Der US-amerikanische Musikwissenschaftler und Telemann-Interpret Steven D. Zohn  
Foto:  Tatiana Daubek

Prof. Dr. Steven D. Zohn ist heute mit dem Georg-Philipp-Telemann-Preis ausgezeichnet worden. Damit ging der bedeutendste Musikpreis der Landeshauptstadt Magdeburg erstmals an einen US-amerikanischen Musikwissenschaftler und Telemann-Interpreten. Die Laudatio auf Steven D. Zohn hielt Prof. Dr. Wolfgang Hirschmann von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Im Rahmen der Feierlichkeiten bat Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper den frischgebackenen Preisträger auch, sich in das Goldene Buch der Landeshauptstadt einzutragen.

Mit dem Festakt und dem anschließenden Konzert des amerikanischen Ensembles „Tempesta di Mare“, bei dem Steven Zohn als Traversflötist mitwirkte, enden am heutigen Sonntag die 25. Magdeburger Telemann-Festtage mit mehr als 30 Konzertveranstaltungen und über 80-prozentiger Auslastung an verschiedenen Orten der Landeshauptstadt. „Endlich konnten die Magdeburger Telemann-Festtage wieder stattfinden! Nach der ‚Zeit der Stille‘ feierte das begeisterte Publikum Telemanns Musik in grandiosen und von Spielfreude geprägten Konzerten. Zutiefst bewegend waren auch Spontankonzerte einiger Ensembles vor ukrainischen Flüchtlingen“, resümiert Dr. Carsten Lange, der Leiter des Zentrums für Telemann-Pflege und -Forschung.

Die Jubiläums-Festtage präsentierten im 60. Jahr ihres Bestehens nicht nur eine besonders große Bandbreite Telemannischer Musik von exklusiven Solokonzerten bis hin zu opulent besetzten Werken, sondern auch eine Reihe großer Ensembles internationaler Herkunft. Erstmals gastierte mit dem Ensemble „Tempesta di Mare“ eines der führenden amerikanischen Barockensembles bei den Magdeburger Telemann-Festtagen. Mit Telemanns „Pimpinone”, der Produktion „Tafelmusik“ mit dem französischen Ensemble Amarillis sowie dem Hirtenspiel „Pastorelle en musique“ in einer Koproduktion der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, Musica Bayreuth, den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik sowie den Magdeburger Telemann-Testtagen, waren 2022 erstmals gleich zwei szenische und eine halbszenische Produktion innerhalb der Festtage zu erleben.
Georg-Philipp-Telemann-Preis an Prof. Dr. Steven D. Zohn

Die Landeshauptstadt Magdeburg zeichnet die besonderen Verdienste des amerikanischen Wissenschaftlers im Blick auf die Etablierung und Profilierung einer modernen Telemannforschung in den USA aus. In Vertretung des Schirmherren, Ministerpräsident Reiner Haseloff, würdigte Staatsminister Rainer Robra das diesjährige Festtage-Doppeljubiläum und die erstmalige Vergabe des Telemann-Preises an einen amerikanischen Musikwisssenschaftler.

Laudator Prof. Dr. Wolfgang Hirschmann schätzte Zohns „fulminante Werkkenntnis, die tatsächlich alle überlieferten Instrumentalwerke Telemanns umfasst, seine analytische Präzision und Genauigkeit bis ins letzte Detail hinein, seine ausgezeichneten Deutschkenntnisse, denen für die angloamerikanische Telemannforschung immens hilfreiche Übersetzungen ins Englische zu danken sind." All dies präge bis heute sein wissenschaftliches Oeuvre. „Zusammen mit Jeanne Swack gehört Steven Zohn zu denjenigen Forscherpersönlichkeiten, die eine amerikanische Telemannforschung recht eigentlich begründet haben. Und dies geschah stets in regem Austausch mit der Telemannforschung in Deutschland und mit größter Selbstverständlichkeit auch dem Zentrum für Telemann-Pflege und -Forschung in Magdeburg“, heißt es weiter in der Laudatio.

