Der Rundfunkrat des Westdeutschen Rundfunks hat einem Bericht seines Programmausschusses mit einer Bestandsaufnahme des Kulturprogramms im WDR Hörfunk und Fernsehen sowie im Ersten zugestimmt. Das Positionspapier mit dem Titel „Musik und Kultur – eine Leistungsbilanz der besonderen Art“ beruht auf Werkstatt- Gesprächen mit Kulturschaffenden und -Experten, die der Ausschuss unter Leitung seiner Vorsitzenden Karin Junker geführt hat. Es enthält eine Reihe von Empfehlungen an den WDR und die ARD, die im Rahmen des gesetzlich vorgegebenen Beratungsauftrags der Gremien gegeben werden.

Der erste Teil beschäftigt sich mit der Musik und der Rolle des WDR als „prägender Faktor der Musik und unverzichtbarer Partner für die Musiklandschaft in NRW“. Im Mittelpunkt des Werkstattgesprächs stand die Ernste Musik (E-Musik) in Deutschland und NRW. Im WDR-Hörfunk sei vor allem WDR 3 der bedeutendste Träger von Musik. Allein 2004 wurden 272 Musikproduktionen (Eigenproduktionen, Kompositionsaufträge) mit Ensembles aus und in NRW realisiert. Damit gehört WDR 3 im Vergleich zu anderen Einrichtungen zu den weltweit führenden Musikproduzenten, heißt es.

Darüber hinaus sendete WDR 3 im vergangenen Jahr allabendlich 300 Konzertmitschnitte: „Der WDR als Kulturpartner leistet auch auf diese Weise einen Beitrag, die Qualität des Musikangebots und damit den einzigartigen Stellenwert der nordrhein-westfälischen Orchesterlandschaft zu stärken.“ Zur Stabilisierung der Kultur- und Musiklandschaft tragen dem Papier zufolge auch die Partnerschaften von WDR 3 mit derzeit rund 80 Kulturinstitutionen und - Organisationen bei. Diese Kulturpartnerschaften belegten, dass der WDR seinen Kulturauftrag weit über das Programmangebot hinaus wahrnehme. Quoten, Reichweiten und Marktanteile könnten diesen grundlegenden kulturellen Wert von WDR 3 nicht erfassen: „Wesentlich aussagekräftiger sind die kulturwirtschaftlichen Zahlen, Daten und Fakten sowie die zahlreichen Veranstaltungs- und Förderaktivitäten. Sie weisen WDR 3 als Motor, Plattform, Stimme und gewichtige Basis für die Musikkultur in NRW aus.“

Die WDR-Klangkörper, das WDR Sinfonieorchester Köln, das WDR Rundfunkorchester, die WDR Big Band und der WDR Rundfunkchor gehörten zum Kernauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Sie produzierten jährlich rund 284 Programmstunden für die WDR- Hörfunkwellen (außer Eins Live). Darüber hinaus stehe ein eingespieltes Repertoire von vielen hundert Stunden für die Programmnutzung bereit. Die Klangkörper seien regelmäßig in nordrhein-westfälischen Städten präsent. In der Saison 2003/2004 veranstalteten sie insgesamt 199 Konzerte, davon 151 in Nordrhein-Westfalen. Ein weiterer zusätzlicher gesellschaftlicher Nutzen resultiere aus der musikpädagogischen Arbeit der Orchester, ihrer Kinder- und Jugendarbeit in Schulen oder Konzertsälen sowie in der Förderung musikalischer Talente.

Das Musikangebot im WDR Fernsehen umfasse 14.448 Minuten, dazu gehöre der Rockpalast, klassische Musik, Jazz und Konzerte des WDR- Sinfonieorchesters. Mit seinen Produktionen bediene der WDR auch Das ERSTE, die Kultursender 3sat und arte sowie das Digitalprogramm Eins Festival und den Musikaustausch innerhalb der Europäischen Rundfunkunion (EBU). „Zukunftsorientiert“ nannte der Rundfunkrat die Strategie der Parallel-Produktionen von Rockpalast, Jazz-Sendungen und E-Musikprojekten auf DVD und CD. Reine Musiksendungen hätten im WDR Fernsehen zwar eine untergeordnete Rolle, dennoch habe der WDR auf diesem Feld eine starke Position innerhalb der ARD.

