Code of Conduct Launch-Event
Code of Conduct Launch-Event  
Foto:  Marcus Bläsing  /  clubliebe e.V.

Mit dem Code of Conduct „Zukunft Feiern“ gibt die Berliner Initiative Clubtopia Club­betreiber*innen einen selbst­­verpflichtenden Maß­nahmen­­­pool für umwelt- und klima­­schonendes Verhalten an die Hand. Auch außerhalb der Haupt­­stadt zieht die Publikation weite Kreise und zeigt: Sogar in ökonomisch schwierigen Zeiten ist es möglich, das Nacht­leben nachhaltiger zu gestalten.

Ob Energieversorgung, Mobilität, Ernährungs- oder Einkaufsgewohnheiten: Immer mehr Menschen achten im Alltag auf Nachhaltigkeit oder entwickeln zumindest eine Sensibilität gegenüber diesem Thema. Doch wie sieht es aus, wenn sie ausgehen und feiern? Da machen sich wohl die wenigsten groß Gedanken darüber, woher der Strom kommt, der die Soundanlage im Lieblingsclub betreibt, oder die Heizenergie, die dafür sorgt, dass es auf der Tanzfläche heiß hergeht. „Feiern, als gäbe es kein Morgen“ gehört hier zu den Devisen des Nachtlebens. Doch besteht bei aller Ausgelassenheit auch die Chance, dass sich immer mehr vom entgegengesetzten Motto „Feiern, als gäbe es ein Morgen“ anstecken lassen. Nicht zuletzt in Berlin, wo sich die Initiative Clubtopia, ein Kooperationsprojekt des BUND Berlin e.V., des Clubliebe e.V. und der Clubcommission Berlin, die Aufgabe gestellt hat, die Clubszene der Stadt umwelt- und klimafreundlicher zu machen.

2019 gegründet, setzt das Projekt dabei zunächst auf Aufklärung und die Schaffung neuer Impulse. Wissensvermittlung zu Nachhaltigkeitsthemen im Clubbereich findet virtuell u. a. mithilfe eines „Green Club Guides“ statt, aber auch bei Workshops und individuellen Energieberatungen, durchführt von Expert*innen aus Umweltverbänden wie dem BUND und anderen Institutionen mit Fachverstand. Einen ebenso spannenden wie zielorientierten Dialog für zukunftsfähiges Feiern bietet das Zukunftslabor „Future Party Lab“, bei dem sich Vertreter*innen der Nachhaltigkeitsbranche und der Clubszene mit Clubbesucher*innen und anderen Interessierten austauschen können, vor allem aber auch der „Runde Tisch für grüne Clubkultur“. Im intensiven Gespräch haben hier die Mitarbeitenden von Clubtopia zusammen mit Clubbetreiber*innen und Veranstaltenden einen Verhaltenscodex für einen umweltfreundlichen Clubbetrieb entwickelt. Das Ergebnis liegt seit September 2021 in Form eines umfangreichen Code of Conduct vor. In ihm sind nicht nur die angestrebten Nachhaltigkeitsziele formuliert, sondern auch eine Reihe von konkreten Maßnahmen benannt, an denen sich die Clubbetreiber*innen orientieren können.

„Der Code of Conduct ist nicht nur ein Leitfaden, sondern enthält auch eine Selbstverpflichtung.“
Autor
Konstanze Meyer, Projektkoordinatorin Clubliebe

