„Musik und kulturelle Identität: Dieses Thema des XIII. Internationalen Kongresses der Gesellschaft für Musikforschung hat eine makabre Aktualität erhalten", sagt Kongressleiter Prof. Dr. Detlef Altenburg. „Durch den Brand in der Anna-Amalia-Bibliothek haben wir einen Teil unserer musikalischen Überlieferung und Identität, unseres kulturellen Gedächtnisses verloren", so der Direktor des gemeinsamen Instituts für Musikwissenschaft der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar und der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Denn die Musikaliensammlung der Anna Amalia, darunter fast 100 historische Opernpartituren, deren Bedeutung für Dichtung und Drama der Weimarer Klassik in einem gerade gestarteten Forschungsprojekt untersucht werden sollte, sind unwiederbringlich verloren", bedauert der Musikwissenschaftler.

Zur Eröffnung des Kongresses „Musik und kulturelle Identität“ am Donnerstag, 16. September, um 16:30 Uhr in der Weimarhalle durch den Thüringer Ministerpräsidenten Dieter Althaus ist eine Musikertruppe aus Namibia extra eingeflogen worden. Die Öffentlichkeit ist bei dieser Eröffnungsveranstaltung bei freiem Eintritt herzlich willkommen. „Die Jugendlichen nehmen in ihrer Heimat an einem Weiterbildungsprojekt für sozial Unterprivilegierte teil, in dem traditionelle Gesänge aufgearbeitet werden", berichtet Prof. Altenburg. Ihre Musik strahle eine unglaubliche Vitalität aus. Am Donnerstagabend geht es musikalisch gesehen dann zurück in die Heimat: Die Staatskapelle Weimar spielt beim Eröffnungskonzert des Kongresses um 20:00 Uhr in der Weimarhalle Werke von Jean Sibelius, Henri Duparc sowie die Komposition "Transit" von Michael Obst. Karten hierfür gibt es bei der Tourist Information Weimar unter Tel. 03643 – 745 745.

„Musik ist, ähnlich wie Sprache, ein wesentliches Element sowohl unserer individuellen als auch unserer kollektiven Identität", erläutert Altenburg den Leitgedanken des Kongresses. Der Frage nach ihrer Position im komplexen System Kultur, im zusammenwachsenden Europa und angesichts der Globalisierung werden die mehr als 600 Teilnehmer des Kongresses, der vom 16. bis 21. September in Weimar stattfindet, nachgehen. 380 Referenten, Musikwissenschaftler, Musiker, Musikpädagogen, Kulturwissenschaftler, Historiker, Literaturwissenschaftler, Philosophen, Politologen, Psychologen und Soziologen aus über 30 Ländern werden sich mit historischen, systematischen und aktuellen kulturpolitischen Aspekten auseinandersetzen.

Das Spektrum der Themen reicht von grundsätzlichen Fragestellungen wie Kontinuität und Wandel in der Musik bis zu konkreten Fragen der Mitteldeutschen Residenzkultur, Musik in multikulturellen Gesellschaften am Beispiel der USA, dem Starkult, dem Missbrauch der Musik in totalitären Staaten oder der Musik im Kalten Krieg. Auch heikle Themen wie die Instrumentalisierung der Musik in amerikanischen Fernsehsendungen zum Irak-Krieg werden nicht ausgespart.

„Das Schöne an unserer Wissenschaft ist, dass man Erkenntnisse nicht nur in Worte fassen, sondern direkt als Musik erfahrbar machen kann", sagt Prof. Altenburg. Die Konferenz bietet daher interessierten Bürgern mehrere einmalige Gelegenheiten, in die Musikkulturen anderer Länder hineinzuhören. Viele der Künstler sind extra zum Kongress eingeflogen worden. Für die erstmalige Wiederaufführung osmanischer Kunstmusik der Goethezeit nach über 170 Jahren (Samstag, 18.09., 20:00 Uhr, Festsaal Fürstenhaus) haben sich türkische und deutsche Wissenschaftler gemeinsam auf eine Entdeckungsreise durch Istanbuler Archive begeben, um das musikalische Repertoire und die Aufführungspraxis der Musik um 1830 zu erforschen.

