Die Trossinger Hochschule pflegt regen Austausch mit Studenten der Westküste der USA. So liegt es bei der Planung einer "Woche für Neue (Kammer)-Musik" nahe, folgende Frage zu stellen: Welches aktuelle Verständnis von Neuer Musik ist bei unseren Partnern zu erkennen, welche musikalischen Beziehungen bestehen zur "Alten Welt"?

In einer intensiven Arbeitsphase erarbeiten Dozenten und Studierende gemeinsam paradigmatische Kompositionen dieser Beziehung und präsentieren die Ergebnisse in außergewöhnlichen und faszinierenden Konzerten.

Die Werke und die Ästhetiken von John Cage (1912-1992), George Crumb (geb. 1929) und Steve Reich (geb. 1936) sind inzwischen unverzichtbare Bestandteile unserer Konzertprogramme geworden - und nicht nur für Insider. Nicht zu vergessen auch Leonard Bernsteins (1918-1990) erfolgreiche Einflussnahme und ganz zu schweigen vom ungeheuren Einfluss Igor Stravinskys (1882-1971), dem russischen Amerikaner, und dem Einfluss Arnold Schönbergs (1874-1951), der die satztechnischen Erneuerungen der "Zweiten Wiener Schule" im amerikanischen Exil vollendet hat.
Es ist verlockend, aber unvorsichtig, die Spuren des unterschiedlichen Musik-Denkens beider "Ur- Europäer" auch heute in zwei sehr verschiedenen Haupt-Richtungen der Neuen Musik in den Staaten wieder zu finden. Klangdefiniton gegen Motorik wäre dann eine, allerdings zu einfache Formel. Der "Kreativ-Trainer" und zeitweilige Schönberg-Schüler John Cage schuf über europäische Reflexionen letztlich den Boden für eine eigenständige Avantgarde, die aus weiteren Quellen spezifisch amerikanischer Welt-Musik-Offenheit gespeist sind. In der hauptsächlich von Steve Reich und Terry Riley (geb. 1935) entwickelten "Minimal Music" sind schließlich ein ganz eigenständiger Musikstil und geradezu ein musikalisches Lebensgefühl entstanden, die immer wieder als spezifisch amerikanisch bezeichnet worden sind. Ein großartiger später Reflex auf die strenge kontrapunktische Satztechnik der Schönberg-Schule ist im Werk des 1908 geborenen Elliott Carter zu sehen, der als junger Komponist wiederum von einem weiteren jüdischen Emigranten aus Berlin stark gefördert worden: Stefan Wolpe (1902-1972), längst als "amerikanischer" Komponist angesehen, wird in Europa in diesen Jahren erst mühsam wieder entdeckt. Dass die Komponisten der fernen Westküste in der nahen Welt der europäischen Neuen Musik-Szene Anerkennung finden, zeigt die Siemens-Preis-Verleihung vom Februar 2003 an Chaya Czernowin (geb. 1957), die mit zwei Kompositionen beim Abschlusskonzert vertreten sein wird.
Die Konzerte der Woche für Neue Kammermusik bieten mit ihrem breiten Spektrum künstlerischen Ausdrucks die einmalige Möglichkeit, nicht nur einen Einblick in die Arbeit junger Künstler mit Neuer Musik zu erhalten sondern diese auch hautnah mit zu erleben.

Dienstag, 22. ; Samstag, 26. April 2003
Staatliche Hochschule für Musik Trossingen
Künstlerische Leitung: Florian Hoelscher, Prof. Manfred Schreier, Prof. Franz Lang

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