1. Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zur Prüfung weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarfs im Bereich des Urheberrechts

Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, begrüßt, dass das Bundesministerium der Justiz noch vor dem Ende der 16. Legislaturperiode den gesetzgeberischen Handlungsbedarf im Bereich des Urheberrechts für die nächste Legislaturperiode prüft. Dieses ist vor allem mit Blick auf die raschen Entwicklungen in Folge der Digitalisierung erforderlich. Weiter wurden zwischenzeitlich mit den im „Zweiten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ getroffenen Regelungen Erfahrungen gesammelt, in deren Lichte die im Gesetzgebungsverfahren formulierten Prüfbitten erneut bewertet werden können.

Der Deutsche Kulturrat unterstreicht mit dieser Stellungnahme seine in vorherigen Stellungnahmen bereits formulierte Überzeugung, dass für den Kulturbereich der Schutz des geistigen Eigentums unerlässlich ist, da künstlerische Werke der eigentliche Rohstoff des kulturellen Lebens sind. Ohne Texte, Bilder, Noten gäbe es kein kulturelles Leben. Das Urheber- und Leistungsschutzrecht ermöglicht den Urhebern und ausübenden Künstlern einen ökonomischen Ertrag aus der Verwertung und Nutzung ihrer Werke.

Die Digitalisierung macht das Urheber- und Leistungsschutzrecht keineswegs überflüssig. Im Gegenteil, eine Gesellschaft, die einen wachsenden Teil der Wertschöpfung aus kulturellen und kreativen Produkten und Dienstleistungen gewinnt, ist auf ein funktionierendes Urheberrecht dringend angewiesen. Zugleich ist der Zugang der Gesellschaft zu Kunst und Kultur sicherzustellen.

Der Deutsche Kulturrat nimmt im Folgenden zu ausgewählten Prüfbitten Stellung. Er nimmt dabei Bezug auf seine Stellungnahmen zu den Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der EU-Inforichtlinie, seine Stellungnahme zu den Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ sowie seine Stellungnahme zum EU-Grünbuch „Urheberrecht in der wissensbestimmten Wirtschaft“.

A. Prüfbitten des Deutschen Bundestags

I. Begrenzung der Privatkopie auf Kopien nur vom Original und des Verbots der Herstellung einer Kopie durch Dritte (§ 53 UrhG)

Der Deutsche Kulturrat sieht gerade auch im Lichte internationaler Entwicklungen, wie beispielsweise Google-Books, das Erfordernis, die Rechte der Urheber zu stärken und vor allem durchzusetzen. Die Privatkopie entwickelt sich zunehmend von ihrer ursprünglichen Intention weg und wird in einem großen Umfang genutzt, um den Kauf von urheberrechtlich geschützten Werken zu vermeiden. Dadurch entstehen gerade der Kulturwirtschaft erhebliche wirtschaftliche Einbußen, die letztlich das ohnehin geringe Einkommen der Künstler schmälern.

Eine Begrenzung der Zulässigkeit der Privatkopie darf nicht dazu führen, dass die ohnehin zu geringe Vergütung nach § 54a UrhG noch weiter abgesenkt wird.

II. Gesetzliches Verbot sogenannten intelligenter Aufnahmesoftware, mit der gezielt Musiktitel automatisiert aus dem Webradio-Angebot herausgefiltert und aufgenommen werden können (§ 53 UrhG)

Der Deutsche Kulturrat sieht das Problem einer Durchsetzung des Verbots intelligenter Aufnahmesoftware, zumal diese auch von ausländischen Providern aus gestartet werden können. Der Deutsche Kulturrat fordert daher die Bundesregierung auf, auf europäischer und internationaler Ebene für eine Stärkung des Urheberrechts und vor allem seiner Durchsetzung mit Nachdruck einzutreten. In diesem Kontext soll das Problem der intelligenten Aufnahmesoftware angegangen werden.

Wir weisen daraufhin, dass sich das Problem der intelligenten Aufnahmesoftware nicht allein für den Musikbereich stellt, sondern vielmehr der audiovisuelle Bereich in zunehmendem Maße betroffen ist.

