Mit einer Rekordauslastung von 95% und der bislang höchsten Zuschauerzahl von insgesamt 11.500 endete gestern das 14. Usedomer Musikfestival. Die dreiwöchige Veranstaltungsreihe vom 22. September bis 13. Oktober stand in diesem Jahr unter dem Motto „Norwegen so nah!“ und widmete sich der Kultur des geschichtlich mit dem Ostseeraum verbundenen Landes. In 33 Veranstaltungen und vier Sonderkonzerten erlebte das Publikum in Kirchen, Schlössern und Hotels auf der Insel Usedom sowie im Kraftwerk des Museums in Peenemünde eine Genrevielfalt wie nie zuvor. Über 400 vorrangig norwegische Künstler, darunter die drei artists in residence Sigurd Slåttebrekk (Klavier), Tine Thing Helseth (Trompete) und Henning Kraggerud (Violine), präsentierten Klassische Musik, Jazz, Zeitgenössische Musik, Folkmusik, Lesung, Vortrag, Ausstellung und erstmalig auch Film und Ballett. Das NDR Sinfonieorchester und Weltstars wie der Saxofonist Jan Garbarek, die Sopranistin Randi Stene, die Mitglieder des Oslo String Quartets, der Lautenist Rolf Lislevand sowie die Tänzer des Norwegischen Nationalballetts begeisterten das Publikum und verliehen dem Festival internationale Ausstrahlungskraft. Neben 18 ausverkauften Veranstaltungen fanden alle anderen Konzerte in fast vollbesetzten Räumen statt. Die im Rahmen des 14. Usedomer Musikfestivals aufgebaute Klanginstallation von Ulrich Eller: „Konzert für Schneckenklavier mit Seebrücke und Skulpturenorchester“ lockte vom 20. September bis zum 13. Oktober über 40.000 Menschen zur Ahlbecker Seebrücke. Außerdem stellte der Künstler im Kunstpavillon Heringsdorf sein zeichnerisches Oeuvre aus.
Anlässlich des 100. Todestages von Edvard Grieg standen die Kompositionen des berühmten Norwegers im Zentrum des Programms und zogen sich wie ein roter Faden durch nahezu alle Veranstaltungen. Zwei Ausstellungen aus dem Grieg-Museum Troldhaugen, Bergen, begleiteten das Festival in der Villa Irmgard im Seebad Heringsdorf. „Kunst und Identität“ machte mit außerordentlichem Erfolg bereits Station u. a. in Prag, Leipzig, Berlin, Luxemburg, Brüssel, St. Petersburg, Moskau, Edinburgh, und Washington DC und wurde exklusiv für das Usedomer Musikfestival neu zusammengestellt. Die zweite Ausstellung „Diminuendo“ beschäftigte sich mit den letzten Lebenswochen des Komponisten. Viele unveröffentlichte Bilder, Notizen und letzte Tagebucheintragungen von Edvard Grieg sowie damalige Zeitungsartikel konnten zum ersten Mal außerhalb von Norwegen betrachtet werden. In nahezu jedem Konzert waren Kompositionen von Edvard Grieg vertreten. Sein berühmtes Klavierkonzert in a-Moll erklang im Eröffnungskonzert mit der Kammersymphonie Berlin und dem hervorragenden Pianisten Sigurd Slåttebrekk, der als artist in residence in seinem Soloabend in Koserow u. a. einige Lyrische Stücke und die äußerst selten aufgeführte Ballade g-Moll von Edvard Grieg interpretierte. Außerdem waren beim diesjährigen Festival u. a. Auszüge aus Peer Gynt, die beiden Streichquartette, die Sonate für Violoncello und Klavier a-Moll, der Liederzyklus Haugtussa – Das Mädchen aus den Bergen sowie die drei Sonaten für Violine und Klavier zu hören.
Norwegens Nationalhelden und Grieg-Förderer, Ole Bull, widmete sich das Usedomer Musikfestival am 30. September. Ein Konzert mit Moderationen von dem Ole Bull-Experten Prof. Harald Herresthal aus Oslo brachte dem Publikum die außergewöhnliche Musikerpersönlichkeit näher. Der anschließend gezeigte Film „Ole Bull Himmelsstürmer“ erlebte im Seetel Hotel Esplanade in Heringsdorf seine Deutschlandpremiere. Die erfolgreiche norwegische Kinoproduktion von Aslak Aarhus, mit dem diesjährigen dritten artist in residence Henning Kraggerud als Ole Bull, erhielt zudem beim Internationalen Filmfestival Mailand in der Kategorie: Musik-Dokumentation die Auszeichnung als „Most innovative film 2004-2007“.
