Welche Werke aus ganz Europa am Weimarer Hof bekannt waren und von der Hofkapelle auch aufgeführt wurden, blieb lange Zeit im Dunkeln. Dabei gab es am Hofe eine höchst bemerkenswerte Sammlung von mehr als 1.000 Sinfonien, Ouvertüren, Konzerten und Streichquartetten: Gestern Abend wurde im Thüringer Hauptstaatsarchiv in Weimar die neu erschienene Faksimile-Edition des „Weimarer Katalogs über Noten für Instrumentalmusik um 1775“ von Dr. Cornelia Brockmann (Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar) präsentiert, mit der es gelungen ist, das umfangreiche Instrumentalmusikrepertoire der Weimarer Hofkapelle der Goethezeit vollständig zu erschließen.

Damit konnte die in der Musikwissenschaft verbreitete Auffassung widerlegt werden, die Protagonisten der Weimarer Klassik hätten nur rudimentäre Kenntnis von der modernen Instrumentalmusik ihrer Zeit gehabt. Der Katalog schafft nun die Voraussetzung, viele der in der Wissenschaft immer wieder aufgeworfenen Fragen nach dem musikalischen Erfahrungshintergrund des Weimarer Kreises auf gesicherter Grundlage zu beantworten, wie z.B.: In welchen Streichquartetten meinte Goethe „vier vernünftige Leute“ zu hören, die sich miteinander unterhalten? An welchen Werken der „Musik der Neuern“ kritisierte Schiller ein Übermaß an Sinnlichkeit? Welche Musik zählte für Herder zur Kategorie des „Erhabenen“? Neben dem Faksimile und einer kommentierten Übertragung des handschriftlichen Katalogs enthält der Band eine ausführliche Einführung in die Bedeutung dieses Dokuments.

Zusätzlich zum Aufführungsmaterial des Weimarer Hoftheaters und der Musikaliensammlung Anna Amalias ist dieser Katalog die dritte wichtige Säule zur Rekonstruktion des Weimarer Musiklebens vor der Ära Liszt. Damit ist erstmals eine wirklich umfassende Gesamtschau auf die Weimarer Musik- und Theaterlandschaft im Zeitraum von ca. 1775 bis 1835 möglich, die nicht nur von musikwissenschaftlichem Interesse ist, sondern auch im Hinblick auf die Literatur und Ästhetik der Zeit neue Perspektiven eröffnet und letztlich unser Bild der Weimarer Klassik als primär literarisches Phänomen modifiziert.

Nach dem Schlossbrand im Jahre 1774 wurde in Weimar unter Anna Amalia und Carl August zielstrebig mit dem Neuankauf von Musikalien begonnen. Es entstand von ca. 1775 bis 1835 eine höchst bemerkenswerte Sammlung von mehr als 1.000 Sinfonien, Ouvertüren, Konzerten und Streichquartetten, die sich am aktuellen Repertoire der Zeit orientierte. Die Bestände wurden in einem Katalog erfasst, der im Rahmen des von Prof. Dr. Detlef Altenburg geleiteten Teilprojektes „Musik und Theater“ des Sonderforschungsbereichs 482 Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800 entdeckt, von Dr. Cornelia Brockmann wissenschaftlich erschlossen und so für die Nachwelt rekonstruiert wurde. Dieser Sonderforschungsbereich ist am gemeinsamen Institut für Musikwissenschaft Weimar-Jena der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar und der Universität Jena angesiedelt.

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