Es blieb ein Torso – das Leben des genialen, frühbegabten Gideon Klein, der schon zwanzigjährig in Prag als Pianist bekannt war. Die deutsche Besetzung der Tschechoslowakei 1939 unterbrach ein Jahr später sein Musikstudium und seine Konzertaktivitäten und drängte ihn zurück in den privaten Bereich. Zwei Tage vor seinem 22. Geburtstag wurde er ins Ghetto Theresienstadt deportiert, an dessen Aufbau er sich eigenhändig beteiligen musste. Dort lebte er fast drei Jahre, komponierte weiter, organisierte Konzerte und war auch als leidenschaftlicher Pädagoge tätig. Am 16. Oktober 1944 wurde Gideon Klein nach Auschwitz deportiert, überstand die dortige Selektion, gelangte ins KZ Fürstengrube, wo er kurz vor Auflösung des Lagers Ende Januar 1945 ermordet wurde.

Seine in Theresienstadt entstandenen Kompositionen konnten zum größten Teil gerettet werden.

1990, im Gründungsjahr von musica reanimata, Förderverein zur Wiederentdeckung NS-verfolgter Komponisten und ihrer Werke e.V., wurden in einem vergessenen Koffer seine vor 1941 entstandenen Werke entdeckt. Auf die Initiative von musica reanimata kam es zur Drucklegung dieser Kompositionen.

Gideon Klein hat bislang noch nicht im selben Maße wie seine Komponistenkollegen in Theresienstadt Eingang ins Konzertleben gefunden. Zu seinem 100. Geburtstag veranstaltet deshalb musica reanimata in Kooperation mit dem Staatlichen Institut für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz am 13. und 14. Dezember 2019 ein zweitägiges Symposium mit zwei Abendkonzerten.

Im ersten Konzert wird das musikalisch-literarische Programm »Gideon Klein. Porträt eines Komponisten«, eine Einführung in das Leben und Werk Gideon Kleins von David Fligg, erstmalig in deutscher Sprache vorgestellt. Ein zweites Konzert präsentiert einen Querschnitt seines Schaffens. Ein besonderer Höhepunkt ist die deutsche Erstaufführung von Kleins Melodram »Topol« (Der Pappelbaum, 1938) für eine Sprecherin und Klavier. 

Sein Leben und die zum Klingen gebrachten Werke werden durch die Referate des zweitägigen Symposiums in vielen Facetten beleuchtet.

Der Eintritt zu den Konzerten kostet 14 Euro, ermäßigt 8 Euro. Karten können unter 030.254 811 78 oder kasse@mimpk.de vorbestellt werden. Der Eintritt zum Symposium ist frei.

Informationen zu musica reanimata e.V. unter: http://www.musica-reanimata.de oder Tel. 030 324 63 48

Mit freundlicher Unterstützung von

  • Ernst von Siemens Musikstiftung
  • Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds

Medienpartner: Deutschlandfunk

Programm

Freitag, 13. Dezember

  • 14 Uhr Eröffnung des Symposiums. Grußworte
  • 14.30 – 18 Uhr Referate I (Chair: 1. Manuela Schwartz, 2. Thomas Ertelt)
  • 14.30 Uhr David Fligg: These were good times: ›The Poplar Tree‹ on the edge of war
  • 15 Uhr Paul Schendzielorz: Das Frühwerk von Gideon Klein – mit fünfzehn auf der Höhe der neuen Musik
  • 15.30 Uhr David Vondracek: Literatur und Lebenswelt in den Vokalwerken Gideon Kleins
  • 16 Uhr Pause
  • 16.30 Uhr Gottfried Eberle: Von Janáček zur Zwölftontechnik. Die Streichquartette (1936-43)
  • 17 Uhr Lubomir Spurny: Der Pianist Gideon Klein
  • 17.30 Uhr Wolfgang Rüdiger: Die Wiedergabe des Verlorenen im Werk. Gideon Kleins Divertimento für acht Bläser (1939/40) als Akt des Widerstands
  • 20 Uhr Konzert I

»Gideon Klein. Porträt eines Komponisten« für drei Sprecher und Streichquartett (EA) Gideon Klein Streichtrio und Duo für Violine und Violoncello Wolfgang Amadeus Mozart Streichquartett G-Dur KV 387, Sätze 1 & 4 Paul Hindemith: Streichtrio Nr. 1, 3. Satz Leoš Janáček: Streichquartett Nr. 1, 1. Satz Blanche Kommerell, Carolin Kipka und Robin Bohn (Sprecher) Martinů Quartett, Prag

Samstag, 14. Dezember

  • 10 – 12.30 Referate II (Chair: Habakuk Traber)
  • 10 Uhr Wolfgang Rathert: »Die stabilisierten Formen der gesellschaftlich ausgeübten Musik - «. Klein, Mozart und Theresienstadt
  • 10.30 Uhr Lukas Michaelis: Gideon Klein und das Vierteltonsystem (1939/40)
  • 11 Uhr Albrecht Dümling: Zeugnis eines kompositorischen Neubeginns: Gideon Kleins »Drei Lieder op. 1«
  • 11.30 Uhr Winfried Radeke: Fünfstimmig im Ghetto - die Madrigale Gideon Kleins
  • 12 - 14 Uhr Pause
  • 14 - 17.30 Uhr Referate III (Chair: 1. Abrecht Dümling, 2. Bettina Brand)
  • 14 Uhr Jascha Nemtsov: Gideon Kleins Sonate für Klavier (1943) im Kontext stilistischer Tendenzen seiner Zeit
  • 14.30 Uhr Michael Beckerman: Gideon Klein at 100, his Cello Scream at 75: A Search for Musical Meaning
  • 15 Uhr Pause
  • 15.30 Uhr Beatrix Borchard: »Musik an der Grenze des Lebens« - Erfahrungen mit einer Konzertmontage
  • 16 Uhr Tilmann Kannegießer im Gespräch mit Bettina Brand: Gekommen, um zu bleiben? Edition und Rezeption der Werke Gideon Kleins.
  • 16.30 Uhr Schlussdiskussion, Leitung: Wolfgang Rathert und Albrecht Dümling
  • 20 Uhr Konzert II

Gideon Klein
Vier Sätze für Streichquartett, 1936-38 Melodram »Topol« (Der Pappelbaum, 1938) für Sprecher und Klavier (EA) Duo für Violine und Bratsche im Vierteltonsystem, 1939/40 Drei Lieder op. 1, 1940 Streichquartett op. 2, 1940 Pause Zwei Madrigale für 2 Soprane, Alt, Tenor und Bass, Theresienstadt 1943 Klaviersonate, Theresienstadt 1943 Streichtrio, Theresienstadt 1944
Blanche Kommerell (Sprecherin), Tehila Nini Goldstein (Sopran), Jascha Nemtsov (Klavier), Martinů Quartett, Prag, Mitglieder des RIAS-Kammerchors, Leitung: Joachim Buhrmann 

Absätze