„Der Code of Conduct ist nicht nur ein Leitfaden, sondern enthält auch eine Selbstverpflichtung“, sagt Konstanze Meyer, die bei Clubliebe für die Projektkoordination zuständig ist. Clubs, die sich den Nachhaltigkeitszielen des Codes anschließen möchten, können dies durch Unterzeichnen öffentlich erklären und erhalten im Gegenzug ein Zertifikat, das den eigenen Beitrag zu einer nachhaltigen Clubkultur nach außen hin sichtbar macht. Zudem steht ihnen der für Außenstehende zunächst nicht einsehbare Maßnahmenpool mit sämtlichen Features zur Verfügung. Insgesamt acht Handlungsfelder sind darin benannt, die Aufzählung beginnt mit der externen und internen Kommunikation, denn klimafreundliche Maßnahmen können nur dann durchgeführt werden, wenn Betreiber*innen, Mitarbeitende und Besucher*innen wissen, worum es geht und so an einem Strang ziehen können. Die eigentlichen Handlungsschwerpunkte wie Energieversorgung, Dämmen und Heizen, aber auch Ressourcenschonung und Abfallvermeidung, Mobilität, Naturschutz sowie die untrennbar damit verbundenen sozialen Aspekte folgen in späteren Abschnitten.

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Future Lab Party im SchwuZ
Future Lab Party im SchwuZ. Der Club gehört zu den Erstunterzeichnern des Code of Conduct.  
Foto:  Marcus Bläsing  /  clubliebe e.V.

„Mit den Maßnahmen möchten wir den Vertreter*innen der Clubszene konkrete Handlungsalternativen aufzeigen“, sagt Konstanze Meyer. „Verpflichtend ist die Einhaltung der gesetzten Ziele, die wir im ersten Teil des Codes ganz konkret benennen. Wie sie verfolgt und erreicht werden, kann jede*r für sich entscheiden, zumal ja auch nicht jede Maßnahme für jeden Club gleich gut geeignet ist.“ Am Anfang steht grundsätzlich eine Bestandsaufnahme, etwa die Prüfung der im Club eingesetzten technischen Geräte oder Leuchtmittel. Eine der Vorgaben etwa ist der Wechsel von konventioneller Energieversorgung auf Ökostrom bei einem entsprechend zertifizierten Stromanbieter. „Das ist in Zeiten der Energiekrise natürlich mit gewissen Problemen verbunden, an sich aber etwas, das sich für alle Clubs leicht umsetzten lässt“, sagt Meyer. Ebenfalls ein naheliegender Punkt ist die Energieeffizienz bei der Beleuchtung, aber auch bei der Kühlung von Getränken. Sofern nicht ohnehin schon geschehen, lassen sich stromfressende, schadstoffenthaltende Glüh- und Halogenlampen leicht durch deutlich sparsamere LEDs austauschen, Kühlgeräte, die nicht der derzeit höchsten Energieeffizienzklasse entsprechen, können optimiert oder – meist in Absprache mit den Getränkelieferant*innen – durch neue ersetzt werden. Welche oft versteckten Energiefallen hier lauern, ist den Clubbetreiber*innen oft gar nicht bewusst.

„Bei unseren individuellen Energieberatungen achten wir gerade auf gering­­investive Einsparpotentiale“, sagt Konstanze Meyer. Wenn man bedenkt, dass ein kleiner Club mit Platz für etwa 300 Personen an einem Wochenende ungefähr so viel CO2 verbraucht wie ein Single-Haushalt in einem Jahr, kann man sich schon vorstellen, dass sich hier einiges zusammenläppert. Gleiches gilt für die Abfälle, für die der Code of Conduct nach dem Leitbild eines Zero-Waste-Prinzips klare Vorgaben bei der Trennung und Vermeidung macht. Ein Thema ist auch der oft horrende Wasserverbrauch, der durch den Betrieb eines Clubs entsteht. Kein Wunder, dass bei geschätzt 200 bis 250 Locations dieser Art – und der Maßgabe, dass Berlin bis zum Jahr 2045 klimaneutral sein soll – die Stadt ein großes Interesse an einer nachhaltigen Clubszene hat, die nicht zuletzt zu ihren großen touristischen Aushängeschildern zählt. Noch bis Ende 2023 wird daher das Projekt Clubtopia von der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz mit rund 600.000 Euro gefördert. Unterstützung erhält es darüber hinaus von der LiveKomm, dem Verband der Musikspielstätten in Deutschland e.V.