In seiner Rede würdigte Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper die Verdienste Prof. Zohns und dankte ihm für die enge und nahezu 30-jährige Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen im Telemann-Zentrum Magdeburg: „Sie haben mit zur Vernetzung der hiesigen Telemann-Forschung in die USA beigetragen und unter anderem dabei geholfen, Handschriften aus dem 18. Jahrhundert mit Telemannbezug, die auf dem amerikanischen Markt angeboten werden, für die Bibliothek des Telemann-Zentrums zu sichern. Darüber hinaus haben Sie – gemeinsam mit Prof. Hirschmann – das hiesige Telemann-Zentrum in die erste US-amerikanische Telemann-Konferenz 2017 als Partner einbezogen.“ Für dieses herausragende und von Miteinander und Vermittlung getragene Engagement wurde Prof. Zohn auch die Ehre zuteil, sich nach der Übergabe des Preises in das Goldene Buch der Landeshauptstadt einzutragen.

Magdeburg ist der Telemann-Preisträger 2022 seit vielen Jahren als aktiver Teilnehmer der internationalen wissenschaftlichen Konferenzen, Mitglied des Editionsbeirates und Bandherausgeber innerhalb der Telemann-Ausgabe sowie als Präsidiumsmitglied der Internationalen Telemann-Gesellschaft verbunden. Über die theoretische Auseinandersetzung mit Telemanns Werk hinaus ist Prof. Zohn als Traversflötist auch Interpret und verlieh einigen Telemann-Werken mit seinen Ersteinspielungen neues Leben.

Biographisches zum Preisträger

Steven Zohn wurde 1966 in Boston (Massachusetts) geboren, besuchte das Vassar College (New York) und studierte Musikwissenschaft an der Cornell University (ebenfalls New York), wo er 1995 nach einem vom Deutschen Akademischen Austauschdienst geförderten mehrmonatigen Aufenthalt in Deutschland mit einer Dissertation über The Ensemble Sonatas of Georg Philipp Telemann: Studies in Style, Genre, and Chronology promoviert wurde. Seit 1997 lehrt er an der Temple University in Philadelphia (Pennsylvania) und erhielt dort 2012 die “Laura H. Carnell“-Professur für Musikwissenschaft.

Prof. Dr. Steven D. Zohn ist Gremienmitglied zahlreicher Gesellschaften, u.a. der American Musicological Society, der American Bach Society und der American Handel Society. Er war Präsident der Society for Eighteenth Century Music (2005-2007), des Präsidiums der Internationalen Telemann-Gesellschaft (2014-2021) und Mitherausgeber der Zeitschrift “Eighteenth-Century Music“. Er ist seit 2003 Mitglied im Editionsbeirat der Reihe „Georg Philipp Telemann: Musikalische Werke“ (Telemann-Auswahlausgabe) und gegenwärtig auch Chefredakteur der American Bach Society.

Zohns Schriften über Telemann sind in führenden Fachzeitschriften und Lexika erschienen; als Herausgeber edierte er je einen Band mit Triosonaten und weltliche Kantaten aus Telemanns Feder. Zohns Buch Music for a Mixed Taste: Style, Genre, and Meaning in Telemann's Instrumental Works (2008) wurde mit dem William H. Scheide Prize der American Bach Society ausgezeichnet. Er ist Autor der Publikation The Telemann Compendium (2020), des ersten Handbuches über den Komponisten, und Mitherausgeber der Telemann Studies (erscheint 2022), des Konferenzberichtes der ersten amerikanischen Telemannkonferenz 2017 mit Essays von sechzehn amerikanischen und deutschen Wissenschaftler*innen.

Zu Zohns CD-Einspielungen zählen mehrere weltweite Ersteinspielungen von Telemanns Instrumental- und Vokalwerken. Seine CD mit frühen Telemann-Triosonaten wurde von der American Musicological Society mit dem Noah Greenberg Award ausgezeichnet.

Hintergrund zur Preisverleihung

Die Landeshauptstadt Magdeburg würdigt seit 1987 jährlich hervorragende Leistungen im Hinblick auf Interpretation, Pflege und Erforschung von Telemanns Leben und Werk mit dem Georg-Philipp-Telemann-Preis. Er besteht aus einer Bronzeplakette, einer Urkunde und einer Dotation in Höhe von 2.500 Euro.

Zu den bisher mit dem Preis Geehrten zählen Ludwig Güttler, Martin Ruhnke, Wolf Hobohm, Nikolaus Harnoncourt, René Jacobs, Klaus Mertens, Dorothee Oberlinger, der Bärenreiter-Verlag, der Carus-Verlag, Burkhard Schmilgun sowie das CD-Label cpo (Georgsmarienhütte) und Thomaskantor Gotthold Schwarz. 2021 wurde Elizabeth Wallfisch (Großbritannien) mit dem Georg-Philipp-Telemann-Preis ausgezeichnet.

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