Die Jury unter Leitung des Intendanten der Kölner Philharmonie, Louwrens Langevoort, hat sieben Orchester mit ihren Projekten für die Shortlist des Preises Innovatives Orchester 2019 ausgewählt.
"Erstmals haben wir in diesem Jahr eine Shortlist erstellt, um noch besser aufzeigen zu können, wie vielseitig und innovationsfreudig die deutsche Orchesterlandschaft insgesamt ist. Wir sind fest davon überzeugt, dass es diese beispielhaften Projekte und Initiativen verdient haben, überregional bekannter zu werden und eine angemessene Würdigung zu erhalten“, so Langevoort.
Für den Preis, der in diesem Jahr bereits zum dritten Mal vergeben wird, haben sich erneut 31 Orchester, also knapp 25% der professionellen Orchester in Deutschland beworben. Der Preisträger wird in ca. 3 Wochen bekannt gegeben.
Das Filmorchester Babelsberg kooperiert für das Projekt "Film Orchester 360º|Klassenzimmer“ mit dem Mediencampus Babelsberg und der Filmuniversität Potsdam. Gemeinsam haben die drei Institutionen ein digitales Edutainment-Format für den Musikunterricht entwickelt: Die Orchesteraufführung wird per Streaming auf die Endgeräte (Tablet, Smartphones) der Schüler*innen übertragen, musikalische Themen von der Instrumentenkunde bis zur Musikproduktion werden in spielerischen, interaktiven Formaten vermittelt. Das Projekt vernetzt Kultur, Schulunterricht, Hochschullehre und künstlerisch-technische Forschung mit Strategien von Gamifizierung und Digitalisierung.
Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin verwandelt mit seinen Symphonic Mobs Bahnhöfe und Einkaufszentren vorübergehend in Erlebnisparks für die ganze Stadt. Die Idee, im öffentlichen Raum Musizierbegeisterte jeden Alters und Könnens mit Profis zusammenzubringen, hat das DSO konsequent weiterentwickelt. Eingeladen wird u.a. über social-media-Kanäle und die Presse, eine Website stellt (auch vereinfachte) Noten und Playalong-Files bereit. Monate zuvor leiten DSO-Mitglieder Teilproben, eine Generalprobe führt die Mitwirkenden kurz vor der Aufführung zusammen. Notenmaterialien und Informationen stehen allen interessierten Orchestern frei zur Verfügung.
Das Staatsorchester Braunschweig hat gemeinsam mit dem Regieduo krügerXweiss einen Audiowalk "Inside the Orchestra“ entwickelt, der dem Publikum eine Sichtweise auf Orchestermusiker*innen eröffnet, die während einer Aufführung kaum zu erleben ist. Aus Einzelinterviews mit Mitgliedern des Staatsorchesters gingen drei verschiedene Formate von Hörspaziergängen hervor: Besucher werden dabei durch das innenarchitektonische Labyrinth des Staatstheaters geführt und hören unterdessen Geschichten von Musikern, erlangen Einblicke in deren musikalischen Alltag und ihre Liebe zur Musik, sehen und hören das Opernhaus und seine Musiker*innen neu.
Die Anhaltische Philharmonie Dessau geht für eine Jugendkonzertreihe in großer Besetzung in die Schulen der Stadt. Die Konzertprogramme setzen musikalische Werke in Beziehung zu einzelnen Fächern ("Musik und Physik“, "Musik und Literatur“) oder widmen sich fächerübergreifenden Themen wie "Musik und Liebe“. Schülerinnen und Schüler sind von Anfang an am Planungsgeschehen beteiligt und übernehmen bei der Aufführung selbst die Konzertmoderation. Ihre Einbindung als gleichberechtige Partner des Orchesters und ihre völlige Gestaltungsfreiheit bei der Moderation sind für ein Musikvermittlungsprojekt beispielhaft.
Das Repertoire von Orchesterkonzerten weltweit wird durch einen überschaubaren Kanon von Werken bestimmt. Die Magdeburgische Philharmonie hingegen blickt noch einmal auf die vergangenen Jahrhunderte und wählt gezielt Werke von Komponistinnen aus. In jedem Konzert der Saison 2019/20 stehen neben Werken des sogenannten Kernrepertoires aus der Hand von Männern auch Kompositionen von Frauen auf dem Programm. Musikgeschichte wird dadurch neu erlebbar, das gängige Repertoire durch große und kleinere Namen und erstklassige Kompositionen erweitert. Diese Idee eröffnet nicht nur die Möglichkeit, die Vergangenheit neu zu erleben, sondern auch die Gegenwart mit verändertem Blick zu sehen.
Die Württembergische Philharmonie Reutlingen erreicht mit NETZ-WERK-ORCHESTER: Per Livestream aufs Land Schulen in ländlicher Umgebung, für die ein Konzert- oder Probenbesuch zeitlich und finanziell unmöglich ist. Per Livestream überwindet man die Distanz zum Orchester, die Schulklassen sind durch ein musikalisches Quiz zu den präsentierten Werken interaktiv eingebunden. Während das Quizduell zwischen den zwei Schulmannschaften professionell moderiert wird, führen zwei Kindermoderator*innen mit dem Orchester Interviews. Dieses digitale Musikvermittlungsprojekt erhöht die Teilhabechancen von Schüler*innen und bietet für den ländlichen Raum einzigartige Chancen.
Das Stuttgarter Kammerorchester hat unter der Überschrift SKO sozial zwei Formate entwickelt, die im Sinne von kultureller Teilhabe und niedrigschwelligem Angebot Vorbildcharakter haben. Mit ihnen geht es weit aus dem Konzertsaal hinaus: Beim "Concerto mobile“ spielt das Orchester öffentlich und bei freiem Eintritt auf öffentlichen Plätzen bzw. an sozialen Brennpunkten der Stadt, die "Tafelmusik“ hingegen findet bei den kostenlosen Essensausgaben diverser Träger statt und kommt damit als positive Umkehrung der historischen Tafelmusik, in deren Genuss einst nur Adelige kamen, Menschen in Notsituationen zugute.
Jurymitglieder:
Louwrens Langevoort(Vorsitz)
Intendant der Kölner Philharmonie und Geschäftsführer der KölnMusik GmbH
Dr. Susanne Litzel,
Stellv. Vorsitzende Kuratorium der Deutschen Orchester-Stiftung
Geschäftsführende Gesellschafterin Klaus Herding GmbH Bocholt
PD Dr. Christiane Tewinkel
Privatdozentin für Musikwissenschaft, Universität der Künste Berlin
Lecturer in musicology, Barenboim-Said Akademie Berlin
Autorin für Frankfurter Allgemeine Zeitung und Tagesspiegel
Dr. Ute Welscher
Germanistin und Musikwissenschaftlerin
Senior Expert Musikalische Bildung bei der Berteilsmann Stiftung
Mitarbeit beim VAN-Magazin
Alexander Meraviglia-Crivelli
Generalsekretär des Gustav Mahler Jugendorchesters
Dr. Stefan Rosu
Intendant Philharmonie Zuidnederland
Jean-Marc Vogt
Vorsitzender des Gesamtvorstands der DOV
Bratscher im Opernhaus- und Museumsorchesters