Wie aber lassen sich die Clubbetreiber*innen für die im Code of Conduct festgeschriebenen Ziele begeistern? „Wir gehen persönlich auf die Clubs zu, viele der Betreiber*innen sitzen auch regelmäßig mit uns am Runden Tisch“, sagt Konstanze Meyer. Am Anfang stünden üblicherweise Gespräche und eine persönliche Beratung. Nach zwei Jahren Corona-Pandemie und angesichts der sich anbahnenden Energiekrise seien viele der Angesprochenen bei aller Begeisterung fürs Thema noch zurückhaltend, mit der Verpflichtung für mehr Nachhaltigkeit eine „neue Baustelle“ zu eröffnen. Abgesehen vom derzeit herrschenden Personalmangel, hätten viele auch die Befürchtung, an den gesetzten Erwartungen zu scheitern. Immerhin sieben Clubs in der Hauptstadt haben bisher den Code of Conduct unterschrieben; zu den Erstunterzeichnern gehört mit dem SchwuZ sogar einer der größten, bekanntesten und angesagtesten Anlaufstellen der Partyszene Berlins. Mehrere Kandidaten befinden sich jedoch bereits in der Warteschleife. Vielleicht können Beispiele aus anderen Städten einen Ruck bei der Entscheidungshilfe geben, denn mittlerweile hat der Code of Conduct auch außerhalb Berlins Anwendung gefunden, und zwar im Rahmen der Initiative „Zukunft feiern“, einem überregionalen Ableger von Clubtopia, der u.a. von der Initiative Musik gefördert wird. Neben Clubs in Köln haben Stand Ende 2022 allein in Hamburg 14 Veranstalter*innen die freiwillige Selbstverpflichtung für klima- und umweltschonendes Verhalten unterschrieben.

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Sticker der Initiative "Zukunft Feiern"
Die Initiative "Zukunft Feiern" zielt darauf ab, die Clublandschaft klimafreundlich und umweltschonend auszurichten.  
Foto:  Marcus Bläsing  /  clubliebe e.V.

Bei aller Zuversicht, die die bisherigen und absehbaren Neuzuwächse in der Code of Conduct-Family vermitteln, stellt sich Skeptiker*innen die Frage, wie sich die Ergebnisse einer solchen Verpflichtung zu mehr Nachhaltigkeit begleitet lassen, ohne dass die Initiator*innen wie eine Art Umweltpolizei in den Clubs auf Streife gehen müssen. Zudem, so Konstanze Meyer, wolle man die ernsthaften Bemühungen um Nachhaltigkeit nicht durch zu viel Druck konterkarieren, gerade nicht in Zeiten, die für Veranstaltende aus vielerlei Gründen nicht rosig sind. „Viele Clubs erstellen eine Ausgangsbilanz. So lässt sich am einfachsten nachvollziehen, welche Fortschritte durch die angewandten Maßnahmen im Laufe der Zeit erzielt werden.“ Wie die Ergebnisse ausgewertet und dokumentiert werden, etwa anhand von Verbrauchsaufstellungen für Energie, ist gleich, Hauptsache, sie lassen sich transparent und schlüssig nachvollziehen. „Mit den meisten Clubs stehen wir ohnehin einmal im Monat beim Runden Tisch im Austausch“, sagt Konstanze Meyer. Dabei wird natürlich auch viel über die Entwicklungen im Einzelnen gesprochen. Den Beteiligten ist darüber hinaus bewusst, dass selbst ein solider Maßnahmenpool, wie ihn der Code of Conduct enthält, nicht für alle Ewigkeit festgeschrieben ist, sondern stets neu evaluiert werden muss. „Darum ist es auch so wichtig, im Gespräch zu bleiben“, sagt Konstanze Meyer. Nicht zuletzt mit dem Publikum. Immer mehr Clubbesucher*innen legen Wert auf nachhaltiges Verhalten. Vielleicht demnächst auch bei der Wahl ihrer Ausgeh-Location.

Über den Autor

Stephan Schwarz-Peters arbeitet als freischaffender Journalist und Redakteur u. a. für das Tonhalle Magazin, die Philharmonie Köln sowie die Magazine Rondo und Oper!