Emil Krippstädt bei Jugend musiziert 2024
Emil Krippstädt bei Jugend musiziert 2024  
Foto:  Olaf Fritsche
Fast schon Ehrensache, dass die Tuba 2024 als Solokategorie bei Jugend musiziert vertreten war. Wie sich die Teilnahme anfühlt, weiß Emil Krippstädt, der mit seiner F-Tuba erfolgreich das Bundesfinale absolviert hat.

Von Anfang an hatte Jugend musiziert die klassischen Orchesterinstrumente im Blick, denn 1964, im ersten Austragungsjahr, mangelte es den bundesdeutschen Philharmonikern, Sinfonikern und Co. erheblich an Nachwuchs. Nicht zuletzt diesem Problem verdankt der Wettbewerb seine heutige Vielfalt; vergrößert wurde sie später durch die Einbeziehung von Gesang, weiteren Instrumenten, Kammermusikbesetzungen und nichtklassischer Musik. Um dieser Bandbreite, zu der auch mehrere Sonderkategorien gehören, gerecht zu werden, musste das Wettbewerbsprogramm entzerrt werden: Anders als früher werden Solokategorien heute nur noch alle drei Jahre ausgeschrieben. Wer in der Zwischenzeit dennoch bei Jugend musiziert mitmachen möchte, hat im Kollektiv mit anderen die Möglichkeit dazu.

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Bundeswettbewerb Jugend musiziert 2024
Bundeswettbewerb Jugend musiziert 2024  
Foto:  Oliver Borchert

Tuba solo beim Bundeswettbewerb

Das wäre auch für Emil Krippstädt eine Möglichkeit gewesen, seine ersten Jugend-musiziert-Erfahrungen auf der Tuba als Ensemble-Spieler zu machen. Als sein Instrument 2024 wieder einmal in die Solowertung aufgenommen wurde, nutzte der junge Dresdner jedoch gleich die Chance, sein Können als Einzelkämpfer unter Beweis zu stellen. „Mein Lehrer vom Heinrich-Schütz-Konservatorium hatte mich gefragt, ob ich nicht Lust darauf hätte“, sagt Emil, „und ich fand es gut, weil man auf der Tuba nicht oft Gelegenheit hat, als Solist aufzutreten.“ Schon in der ersten Klasse hatte ihn das beeindruckende Blechblasinstrument fasziniert. Bis er groß genug war, es zu spielen, sollte es jedoch noch ein wenig dauern; der Weg führte vom „Schlauchhorn“ über das handliche Tenorhorn, mit dem der heute 16-Jährige bereits vor einigen Jahren an Jugend musiziert teilgenommen hat. „So wirklich kann ich mich daran aber nicht mehr erinnern.“ Das sollte 2024 anders sein, denn mit seiner Leistung im „Jahr der Tuba“ kann sich Emil Krippstädt mehr als sehen lassen: Er gehört zu den Auserwählten, die es zum Bundeswettbewerb in Lübeck geschafft haben. Am Ende holte er dort 23 Punkte und wurde mit einem Zweiten Preis ausgezeichnet.

Freude am Musizieren im Mittelpunkt

Klar, dass es bei einer Ausscheidung wie Jugend musiziert auch darum geht, Leistungen miteinander zu vergleichen. Spannung und Nervosität bleiben dabei nicht aus. Dennoch findet Alfred Holtmann, dass es hier wesentlich druckbefreiter zugeht als bei vielen anderen Veranstaltungen dieser Art. Als Instrumentallehrer an der Westfälischen Schule für Musik in Münster, wo er auch Fachbereichsleiter für Blechblasinstrumente ist, kennt er sich mit den Bedingungen des Wettbewerbs aus. Er selbst hat mehrfach Schüler:innen darauf vorbereitet und darüber hinaus auch in einigen Jugend-musiziert-Jurys gesessen. „Natürlich ist es wunderbar, wenn man sich für den Landeswettbewerb oder sogar für den Bundeswettbewerb qualifizieren kann“, sagt Holtmann, „aber noch wichtiger ist es für die meisten Teilnehmenden, herauszufinden, wo sie mit ihrem Instrument stehen und ein konkretes Ziel zu haben.“ Holtmann stellt daher auch den pädagogischen Aspekt in den Vordergrund. Motivation und das Gefühl, fair und wertschätzend behandelt worden zu sein, sollten seiner Meinung nach die Haupteindrücke sein, die die Jugendlichen vom Wettbewerb mit nach Hause nehmen. „Nicht nur als Lehrer, sondern auch als Jury-Mitglied sehe ich es als meine Aufgabe, den Teilnehmenden so gut es geht, den Stress zu nehmen und die Freude am Musizieren in den Mittelpunkt zu stellen.“

