Wettbewerbe waren gestern, was die Klassik-Branche heutzutage braucht, ist Mut zu Utopie. Diesen Mut würdigt die international agierende Kultur- und Bildungsinitiative TONALi aus Hamburg deshalb mit einem besonderen Preis für musikalisch-gesellschaftliche Innovationen und Visionen, die der Klassik neue Wege aufzeigen. Dieses Jahr wird der mit 25.000 Euro dotierte TONALi Award bei der Abschlussveranstaltung des TONALi FORUMS am 11. Juni im großen Saal der Elbphilharmonie an das Berliner Trickster Orchestra verliehen.

Was das Trickster Orchestra für Musik spielt? Keine einfache Frage. Ihre Musik kann kaum gelabelt werden. Der Improvisationsmusik stehen sie nahe – manchmal. Sie sind ein Ensemble, das seine Gestalt wechselt und das an festgelegten Kategorien rüttelt. So wie ihre mythologischen Namensgeber: die Trickster. Die insgesamt 50 Musiker*innen mit unterschiedlichsten Hintergründen spielen traditionelle europäische, west-, zentral- und ostasiatische Instrumente und nutzen die Möglichkeiten der Elektronik – aus diesem Konglomerat, aus diesem Werkzeugkasten entwickeln sie ein Amalgam, eine eigene Klangsprache jenseits von exotischen Klischees. Das Trickster Orchestra löst damit Grenzen auf. Und dafür werden sie nun ausgezeichnet.

Absätze
"Die Musiker*innen bilden eine Utopie gesellschaftlichen Zusammenlebens ab, das seine Kraft aus der Vielstimmigkeit und Multiperspektivität schöpft."
Autor
Amadeus Templeton, Co-Gründer der Hamburger Musikinitiative

Amadeus Templeton, Co-Gründer der Hamburger Musikinitiative, erklärt, warum TONALi das Trickster Orchestra auszeichnet:

„Das Trickster Orchestra zeigt aktuell wie kaum ein anderes Ensemble die Möglichkeiten des kollektiven Musizierens auf. In der Arbeit des Ensembles begegnen sich verschiedene Kunstmusik-Traditionen auf Augenhöhe. Und aus dieser Begegnung entsteht eine völlig neue musikalische Sprache. Das ist für uns nicht nur durch das künstlerisch allerhöchste Niveau beglückend – vielmehr bilden die Musiker*innen auch eine Utopie gesellschaftlichen Zusammenlebens ab, das seine Kraft aus der Vielstimmigkeit und Multiperspektivität schöpft.“

Für den Preis bedanken sich die Sängerin, Komponistin und Dirigentin Cymin Samawatie und ihr Co-Gründer des Trickster Orchestra, der Schlagzeuger und Komponist Ketan Bhatti, noch am selben Abend musikalisch auf der Bühne der Elbphilharmonie. Das Award-Konzert wird auch im Livestream zu verfolgen sein. Der renommierte Kulturpreis von TONALi ist nicht die erste Auszeichnung des Trickster Orchestra: Nachdem 2021 ihr Debüt-Album bei ECM erschienen ist, gewann das Orchester 2022 den Deutschen Jazzpreis als Bestes Großes Ensemble.

Trickster Orchestra

Das 2013 von Cymin Samawatie und Ketan Bhatti gegründete Musikkollektiv hat 50 Mitglieder, die unterschiedlichste musikalische Hintergründe haben und traditionelle europäische, west-, zentral- und ostasiatische Instrumente spielen. Die Musiker*innen kommen aus Genres wie elektronischer und Neuer Musik, weltweiten klassischen Musiktraditionen, Jazz, Weird Pop, Hip Hop und freier Improvisation. Das Berliner Kollektiv tritt in wechselnden Größen und Besetzungen auf. Der Name des Ensembles bezieht sich auf die Trickster: mythologische oder volkstümliche, ihre Gestalt wandelnde Unruhestifter, die durch großes intellektuelles Talent und geheimes Wissen konventionelle Regeln missachten. Sie stören die göttliche universelle Ordnung und bewirken sozialen und kulturellen Wandel.

Per Sternwanderung zum Award-Konzert in der Elbphilharmonie, 11. Juni

Der große Abschlussabend des TONALi FORUMS beginnt in zwölf Hamburger Stadtteilen: Orchestermusiker*innen und jugendliche Tänzer*innen laufen spielend und tanzend mit dem Publikum in einer Sternwanderung zur Elbphilharmonie, wo sie um 20 Uhr mit Barockmusik empfangen werden. Der Barock-Spezialist Hansjörg Albrecht dirigiert das TONALi-Orchester und den Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor. Zur Musik von Lully, Rameau und Rebel bringen Jugendliche eine urbane Tanzperformance auf die Bühne, die sie in den vergangenen Monaten mit dem renommierten Choreographen Tobias Draeger zur Barockmusik des Abends erarbeitet haben. Darüber hinaus ist Aleix Martínez zu erleben: Der Startänzer vertanzt das Thema Mut zur Utopie und umrahmt künstlerisch den Moment der Preisvergabe.