Die Kulturverwaltung der Stadt Köln hat ein Krisenmanagement für den Umgang mit den beim Einsturz des Historischen Archivs verschütteten Kulturgütern installiert. Eine Leitstelle koordiniert alle notwendigen Schritte bei der Bergung und Sicherung der Dokumente. Sie organisiert auch den Einsatz der Mitarbeiter und Helfer. Hinzu kommt eine Arbeitsgruppe „Fachliche Betreuung und Beratung“, die sich aus Experten der Landschaftsverbände in Nordrhein-Westfalen, dem Landesarchiv und der Fachhochschule Köln zusammensetzt.

Die Gruppe koordiniert die zahlreichen Hilfsangebote aus dem In- und Ausland und entwirft langfristige Konzepte zur Zukunft der Archivalien. Derzeit liegen der Stadt Köln Angebote über 30 Kilometer Archivflächen aus dem gesamten Bundesgebiet vor. Aus organisatorischen Gründen haben Lagerstätten im Rheinland und in Nordrhein-Westfalen Vorrang. Die der Stadt Köln im Historischen Archiv des Erzbistums Köln zur Verfügung stehende Regalfläche ist bereits vollständig belegt. Die nächsten geborgenen Materialien gehen an das Bundesarchiv in Sankt Augustin, das Rheinische Archivamt in Pulheim-Brauweiler sowie die Landesarchive in Münster und Detmold.

Von dem früheren Bestand des Historischen Archivs auf 30 Kilometer Regallänge sind bisher drei Kilometer aus den Trümmern gerettet. Hinzu kommen ein Kilometer aus dem Keller unter dem nicht eingestürzten Verwaltungstrakt und drei Kilometer, die im Keller des gegenüber dem Archiv liegenden Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums lagerten. Archivdirektorin Dr. Bettina Schmidt-Czaia hofft, 50 bis 60 Prozent der früheren Bestände retten zu können.

Zu den bisher geborgenen Dokumenten zählen unter anderem:

- zwei Handschriften von Albertus Magnus
- vier Bücher des Kölner Ratsherrn Hermann von Weinsberg aus dem 16. Jahrhundert
- ein Teil der Ratsprotokolle und der Rechnungen der Stadt Köln aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit
- rund 50 überformatige Urkunden
- ein Teil der 550 Schreinsbücher (vergleichbar mit dem heutigen Grundbuch) vom 13. Jahrhundert bis 1794
- Bestandteile von Nachlässen, darunter auch einzelne Fotoalben

Wegen der zusätzlichen Aufgaben des Historischen Archivs nach dem Einsturz stockt die Stadt Köln das Personal um drei zusätzliche Restauratoren, drei Archivare und einen wissenschaftlichen Mitarbeiter auf. Außerdem versetzt sie drei städtische Mitarbeiter langfristig und acht bis zehn weitere kurzfristig ins Archiv.

Oberbürgermeister Fritz Schramma hat für die heutige Sitzung des Stadtrats eine Beschlussvorlage zum Neubau des Historischen Archivs eingebracht. Sie sieht eine europaweite Ausschreibung vor, um einen Investor für das Vorhaben zu finden, und soll auf Basis der bisherigen Planungen zu Flächenbedarf, Ausstattung und Standort in der Innenstadt erfolgen. Auch die Weiterentwicklung zu einem Bürgerarchiv hat das neue Gebäude zu ermöglichen.

Kulturdezernent Prof. Georg Quander sieht in der Investorenlösung Vorteile gegenüber einem Neubau durch die Stadt auf eigenem Grundstück. Nur so könne das Archivgebäude in fünf Jahren fertig gestellt sein. Außerdem hätten sich die bisher diskutierten Standorte als weniger geeignet erwiesen. Zunächst kann das Historische Archiv seinen Betrieb nur als Dienststelle ohne Publikumsverkehr aufnehmen. Allerdings ist an einen provisorischen und einen virtuellen Lesesaal gedacht, ebenso an eine Hotline für Nachfragen zu den geborgenen Beständen und ein jährliches Kolloquium.

Voraussichtlich in der vorletzten Juniwoche organisiert die Stadt Köln ein Experten-Hearing, das Ministerpräsident Jürgen Rüttgers eröffnet. Es soll sich mit der Überprüfung der Bauvorschriften, der aktiven und passiven Erhaltung der Archivbestände, der Notfallvorsorge, der Sicherung der Archivalien durch Verfilmung und Digitalisierung und gegebenenfalls mit der Novelle des Archivgesetzes NRW beschäftigen.