Kreativität bei der Stückauswahl

Locker und abgeklärt, wie er darüber spricht, glaubt man Emil Krippstädt aufs Wort, dass er im Vorfeld ziemlich unbefangen an die ganze Sache herangegangen ist. „Am aufgeregtesten war ich im Regionalwettbewerb“, erinnert er sich, „am entspanntesten im Bundeswettbewerb, als ich mir dachte: ‚Jetzt geht es um nichts mehr, jetzt will ich einfach nur noch meinen Spaß haben.‘“ Seine Beschäftigung mit der Tuba habe er zwar im Vorfeld intensiviert; da er aber ohnehin rund eine Stunde am Tag übe, sei das keine große Zusatzbelastung für ihn gewesen. Da Training eine und erfolgreiches Auftreten bei einem Wettbewerb eine andere Sache ist, mussten bei der Vorbereitung weitere Aspekte berücksichtigt werden. „Einige Leute in der Jury achten sehr auf technische Details, andere auf den Ausdruck, wieder andere auf den musikalischen Gesamteindruck – und schon deshalb, weil man nicht weiß, wie sich eine Jury zusammensetzt, würde es überhaupt nichts bringen, sich vor dem Wettbewerb nur auf bestimmte Details zu konzentrieren“, sagt Alfred Holtmann. „Zudem hat man es in jeder Runde mit anderen Menschen zu tun.“ Eine der wichtigsten Vorbereitungsmaßnahmen bestünde daher in der Auswahl der Stücke. „Hier würde ich meinen Schüler:innen immer raten: lieber einen Schwierigkeitsgrad weniger als sich mit etwas zu präsentieren, das man gerade so bewältigen kann – da bleibt dann meist die Spielfreude auf der Strecke, das kommt bei keiner Jury gut an, und man selbst tut sich auch keinen Gefallen.“

Die häufig beklagte Tatsache, dass es nur wenig Originalliteratur für Tuba gibt, kann bei der Repertoireauswahl von Vorteil sein. Während sich Teilnehmende in Fächern wie Klavier oder Geige häufig mit Literaturklassikern präsentieren und damit den Vergleich mit berühmten Interpretationen herausfordern, können Tubisten schon bei der Stückauswahl ihrer Individualität und Kreativität freien Lauf lassen. Für seine Wettbewerbsteilnahme hat sich Emil Krippstädt neben einem Satz aus dem Tubakonzert des zeitgenössischen Komponisten Edward Gregson für Arrangements entschieden, zwei Sätze aus einem Kontrabasskonzert des Mozart-Zeitgenossen Giuseppe Antonio Capuzzi und das Menuett II aus Bachs Cello-Suite Nr. 1 G-Dur BWV 1007. „Vor allem der Bach kam sehr gut an, und zwar bei allen drei Jurys“, erinnert sich Emil, „denn obwohl es für ein anderes Instrument geschrieben wurde, war es mit anscheinend gelungen, das Stück so klingen zu lassen, als wäre es im Original für Tuba.“ Ein gutes und hilfreiches Feedback – so wie es, betont Alfred Holtmann, auch sein soll. „Selbst in ‚schwierigen Fällen‘ ist es wichtig, den Teilnehmenden im Anschluss etwas Konstruktives mit auf den Weg zu geben“, sagt er – und das so konkret wir möglich. Blumige Ausschweifungen, Allgemeinplätze oder allzu schonungslose Kritik im Anschluss an ein Wettbewerbsvorspiel hält er für wenig hilfreich. „Lieber Hinweise geben, woran die Teilnehmenden noch arbeiten müssen, wo ihre technischen Schwächen sind, aber auch wo ihre Stärken liegen.“

