW regt sich die Sorge, dass gerade unter den jüngeren Mitgliedern ein größerer Schwund stattfinden könnte. Was seine Leute angeht, teilt Herbert Bürger diese Sorge nicht. „Da wir nicht mehr live proben konnten, haben wir uns online zusammengetan“, berichtet der findige Musikzugleiter. Erste Experimente mit einer App aus dem Gaming-Bereich scheiterten an der schauderhaften Qualität. Nach und nach entdeckte man jedoch geeignetere Tools, mit denen sich die Mitglieder austauschen konnten, ehe im Sommer 2020 wieder Proben auf Abstand möglich wurden. „Bis dahin sind alle am Ball geblieben“, sagt Herbert Bürger, der in der Zwischenzeit zusammen mit seiner Lebensgefährtin in engagierter Heimarbeit Popschutze für die Blasinstrumente hergestellt hatte, um so den Hygieneauflagen Genüge zu tun.

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Blasorchester übt mithilfe von Zoom und YouTube
Online-Probe des Musikzugs während der Corona-Pandemie  
Foto:  Feuerwehr Meschede/Musikzug

Auch als der Spätherbst kam und mit ihm die nächste, noch längere Unterbrechung, blieben die Musikzugmitglieder bei der Stange. Um sie dazu zu bewegen, ihre „Kanne“ regelmäßig in die Hand zu nehmen, ließ Bürger die Musiker*innen verschiedene Stücke zu Hause aufnehmen. Die Stimmen setzte er mit Hilfe eines Tonbearbeitungsprogramms zusammen und führte sie beim nächsten Online-Treffen vor – der Beweis, dass gemeinsames Musizieren auch auf Distanz möglich ist. Um die Kinder in den umliegenden Kindertagesstätten für den pandemiebedingten Ausfall der Martinsumzüge zu entschädigen, nahm der Musikzug auf diese Weise eine Reihe von gemeinfreien Martinsliedern auf. Eine wahrhaft heldenhafte Friemel-Arbeit: „Wenn Sie 100 Mal hintereinander ‚Laterne, Laterne‘ gehört haben, ist das auch nicht mehr so schön.“

Dass durch die lange Unterbrechung der „richtigen“ Probenarbeit nicht nahtlos an die frühere Qualität angeknüpft werden kann, ist Herbert Bürger bewusst. Daher fällt das jährliche große Konzert 2021 auch aus. Bei zahlreichen Feiern, kirchlichen Umzügen oder Schützenfesten in der Umgebung gibt es in diesem Jahr dennoch ausreichend Gelegenheit für den Musikzug, öffentlich in Erscheinung zu treten. „Jetzt soll erst einmal das im Vordergrund stehen, was wir in der langen Zeit am meisten vermisst haben: das Gemeinschaftsgefühl.“ Denn das ist mindestens genauso wichtig wie die Musik. So ist denn auch das erste Großprojekt des Musikzugs Meschede im Jahr 2021 das Sommerfest, „damit wir wieder gemeinsam ein obligatorisches Hopfenkaltgetränk zu uns nehmen können.“ Mit Blick auf das 110‑jährige Bestehen in diesem Jahr hätte man zwar ein aufwändiges Jubiläumsprogram stricken können, aus Feuerwehrsicht wäre das allerdings gar nicht so spektakulär gewesen. Viel interessanter sieht es im Jahr 2023 aus: „Da werden wir nämlich 112.“

Über den Autor

Stephan Schwarz-Peters arbeitet als freischaffender Journalist und Redakteur u. a. für das Tonhalle Magazin, die Philharmonie Köln sowie die Magazine Rondo und Oper!