Der Intendant des Südwestrundfunks (SWR) Peter Boudgoust sieht die Digitalstrategie der ARD als überlebenswichtig für das öffentlich-rechtliche System an. Im Gegensatz zu legitimen kommerziellen Interessen privater Programmanbieter, Zeitungen, Telekommunikations- und Kabelfirmen habe der SWR allerdings ein anderes Anliegen. Boudgoust: "Wir wollen sicherstellen, dass unsere ’Kunden’, die Gebührenzahler, unsere Programme auch in einer digitalen Welt empfangen können. Unverschlüsselt, ohne dafür extra bezahlen zu müssen." Auch in den Neuen Medien müsse der SWR das bieten, wofür er in Hörfunk und Fernsehen schon heute stehe: Orientierung. "Auf Informationen aus unserem Hause ist Verlass, egal in welchem Medium. Und das ist gerade im Informationsmeer des Internet um so wichtiger: Um in all dem digitalen Rauschen die Orientierung nicht zu verlieren, wird der SWR ein kompetenter Lotse sein," sagte Boudgoust am Freitag, 6. Juli 2007, in Stuttgart vor demRundfunkrat. Bei seinem ersten Auftritt als Intendant vor dem Gremium stellte Boudgoust seine Pläne zum Umsetzung der Digitalstrategie beim SWR vor.

Ein erster konkreter Auftrag aus dem Digitalstrategiepapier, das die ARD-Intendanten Mitte Juni in Saarbrücken beschlossen hatten, ging an den SWR als online-federführenden Sender: Die Redaktion ARD.de in Mainz wird ein Audio- und Video-On-Demand-Portal erstellen. Das Portal soll den Nutzern den einfachen Zugriff auf alle im Internet verfügbaren Fernseh- und Radioinhalte der ARD ermöglichen. Das Konzept trage der föderalen Struktur der ARD Rechnung, sagte Boudgoust, denn die Inhalte selbst blieben auf den Servern der einzelnen Landesrundfunkanstalten, ARD.de bündele und vereinfache den Zugriff darauf. Zeitgleich mit diesem Portal starte das SWR-On-Demand-Portal. Damit sollen geeignete Sendungen des SWR-Fernsehens und der SWR-Radiowellen ebenfalls zeit- und ortsunabhängig nutzbar werden.

SWR-Intendant Boudgoust betonte, dass es mit einem neuen Ausspielweg für vorhandene Inhalte nicht getan sei. Die Digitalisierung stelle auch die klassischen Programmmedien vor große Herausforderungen. Boudgoust: "Derzeit weiß niemand, wie die Mediennutzung der Zukunft wirklich aussieht. Also machen wir unseren Zuschauern, Hörern und Online-Nutzern Angebote und prüfen, ob diese angenommen werden." Sicher, so Boudgoust, sei jedoch, dass Übertragungswege, Nutzungsverhalten und damit Programmformate der Zukunft einem starken Wandel unterliegen werden. Immer häufiger würden aus technischen Neuerungen Programmformate. Gerade mit Blick auf Jüngere, die sich erfahrungsgemäß für technische Innovationen aufgeschlossen zeigen, müsse der SWR diese Grundtendenzen aufgreifen und eigene Programm- und Kommunikations-Strategien entwickeln: "Der Schlüssel sind unsere erfolgreichen Programm-Marken. ’Report Mainz’ oder das ’ARD Buffet’, unsere ’Landesschau’-Sendungen, das ’Nachtcafé’ oder auch unsere beliebten Hörfunkwellen - das sind Marken, die auch in der digitalen Welt Orientierung schaffen", so Boudgoust.

Der SWR-Intendant sieht auch in der Federführung für den digitalen Fernsehkanal EinsPlus eine strategisch wichtige Ausgangsposition des SWR für den Start in die digitale Programm-Welt. Der Digitalkanal sei in jüngerer Zeit zu einem öffentlich-rechtlichen Service-, Ratgeber- und Wissensangebot entwickelt worden. Boudgoust: "Neben dem Ersten und dem Dritten Programm wird EinsPlus zu einem dritten Standbein der ernsehaktivitäten des SWR." Der Digitalkanal stehe in einer unübersichtlichen Welt für den klassisch öffentlich-rechtlichen Auftrag zur Orientierung und Lebenshilfe. Er vermittle Wissen, das den Alltag meistern helfe, und zeige Problemlösungsstrategien, die Zuschauer zu mündigen Bürgern und Verbrauchern mache.

In der digitalen Radiowelt spielt für den SWR vor allem das Wortradio cont.ra eine bedeutende Rolle. Boudgoust: "Cont.ra bereitet den Weg in die digitale Radiozukunft." Unter dem Motto "Hören - was Sie wollen, wann sie wollen" können sich die Hörer schon jetzt mit einem Klick die aktuellen Nachrichten, Korrespondentenberichte oder wichtige Aussagen, die das Tagesgeschehen bestimmen, im Originalton anhören. Hier werde linear vorbereitet, was einmal als zeitsouveränes Hören selbstverständlich sein werde. "In meinen Augen," so Boudgoust, "wird dieses Angebot einmal die Drehscheibe für den digitalen Informationsfluss und Navigator der Hörer in einer komplizierter werdenden Welt sein."

Der Vorsitzende des Rundfunkrates, Hans Lambert, unterstützte die Pläne des SWR-Intendanten zur Digitalisierung. "Die Digitalisierung ist eine große Herausforderung und zugleich eine große Chance für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk", sagte Lambert. Aus Nutzersicht verschwinde immer mehr die Trennlinie zwischen der klassischen Ausstrahlung von audiovisuellen Inhalten und ihrer Verbreitung über das Internet. "Mit der Digitalisierung", so Lambert, "haben wir die Möglichkeit, den Gebührenzahlern entsprechend ihrer Nutzungsgewohnheiten ohne großen Mehraufwand einen noch besseren Zugriff auf diese Inhalte zu ermöglichen, nämlich zeitsouverän und ortsunabhängig. Aus welchem Grund sollte die ARD den Gebührenzahlern diesen Mehrwert vorenthalten?" Einen solchen Mehrwert erhalte der Gebührenzahler auch durch die Übertragung der Fußball-EM 2008 und der WM 2014. Deshalb begrüße der Rundfunkrat den Erwerb der Sportübertragungsrechte durch ARD und ZDF. "Es ist wichtig, dass wir dem breiten Publikum auch weiterhin solche massenattraktiven Programme bieten können."

Auch bei einem weiteren Tagesordnungspunkt, der Genehmigung des Jahresabschlusses durch den Rundfunkrat, spielte das Thema Digitalisierung eine Rolle. Der Vorsitzende des Verwaltungsrates, Lorenz Menz, sagte, dass der Übergang von der analogen Fernsehausstrahlung zur digitalen terrestrischen Verbreitung (DVB-T) zu dauerhaften Einsparungen führt. Das für die analoge Fernsehausstrahlung nicht mehr benötigte Geld werde wahrscheinlich schon bald für neue technische Aufgaben im Zeichen der beschleunigten Digitalisierung benötigt werden. Menz erläuterte, dass nach einem guten programmlichen Jahr und einem guten wirtschaftlichen Ergebnis die Vorlage des Jahresabschlusses einen sehr guten Einstand für den neuen Intendanten bedeute. Menz: "Der SWR kann sich allerdings nicht zurücklehnen. Wirtschaftliche Rahmendaten und rundfunkpolitische Entwicklung bergen weiterhin große Risiken. Der Kurs von Sparsamkeit, Haushaltsdisziplin und wirtschaftlicher Optimierung muss unbedingt fortgeführt werden."

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