III. Zweitverwertungsrecht für Urheber von wissenschaftlichen Beiträgen, die überwiegend im Rahmen einer mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden sind (§ 38 UrhG)

Der Deutsche Kulturrat sieht hier keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Es steht den Wissenschaftlern frei, statt in einem Verlag zu publizieren, Forschungsergebnisse kostenfrei online zugänglich zu machen. Ebenfalls können Wissenschaftler mit Verlagen entsprechend verhandeln, wann sie ihre Arbeiten zusätzlich zur Verlagsveröffentlichung (online und/oder Print) kostenfrei online zugänglich machen. In der Praxis gibt es bereits bewährte Modelle, wie zusätzlich zur Verlagsveröffentlichung wissenschaftliche Forschungsergebnisse durch die Wissenschaftler kostenfrei zugänglich gemacht werden können.

IV. Überprüfung der bestehenden Regelungen der Kabelweitersendung (§ 20b UrhG)

Der Deutsche Kulturrat sieht das Erfordernis einer technologieneutralen Gestaltung der bestehenden Regelungen der Kabelweitersendung. In jedem Fall muss eine angemessene Vergütung der Urheber- und Leistungsschutzberechtigten erfolgen.

B. Prüfbitten des Bundesrats

I. Wie kann den Besonderheiten von Open Access- und Open Source-Verwertungsmodellen Rechnung getragen werden?

In der Praxis gibt es zahlreiche Modelle von Open Access- und Open Source-Verwertungsmodellen. Der Deutsche Kulturrat sieht daher keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf.

II. Wiedergabe von Werken an elektronischen Leseplätzen in öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven (§ 52 b UrhG)

In seiner Stellungnahme „Kritik der Experten ernst nehmen! – Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zur Anhörung von Sachverständigen durch den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags zum Regierungsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ vom 07.12.2006 hat der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass im Sinne der weiteren Entwicklung der Wissensgesellschaft und der möglichst breiten Zugänglichmachung von Informationen gesetzliche Regelungen zu On-the-spot-consultation und dem Kopienversand auf Bestellung vorgeschlagen wurden. Der Deutsche Kulturrat hat unterstrichen, dass er die vorgeschlagenen Regelungen für nicht optimal hält.

Der Deutsche Kulturrat hat ausdrücklich den vom Börsenverein des deutschen Buchhandels und Deutschem Bibliotheksverband gemeinsamen Vorschlag zu § 52b UrhG unterstützt, da dieser Vorschlag einen Kompromiss der beiden hauptsächlich betroffenen Beteiligten widerspiegelt. Der Deutsche Kulturrat unterstreicht seine damalige Forderung, dass sich die Politik diesen Vorschlag zu eigen machen sollte. Ebenso betont der Deutsche Kulturrat nochmals seine Forderung, dass die Urheber bei Nutzungen von On-the-spot-consultation angemessen beteiligt werden sollten.

III. Keine Begrenzung des elektronischen Kopienversands durch Bibliotheken

Mit Blick auf die zwischenzeitlich zwischen den Beteiligten geschlossenen Verträge besteht aus Sicht des Deutschen Kulturrates kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf.

C. Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“

§ 59 UrhG – Vergütungspflicht für die Abbildung von Werken im öffentlichen Raum

Der Deutsche Kulturrat hat in den letzten Jahren wiederholt die Forderung nach einer Vergütungspflicht für kommerzielle gewerbliche Nutzung von Abbildungen von Kunstwerken im öffentlichen Raum erhoben. Dabei ist für den Deutschen Kulturrat selbstverständlich, dass wie bei Kunstwerken in geschlossenen Räumen eine Vergütungspflicht im Zusammenhang mit der journalistischen Berichterstattung ebenso wenig entsteht wie wenn es sich bei den Kunstwerken um unwesentliches Beiwerk handelt. Die Vergütung kann aus Sicht des Deutschen Kulturrates nur über eine Verwertungsgesellschaft erfolgen. Der Deutsche Kulturrat hat daher in seiner Stellungnahme „Kultur-Enquete: Starkes Urheberrecht ist für den Kulturbereich unerlässlich!“ begrüßt, dass die Enquete-Kommission seine bereits seit einiger Zeit vorgetragene Forderung aufgenommen und dem Deutschen Bundestag eine entsprechende Gesetzesänderung empfohlen hat. In der genannten Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zu den urheberrechtlichen Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission hat der Deutsche Kulturrat die kurzfristige Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode gefordert. Der Deutsche Kulturrat unterstreicht, dass in der nächsten Legislaturperiode unter Wahrung der Interessen der journalistischen Berichterstattung und der Ablichtung als unwesentliches Beiwerk in audiovisuellen Werken diese Empfehlung dringend umgesetzt werden sollte.