„Das ursprüngliche Rahmenprogramm des Kongresses hat sich, auch durch die glückliche Kombination mit den Konzerten des Weimarer Kunstfestes ,pèlerinages’, zum Festival der Weltkulturen gemausert", begeistert sich Prof. Altenburg. So stellt der zeitgenössische japanische Komponist Junnosuke Yamamoto drei seiner Kompositionen vor, unter anderem ein Stück für buddhistischen Tempelgesang (am Montag, 20.09., 20:00 Uhr, Festsaal Fürstenhaus). Im anschließenden Podiumsgespräch wird er in seine Musik einführen. Auf dem Konzertprogramm stehen außerdem ein Benefizkonzert, das Professoren der Musikhochschule für die Sanierung der Bestände der Anna-Amalia-Bibliothek veranstalten, und ein Preisträgerkonzert („Jugend musiziert") des Musikgymnasiums Schloss Belvedere, mit dem sich die Weimarer Gastgeber den internationalen Gästen präsentieren.

Der musikalische Höhe- und Schlusspunkt des Kongresses entführt die Zuhörer ins China des 12. Jahrhunderts. Die hoch angesehene Bei Fang-Kunqu-Truppe präsentiert am Dienstag, 21.09. um 20:00 Uhr in der Weimarhalle vier traditionelle Kunqu-Opern. Diese Opern wurden kürzlich in die UNESCO-Liste der „Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit" aufgenommen.

Hinweis: Die Angaben zu den einzelnen Veranstaltungen entnehmen Sie bitte dem nachstehenden Programm.

Karten gibt es bei der Tourist Information Weimar unter Tel.: 03643 - 745 745.

Konzertprogramm „Musik und kulturelle Identität“ im Überblick

Donnerstag, 16. September 2004, Feierliche Eröffnung (16:30 Uhr, Weimarhalle. Eintritt frei)
Eröffnung durch den Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen, Dieter Althaus
Eröffnungsvortrag: Prof. Dr. Detlef Altenburg
Musik aus Namibia (Ondunga Kayec Cultural Group, Windhoek)

Donnerstag, 16. September 2004, Eröffnungskonzert (20:00 Uhr, Weimarhalle)
Transit (Michael Obst), 6 Orchesterlieder (Henri Duparc), 5. Symphonie Es-Dur op. 82 (Jean Sibelius)
Interpreten:
Staatskapelle Weimar, Peter Gülke (Leitung), Claudia Barainsky (Sopran)

Samstag, 18. September 2004, Osmanische Kunstmusik der Goethezeit (20:00 Uhr, Festsaal der HfM / Fürstenhaus)
Osmanische Kunstmusik aus Istanbuler Musikhandschriften der Goethe-Zeit
Interpreten:
Ensemble Ayangil, Ruhi Ayangil (Leitung)

Sonntag, 19. September 2004, Türkische Kaffeehaus-Musik (14:00 Uhr, „Divan", Brauhausgasse 10)
Traditionelle türkische Kaffeehaus-Musik der Gegenwart
Interpreten:
Ensemble Ayangil, Ruhi Ayangil (Leitung)

Sonntag, 19. September 2004, Professorenkonzert zugunsten der Anna-Amalia-Bibliothek (17:00 Uhr, Festsaal der HfM)
Sonate für Flöte und Klavier (Erwin Schulhoff), Sonate für Flöte, Viola und Harfe (Claude Debussy), Klavierquintett g-Moll op. 57 (Dimitri Schostakowitsch)
Interpreten:
Wally Hase (Flöte), Thomas Wellen / Bettina Born (Klavier), Elisabeth Anetseder (Harfe), Anne-Kathrin Lindig / Friedemann Eichhorn (Violine), Erich Krüger (Viola), Veronika Zucker (Violoncello)

Sonntag, 19. September 2004, Preisträgerkonzert des Musikgymnasiums Schloss Belvedere (20:00 Uhr, Festsaal des Musikgymnasiums Schloss Belvedere)

Montag, 20. September 2004, Neue Musik aus Japan - Komponistenportrait Junnosuke Yamamoto (20:00 Uhr, Festsaal der HfM)
Junnosuke Yamamoto: Absolute Musik für Klavier
Ondine für Sopran und Klavier
Zwei Stücke aus der Symphonie Gojunoto ("Die fünfstöckige Pagode"), Bearbeitung für Shômyô (buddh. Tempelgesang) und Klavier vierhändig
Podiumsgespräch "Traditionelle Musik, musikalische Identität und Kreativität": Hermann Gottschewski (Leitung und Übersetzung), Junnosuke Yamamoto, Eish Kawahara

Dienstag, 21. September 2004, Abschlussveranstaltung: Chinesische Kunqu-Oper (20:00 Uhr, Weimarhalle), 4 Kunqu-Opern-Einakter

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