Weitere norwegische Kompositionen erklangen von Harald Sæverud, Johan Svendsen, Fartein Valen, Kjell Mørk Karlsen, Knut Nystedt, Trond Kverno, Odd Johan Overøye, Asmun Feidje, Martin Horntvedt. Außerdem gab es eine Uraufführung von Atle Halstensen: „The Evolving European“ für Kammerorchester und elektronische Live-Bearbeitung sowie eine deutsche Erstaufführung von Ole-Hendrik Moe: Ciaccona für Solovioline. Elektro-Akustische Soundexperimente waren am 3. Oktober in Benz zu erleben. In Fonografien, sogenannten Klangbildern, von aufgenommenen Naturklängen in Verbindung mit Live-Improvisationen, nahmen die drei Künstler das Publikum auf eine „Hörreise“ durch Nordnorwegen mit. Besonders prägend für die norwegische Musikszene sind die traditionellen Volkstöne, die vor allem im Konzert am 23. September mit Knut Hamre auf der Hardangergeige in der Otto Niemeyer Hoststein Gedenkstätte zu hören waren. Die unterschiedlichen Stilrichtungen von Folk bis Elektro-Akustischer Musik zeigten die große Vielfalt der Musikkultur Norwegens und den schöpferischen Reichtum der dortigen zeitgenössischen Musikszene. Zusätzlich ergänzt wurde das Musikfestival mit der Ausstellung „Tore zum Meer“, die Gemälde der Norwegischen Künstlerin Monika Hansebakken im Usedomer Kunsthaus Zinnowitz zeigte.
Erstmalig in der Geschichte des Festivals stand eine Ballettaufführung auf dem Programm. Das Norwegische Nationalballett präsentierte ihre aktuelle Produktion September Dance 2007 – 3 Premieren, 3 Tanzexperimente, 3 Choreografen. Die Kompanie zählt zu den besten Ballettensembles in Europa und faszinierte in der ausverkauften Lokhalle im Seebad Ahlbeck mit herausragender Technik und eindringlicher Ausdruckskraft.
Zu den weiteren Höhepunkten des 14. Usedomer Musikfestivals zählten der Auftritt der Jan Garbarek Group, die Premiere der Lesung aus dem Roman „Morgen und Abend“ von Jon Fosse mit Katja Riemann, beide ausverkauften Veranstaltungen im Forum Usedom, Seebad Heringsdorf, das Preisträgerkonzert Young Concert Artists New York sowie das Peenemünder Konzert zum Abschluss des Festivals am 13. Oktober. Das Konzert mit dem NDR Sinfonieorchester unter der Leitung von Andris Nelsons und dem Geiger Henning Kraggerud verwandelte die einstige Technikschmiede für das größte Rüstungsprojekt des „Dritten Reiches“ in einen Ort des Friedens und Gedenkens. Es fand unter der Anwesenheit des Ministerpräsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Harald Ringstorff und dem Ehrenpräsidenten des Usedomer Musikfestivals, S.K.H. Georg Friedrich Prinz von Preußen statt. Schon zum Eröffnungswochenende begrüßte Intendant Thomas Hummel u. a. den Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Henry Tesch, den Norwegischen Botschafter in Berlin, Sven Erik Svedman und den Ehrenpräsidenten des Usedomer Musikfestivals S.K.H. Georg Friedrich Prinz von Preußen. Insgesamt gab es beim 14. Usedomer Musikfestival zwei Live-Übertragungen, das Eröffnungskonzert am 22. September von Deutschlandradio Kultur und das Abschlusskonzert am 13. Oktober von NDR Kultur. Außerdem wurden von NDR Kultur das Konzert am 4. Oktober mit Rolf Lislevand und dem Ensemble Kapsberger und eine Lesung mit Katja Riemann mitgeschnitten.
Zu einer festen Institution wuchs mittlerweile das Ostsee-Musikforum auf Schloss Stolpe – in diesem Jahr vom 25. September bis zum 1. Oktober. Der berühmte Cellist David Geringas lud bereits zum dritten Mal hochbegabte Studenten aus Japan, Korea, Russland, Frankreich, Kroatien und Deutschland zu einem einwöchigen Meisterkurs ein, den das Usedomer Musikfestival in Zusammenarbeit mit dem Tonkünstlerverband Mecklenburg-Vorpommern organisiert. Als Schüler des verstorbenen Cellisten Mstislaw Rostropowitsch gab Geringas ihm zu Ehren ein Meisterkonzert, für das er Werke auswählte, die Rostropowitsch gewidmet wurden. Eine außergewöhnliche Leistung vollbrachte David Geringas am 29. September in Wolgast: Innerhalb von vier Stunden übernahm er zusammen mit seiner Korrepetitorin Keiko Tamura und der Trompeterin Tine Thing Helseth das Konzert, welches mit den renommierten Trondheim Soloists geplant war. Durch technische Störungen am Kopenhagener Flughafen konnte das Orchester nicht rechtzeitig auf die Insel Usedom gelangen. Das Publikum dankte den kurzfristig eingesprungenen Künstlern in der ausverkauften Kirche mit stürmischem Applaus.