Darüber hinaus hat der Deutsche Kulturrat bereits in seiner Stellungnahme vom 07.02.2006 zum „Zweiten Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ bedauert, dass keine Gesetzesänderungen zur Verbesserung der Position Bildender Künstler vorgeschlagen wurden. Im Vergleich zu Urhebern anderer künstlerischer Sparten besteht eine strukturelle Benachteiligung Bildender Künstler, deren Werke ebenso wie die Werke musikalischer Autoren überall zugänglich gemacht werden, ohne allerdings hierfür Vergütungen zu erhalten. Der Deutsche Kulturrat hat bereits seinerzeit die Bundesregierung aufgefordert, diese strukturelle Benachteiligung zu beseitigen. Mit dieser Stellungnahme bekräftigt der Deutsche Kulturrat seiner Forderung.

II. Veröffentlichung von Gegenseitigkeitsverträgen der Verwertungsgesellschaften

Der Deutsche Kulturrat unterstreicht seine Aussage, dass Transparenz und Effizienz bei der kollektiven Rechtewahrnehmung unverzichtbar sind.

IV. Hinterlegungspflicht bei gesetzlichen Vergütungsansprüchen

In seiner Stellungnahme „Kultur-Enquete: Starkes Urheberrecht ist für den Kulturbereich unerlässlich!“ hat der Deutsche Kulturrat die Forderung nach einer Ausdehnung der Hinterlegungspflicht von § 11 Abs. 2 UrhWG auf Tarifstreitigkeiten bezüglich gesetzlicher Vergütungsansprüche mit Nachdruck unterstützt. Diese Forderung bekräftigt der Deutsche Kulturrat hiermit.

D. Prüfbitte der Europäischen Kommission

Regelung des Umgangs mit „verwaisten Werken“ („Orphan Works“)

In seiner Stellungnahme zum EU-Grünbuch „Urheberrechte in der wissenbestimmten Wirtschaft“ (KOM (2008) 466/3) hat der Deutsche Kulturrat unterstrichen, dass die Nutzung verwaister Werke für Wissenschaft und Forschung teilweise ein erhebliches urheberrechtliches Problem darstellt. Das Gleiche gilt allerdings auch für vergriffene Werke. Der Deutsche Kulturrat hat gefordert, dass die inzwischen in der Praxis mit Hilfe von Verwertungsgesellschaften entwickelten Verfahrensweisen durch entsprechende gesetzliche Bestimmungen abgesichert werden sollten (vgl. Initiative 2010 im Zusammenhang mit der Europäischen Digitalen Bibliothek). Eine Richtlinie sollte den nationalen Gesetzgebern entsprechende – zwingende – Vorgaben machen, um die Wiederzugänglichmachung dieser Werke durch Wissenschaft und Forschung, aber auch für private Anbieter zu erleichtern. Der Deutsche Kulturrat bekräftigt diese Forderung.

E. Sonstige Fragen

I. Elektronischer Bundesanzeiger
Der Deutsche Kulturrat würde begrüßen, wenn sich die Veröffentlichungspflicht für Verwertungsgesellschaften nach §§ 5, 9, 13 UrhWG auf den elektronischen Bundesanzeiger beziehen würde.

Übergangsregelung § 27 UrhWG
Im Zuge der Verabschiedung des „Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ wurde in § 27 UrhWG eine Übergangsregelung für den neu gefassten § 54a UrhG getroffen. Diese Übergangsregelung soll gewährleisten, dass so lange noch keine neuen Vergütungsvereinbarungen nach § 54a UrhG getroffen wurden, zumindest die alten gesetzlichen Vergütungssätze fortgelten. Diese Übergangsregelung läuft in Kürze aus, ohne dass in wichtigen Bereichen neue Vergütungssätze vereinbart werden konnten. Der Deutsche Kulturrat fordert daher mit Nachdruck die Bundesregierung auf, die bestehende Übergangsregelung zu verlängern, um zu verhindern, dass Urhebern und anderen Rechteinhabern ein beträchtlicher ökonomischer Verlust entsteht.