Unter dem Titel „Kultur ist Lebensmittel“ fasst der Programmausschuss das zweite Werkstattgespräch über „Kultur in den Programmen und Angeboten des WDR (Hörfunk, Fernsehen, Online)“ zusammen. Die Angebote von ARTE wurden bei dieser Bestandsaufnahme jedoch ebenso ausgeklammert wie die Online-Angebote, denen sich der Rundfunkrat in gesonderten Sitzungen widmen will. Im Mittelpunkt standen deshalb WDR Fernsehen und Das ERSTE, wobei der Rundfunkrat einen „eher engen Kulturbe-griff“ zugrunde legte und sich auf die „klassischen“ Genres wie Musik, Literatur, Theater oder bildende Kunst konzentrierte. Insgesamt, so der Rundfunkrat unter Verweis auf eine externe Programmanalyse, biete das öffentlich-rechtliche Fernsehen täglich 34 Stunden Kulturprogramm in bester Qualität, wobei der Hauptanteil auf 3sat (25,8 Prozent), arte (24,9 Prozent), BR alpha (19 Prozent), Phoenix (18 Prozent) und die Dritten (8,7 Prozent) entfalle. Schlusslichter seien das ZDF (4,1 Prozent) und Das ERSTE (2,7 Prozent). Kritik äußerte das Gremium an der Verlegung der sonntäglichen Kulturmagazine der ARD auf 23 Uhr zugunsten einer früheren Ausstrahlung der Tagesthemen. Kritisiert wurde auch, dass Sendungen mit „harter Kultur“ zu den Hauptsendezeiten auch bei großzügiger Auslegung eher selten seien, wobei insbesondere die bildende Kunst und das Theater weitgehend unbeachtet blieben.

Zugleich stellte das Gremium aber fest, dass durch die Ausweitung der Regionalisierung im WDR Fernsehen auch für die Kultur neue Möglichkeiten entstanden seien, was vor allem dem regionalen Kulturgeschehen diene. Allein in 2004 seien in den Programmen Aktuelle Stunde, Lokalzeiten und den wdrpunkt-Sendungen rund tausend Beiträge zur Kultur gezeigt worden. Mit westART sei im WDR Fernsehen ein „begrüßenswertes Markenzeichen“ geschaffen worden, dessen uffindbarkeit positiv hervorzuheben sei. Zu begrüßen sei, dass ab 2006 die westART-Familie um die westART-Meisterwerke ergänzt werde, die nach dem Vorbild der früheren ARD-Sendung Hundert Meisterwerke konzipiert sei.

Neben der Rücknahme der Verlegung der Kulturmagazine im ERSTEN empfiehlt der Rundfunkrat „eine klare Strukturierung und Auffindbarkeit von Kulturbeiträgen“ im ERSTEN sowie eine „klare Konturierung“ der Kulturmagazine. Für die Tagesthemen wird darüber hinaus eine Aufstockung der Kulturbeiträge aus dem klassischen Kulturgeschehen sowie eine „verbesserte Koordinierung zwischen ARD aktuell und den Zulieferredaktionen“ empfohlen. Als Modell nannte der Rundfunkrat das vom WDR verantwortete Morgenmagazin, „das vor jeder vollen Stunde Einblick in die Kulturszene gibt und zum Beispiel mittwochs mit einem Kulturtipp und donnerstags mit einem Kinotipp aufwartet“. Vor allem im ERSTEN müssten die Auffindbarkeit und Erkennbarkeit der Kultursendungen verbessert werden. Die Kulturformate müssten daher auch in der ARD zum Markenzeichen entwickelt werden, von denen „mindestens eines wöchentlich in der Prime Time“ einzuordnen sei.

Schließlich empfahl das Gremium eine Neuauflage der in den achtziger Jahre vom WDR erstellten Studie „Der WDR als Kultur- und Wirtschaftsfaktor“, um die vielfältigen Leistungen des WDR auf diesem Feld zu erforschen.

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