Die Standardisierung von Unterrichtsinhalten wird von Seiten der inisterien seit der PISA-Studie vielfach eingefordert. Ziel ist die qualitative Verbesserung der schulischen Lernsituation: Durch Standards wird festgelegt, welche Kompetenzen sich alle Kinder und Jugendlichen in einer bestimmten Zeit nachhaltig aneignen sollen. Zum Beispiel sollen alle Kinder am Ende von Klasse 4 über ein kleines Liedrepertoire verfügen und einige Lieder auswendig singen können, eine Bewegungsgestaltung zu einem Musikstück richtig ausführen und einfache Tanzbewegungen passend zur Musik erfinden können, ... . Aufgabe der Schulen ist die Entwicklung entsprechender Curricula, die das Erreichen der Standards ermöglichen. Die Vorteile dieser Vorgehensweise liegen auf der Hand: SchülerInnen können sich an den formulierten Standards orientieren und zielgerichteter lernen, Lernerfolge lassen sich nicht nur leichter sondern auch gerechter abprüfen, denn die Vereinheitlichung gewährleistet eine von der jeweiligen Lehrkraft unabhängige Vergleichbarkeit von Unterricht, wodurch auch Lehrerwechsel kein Problem mehr darstellen.
Hört sich alles gut an. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Was sagen die Lehrkräfte, die sich an der Basis mit diesem Thema auseinandersetzen? Der tägliche Umgang mit den SchülerInnen, ihren Problemen und ihrer Realität wirft Fragen aus einem anderen, an der Praxis orientierten Blickwinkel auf:

- Lassen Standards genügend Raum zur Persönlichkeitsentwicklung von SchülerInnen, die in einer hochgradig individualisierten Gesellschaft
aufwachsen
- In welchem Verhältnis stehen die Standards zu den Lernmethoden für Schulmusik und allgemeine Musikpädagogik e.V. (AfS)? Födert die Standarddiskussion eine Kultur des Lernens, oder eine Kultur der Wissensanhäufung, die ein besseres Abschneiden bei vergleichenden Qualitätsstudien verspricht?
- Ist es in jedem Unterrichtsfach sinnvoll, Standards einzuführen? Auf das Fach Musik bezogen: Bleibt die Möglichkeit bestehen, in angemessenem Umfang die verschiedenen Umgangsweisen mit Musik sowie spezifische Lern- und Übungsmethoden zu erproben? Können SchülerInnen weiterhin eigene Bezüge zur Musik finden sowie Funktion und Wirkung von Musik erfahren und sich diese Erkenntnisse nutzbar machen?
- Wodurch legitimieren sich die ausgewählten Standards? Wird beispielsweise die entwicklungspsychologische Forschung einbezogen oder liefert doch ein Werteund Bildungskanon, der nirgendwo abgesichert erscheint, die Auswahlkriterien?
- Erhalten die Schulen die materiellen Bedingungen (Räume, Ausstattung, Zeit...), um das angestrebte Ziel, die Entwicklung musikalischer Kompetenzen bei allen Kindern und Jugendlichen, welche ihnen verbindlich die Aneignung musikalischen Könnens und Wissens ermöglicht und ihnen eine verständige Teilnahme an musikalisch-kultureller Praxis eröffnet, zu erreichen?

Diesem Fragenkomplex geht der Arbeitskreis für Schulmusik und allgemeine Musikpädagogik e.V. (AfS), der als bundesweiter Verband von MusikpädagogInnen in diesem Zusammenhang die Sichtweise von Musiklehrkräften vertritt, im Rahmen seines 50-jährigen Jubiläums nach: In Form einer Podiumsdiskussion werden VertreterInnen aus Schule, Hochschule, Ministerium und Verlagswesen Vor- und Nachteile der Standardisierung von Unterrichtsinhalten im Fach Musik beleuchten. Generelles Ziel solcher Diskussionen über bildungspolitische Entscheidungen und ministerielle Vorgaben sollten praxistaugliche Entscheidungen sein, die möglichst alle relevanten Perspektiven mit einbeziehen: Aus den Verbänden (AfS, vds) sprechen Lehrkräfte, die am direktesten spüren, an welchen Stellen sich in der Praxis - das heißt im Umgang mit SchülerInnen, Eltern und innerhalb des gesamten schulischen Umfeldes - Schwierigkeiten auftun werden. Während HochschulvertreterInnen Einblicke in die theoretische Diskussion und den Forschungsstand geben, haben die Ministerien neben den bildungspolitischen Entscheidungen auch den finanziellen Rahmen sowie die Einbettung in die allgemeinpolitische Situation im Blickfeld. Die Verlage hingegen entwickeln an den aufgestellten Anforderungen orientierte Unterrichtsmaterialien.
Die Positionsbestimmung innerhalb eines Fachverbandes, hier des AfS, ist insofern wichtig, als in vielen Bundesländern VertreterInnen des AfS in Gremien zur Lehrplanentwicklung vertreten sind, die sich gerade jetzt mit der Problematik der Standardisierung auseinanderzusetzen haben. Je vielfältiger diese VertreterInnen die Problematik diskutiert haben, desto fundierter können sie hierbei gewonnene Erkenntnisse in die Arbeit der Rahmenplankommissionen einbringen. Die Thematik verdichtet sich unter der Fragestellung, ob die Einführung von Standards dazu beitragen kann, den Musikunterricht aus seiner oft beschriebenen Krise herauszuführen. Da Kritiker befürchten, Standards könnten die besonderen Möglichkeiten des Musikunterrichts mit seinen persönlichkeitsbildenden und lernpsychologisch relevanten Sekundäreffekten zu stark einschränken, ist eine interessante und kontroverse Diskussion zu erwarten.

Es diskutieren:
Meinhard Ansohn: Musiklehrer einer Berliner Grundschule, Mitarbeiter der Berliner
Rahmenplankommission, die zur Formulierung von Standards verpflichtet ist,
Vorsitzender des AfS-Landesbereiches Berlin-Brandenburg
Dr. Johannes Bähr: Stellvertretender AfS-Bundesvorsitzender, Studienseminarleiter,
Studienrat an einem Darmstädter Gymnasium
Prof. Dr. Hans Bäßler: Bundesvorsitzender des Verbandes deutscher Schulmusiker,
Professor an der Hochschule für Musik und Theater Hannover
Dr. Monika Kramme: Ministerium für Wissenschaft und Forschung Nordrhein-
Westfalen
Dr. Wulf-Dieter Lugert: Verleger, Mitbegründer und langjähriger stellvertr.
Bundesvorsitzender des AfS
Moderation: Prof. Dr. Irmgard Merkt: Professorin für Musikerziehung und
Musiktherapie an der Universität Dortmund
Ich möchte Sie ganz herzlich einladen, der Podiumsdiskussion am Samstag, den
6.September 2003, 18.00 bis 19.30 Uhr in der Akademie Remscheid, Küppelstein 34, 42857 Remscheid beizuwohnen und würde mich sehr freuen, wenn Sie in Ihrer Zeitung einen Artikel zu dieser Thematik veröffentlichen könnten. Selbstverständlich sind Sie auch zum anschließenden Festakt und zur 50-jährigen Geburtstagsparty des AfS herzlich eingeladen.

Barbara Löhr

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