2. Zukunftswillen

Editorial von Olaf Zimmermann aus politik und kultur Juli/August 2009

Das Internet wird die Lebensader der Kulturmärkte werden. Der Musikfile wird den Massenmarkt der Musik-CDs ersetzen, das E-Book wird den Massenmarkt des gedruckten Buches ersetzen, Filme werden im Massenmarkt on-demand empfangen werden und Computerspiele werden im Massenmarkt als Browser-Games oder ähnliches geladen. Das gedruckte schöne Buch, die CD und die nostalgisch knisternde Schallplatte, die Film-CD und vieles andere Ausgefallene mehr wird es auch weiterhin für die Liebhaber im Internet oder in kleinen Spezialgeschäften zu kaufen geben.

Die Masse der Nutzer aber wird ihre Kultur online als immer verfügbare digitale Konserve oder aber als Lifeact erleben wollen. Die Trennung der Hardware, hier Fernseher, dort Computer, hier Stereoanlage, dort Spielkonsole wird verschwinden. Mein Handy kann schon jetzt mehr als alle meine heimischen Unterhaltungsgeräte zusammen.

Die Kulturindustrie wird den Kulturnutzern auf diesem Weg folgen oder untergehen. Natürlich ist es richtig, die alten Strukturen so lange ökonomisch zu nutzen wie es geht. Nach dem Ende der Schallplatte kam der Siegeszug der CD. Das Geld fiel einige Zeit fast wie vom Himmel. Jetzt verschwindet die CD und Musik wird bald fast nur noch online gehandelt werden. Schade um die Schallplattenläden, die schon vor Jahren gestorben sind und schade um die CD-Läden die gerade sterben. Viele Buchhandlungen werden zu Grunde gehen! Werden auch die Musikunternehmen und die Verlage sterben?

Die Künstler werden überleben und sie werden autonomer. Wer konnte schon eine eigene Schallplatte produzieren und distribuieren? Bei der CD ist die Kleinauflage selbst am heimischen PC brennbar. Und immer öfter wird das Internet Produktionsstelle, Werbeplattform und Handelsort. Die Musikunternehmen und die Verlage werden ihre Geschäftsaktivitäten erweitern. Künstler- und Kundenbetreuung, PR und Marketing, Produktentwicklung, Entwicklung des Onlinemarkts, des Hardwaremarktes und des Lifemarkts und der Rechtehandel werden einige der Aufgabenfelder sein.

Ob in dieser neuen Zeit die Künstler und die Kulturwirtschaft ihr dauerhaftes Auskommen haben werden, wird zu einem großen Teil auch an der Entwicklung eines zeitgemäßen Urheberrechtes liegen. Unser Urheberrecht ist ein Recht der Vor-Internet-Ära, jetzt in der Zeit des Übergangs zeigen sich schon deutlich seine Schwächen, wenn es um die Rechtewahrung im Internet geht. In der Zukunft wird das Urheberrecht in seiner jetzigen Verfassung keine ausreichende Antwort auf die Anforderungen der digitalen Kulturverwertung geben. Seit der Jahrtausendwende wird das Urheberrecht mehr oder weniger erfolgreich für die neue Zeit hingebogen. Korb I und Korb II waren solche eher kosmetischen, zum größten Teil von der Europäischen Kommission erzwungenen, Anpassungen. Das Urhebervertragsrecht war eine mindestens zwanzig Jahre zu spät kommende Reform, die in ihrer Kleinmütigkeit letztlich vollständig gescheitert ist. Der für die nächste Legislaturperiode langsam Gestalt annehmende Korb III verspricht nicht mehr Zukunftswillen.

Um die wirtschaftliche Zukunft gestalten zu können, brauchen die Künstler und die Kulturwirtschaft aber mehr urheberrechtliche Visionen. Das Urheberrecht steht vor einer tiefer greifenden Reform, das mögen die alten Kämpen bedauern und einige auch fürchten. Die große Reform des Urheberrechtes wird aber trotzdem kommen, weil ohne sie die Kulturmärkte nicht überleben werden.

Der Verfasser ist Herausgeber von politik und kultur, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates.

3. Schwerpunkt Digitalisierung in politik und kultur Juli/August 2009

1. Google-Settlement-Update
Von Robert Staats

2. Der Patentpool als Ausweg
Von Oliver Moldenhauer

3. Open Access – Die digitale Chancenutzen
Von Christoph Bruch

4. E-Publishing und Wissenschaftsverlage
Von Sabine Cofalla

Nachzulesen unter: http://www.kulturrat.de/puk/puk04-09.pdf (Seite 10 - 14)

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