Ein besonderes Anliegen des Festivals ist, Kinder und Jugendliche der Region mit einzubinden. Andreas Peer Kähler begeisterte mit seinem Schulprojekt „Edvard...aus der Halle des Bergkönigs“ Schüler der Gymnasien in Heringsdorf und Karlshagen und entführte sie mit Musik und spannenden, humorvollen Geschichten in die Welt des Edvard Griegs. Zusätzlich veranstaltete das Usedomer Musikfestival auch in diesem Jahr Workshops, in denen Kinder mit Künstlern des Festivals, wie z.B. mit der 20-jährigen Trompeterin Tine Thing Helseth und dem Geiger Ragnar Heyerdahl zusammenarbeiten konnten. Für große Aufmerksamkeit sorgte das Orchestertreffen des Jugend-Sinfonie-Orchesters Kon.centus aus Neustrelitz mit dem Trondheimer Åsvang Skoles Streichorchester am 7. Oktober in der Ostseehalle, Seebad Ückeritz. Über 100 Kinder aus Norwegen und Deutschland musizierten zusammen und vermittelten den zahlreichen Zuhörern, unter ihnen der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Mecklenburg-Vorpommern, Henry Tesch, wie viel Spaß sie am Musizieren haben. Das Trondheimer Streichorchester beeindruckte vor allem mit seinem Unterrichtskonzept: Die Schüler der ausgezeichneten norwegischen Modell-Musikschule lernen ihr Instrument zusammen mit einem Elternteil und spielen dann gemeinsam im Orchester. Neben dem Erlebnis in einem Streichensemble spielen zu dürfen, erhalten die jungen Instrumentalisten optimale Hilfe und Motivation aus dem Elternhaus.
Neben der Unterstützung des Hauptförderers NDR, zahlreichen Förderern und Sponsoren, Mitteln des Königlich Norwegischen Außenministeriums, der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern, des Landkreises Ostvorpommern, der Stadt Świnoujście und den Gemeinden der Insel Usedom, beteiligte sich auch in diesem Jahr, die Unternehmensinitiative für das Usedomer Musikfestival an der Finanzierung des 14. Festivals. Die ca. 80 Förderer aus der Region stellten eine Gesamtsumme von rund 25.000 Euro zur Verfügung. Erstmals schlossen sich auch die Kommunen der Region – Amt Usedom-Nord, Amt Usedom-Süd und Stadt Wolgast – in der Kommunalen Initiative für das Usedomer Musikfestival zusammen. Diese beiden Finanzierungsmodelle sollen in Zukunft weiter ausgebaut werden.
Die langjährige Zusammenarbeit mit dem polnischen Teil der Insel Usedom fand ihre erfolgreiche Fortsetzung. Mit einer großen Beteiligung polnischer Gäste richtete die Stadt Świnoujście (Swinemünde) in diesem Jahr drei Veranstaltungen des 14. Usedomer Musikfestivals aus: Ein Sinfoniekonzert mit der Polnischen Kammerphilharmonie unter der Leitung von Wojciech Rajski und dem norwegischen Geiger Ragnar Heyerdahl im Theatersaal des Kulturhauses, einen Workshop, einen Festgottesdienst in der Kirche des Seligen Märtyrerbischofs Michał Kozal mit dem Knabenchor des Norwegischen Rundfunks Sølvguttene – Die Silberknaben und ein zusätzliches Schulkonzert. Im Februar 2007 wurde das Usedomer Musikfestival für das besondere kulturelle Engagement mit dem Tryton-Kulturpreis der Stadt Świnoujście ausgezeichnet.
Das Usedomer Musikfestival gewann mit den programmatisch erfolgreich verbundenen, künstlerisch hochwertigen Veranstaltungen weiter an Renommee. Damit trägt das Festival entscheidend zur Attraktivitätssteigerung der Region für Einwohner und Besucher bei.
Weitere Informationen zum Festival: unter der Telefonnummer 038378.34647 oder unter www.usedomer-musikfestival.de.
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