Aufsteller des Bundeswettbewerbs von Jugend musiziert 2024 in Lübeck
Bundeswettbewerb Jugend musiziert 2024 in Lübeck  
Foto:  Oliver Borchert
Teilnehmende beim Bundeswettbewerb Jugend musiziert 2024
Teilnehmende beim Bundeswettbewerb Jugend musiziert 2024  
Foto:  Oliver Borchert
Tubist beim Bundeswettbewerb Jugend musiziert 2024
Tubist beim Bundeswettbewerb Jugend musiziert 2024  
Foto:  Oliver Borchert

Kleinste Gruppe bei den Blechblasinstrumenten

Hohe Kompetenz und das Bemühen um Objektivität darf man jeder Jury unterstellen. Andererseits sollte man die Beurteilungen auch nicht überbewerten und sich davon abhängig machen. Jede Jury muss sich erst finden und arbeitet tagelang intensiv zusammen, und aufgrund der hohen Gesamteilnehmerzahlen von bis zu 20.000 pro Jahr kann es sicherlich auch manchmal zu Situationen kommen, in denen etwas nicht so gut läuft. Im Fall der Tuba geht es freilich etwas übersichtlicher zu: Hier hatten 2024 69 Kinder und Jugendliche an den Regionalausscheidungen teilgenommen, von denen 42 in den Landes- und 22 in den Bundeswettbewerb weitergezogen sind. Dass sich diese Angaben von Jahrgang zu Jahrgang mal nach oben und mal nach unten verschieben, liegt neben der Zahl der Anmeldungen auch am musikalischen Niveau. So gab es etwa im Jahr 2015 mit 83 Teilnehmenden mehr Anmeldungen für den Regionalwettbewerb als in diesem Jahr; von ihnen wurden aber nur 39 in den Landeswettbewerb weitergeleitet. Vergleicht man die Werte von 2006 bis heute kommt man im Schnitt auf eine Anzahl von 20 bis 25 Bundesfinalist:innen. Nicht viel, vor allem im Vergleich zu den immerhin 76 Trompeten- (und Flügelhorn-) Spieler:innen, die es 2024 nach Lübeck geschafft haben. Dass die Tubist:innen bei den Fachbelegungen an deutschen Musikschulen die kleinste Gruppe unter den Blechbläser:innen bilden, zeichnet sich auch bei Jugend musiziert ab.

Noch ein weiterer Wert ist auffällig, wenngleich er sich nicht unbedingt mit dem allgemeinen Trend an den Musikschulen in Deutschland zu decken scheint. Während Musiklehrer:innen insgesamt eine deutliche Zunahme von Schülerinnen im Fach Tuba beobachten, liegt der Anteil weiblicher Finalisten beim Bundeswettbewerb 2024 bei gerade einmal rund 20 Prozent. Wie die allgemeine Entwicklung aussieht, lässt sich aus den Ergebnissen der vorangegangenen Jahrgänge nicht ablesen. Dem größten Ungleichgewicht im Jahr 2009, in dem 26 Jungen gerade einmal einem Mädchen beim Bundesfinale gegenüberstanden, steht das Jahr 2018 als Höhepunkt gegenüber – wenn man auch hier, bei einem Verhältnis 20 zu fünf, nicht unbedingt von einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis sprechen kann. Ob sich der Trend wendet, bleibt abzuwarten.

Für Emil Krippstädt jedenfalls hat sich die Teilnahme bei Jugend musiziert schon deshalb gelohnt, weil sie ihn nicht nur spiel-, sondern auch motivationstechnisch weitergebracht hat. Schon jetzt verbringt er mit Unterricht, Üben und als Mitglied sowohl im Jugendsinfonieorchester als auch im Blechbläserensemble seiner Dresdner Musikschule geraume Zeit in der Woche mit seinem Instrument. Hinzukommen die Projektphasen des Landesjugendorchesters Sachen, wo Emil ebenfalls als Tubist aktiv ist. Wenn er sich auch noch nicht zu 100 Prozent sicher ist, kann er sich dennoch eine berufliche Laufbahn als Musiker vorstellen. „Dann würde ich aber eher in die pädagogische Richtung gehen und Tubalehrer werden“, sagt Emil. Für ihn selbst vielleicht eine gute Gelegenheit, Jugend musiziert noch einmal aus einem ganz anderen Blickwinkel kennenzulernen. 

Über den Autor

Stephan Schwarz-Peters arbeitet als freischaffender Journalist und Redakteur u. a. für das Tonhalle Magazin, die Philharmonie Köln sowie die Magazine Rondo und Oper!