Der vorgelegte Bericht zum dritten PISA-Ländervergleich informiert über Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten von 15-jährigen Schülerinnen und Schülern im Vergleich der Länder in der Bundesrepublik und im Vergleich mit den anderen Mitgliedsstaaten der OECD.
Der Schwerpunkt von PISA 2006 liegt auf der Untersuchung des naturwissenschaftlichen Verständnisses. Die Ergebnisse des dritten Ländervergleichs bieten die Möglichkeit, Entwicklungen in den Schulsystemen der Länder über einen längeren Zeitraum hinweg (seit 2000) zu betrachten und zu analysieren. Dabei ist zu beachten, dass die unterschiedlichen Rangfolgen keine Rückschlüsse darüber zulassen, wie sich die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler in einzelnen Ländern seit PISA 2000 entwickelt haben. Hinzu kommt, dass die Rangfolge von Ländern, deren Punktzahlen eng nebeneinander liegen, unter der Einschränkung von Schätzfehlern, die sich aufgrund von Stichprobenerhebungen ergeben, betrachtet werden muss. Die Ergebnisse in den Naturwissenschaften, Lesen und Mathematik werden ergänzt um Hintergrunddaten zu Schülermerkmalen, zur sozialen Herkunft, zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebensverhältnissen in den Ländern.
I. Zentrale Befunde
1. Die wichtigsten Entwicklungen von PISA 2000 bis PISA 2006 · Seit PISA 2000 werden kontinuierliche Verbesserungen in allen drei Kompetenzbereichen sichtbar, die den Schluss zulassen, dass sich das Bildungssystem insgesamt positiv entwickelt und die vielfältigen Reformmaßnahmen zu greifen begonnen haben. Dabei sind die Zuwächse zwischen PISA 2000 und PISA 2003 größer als die zwischen PISA 2003 und PISA 2006. Dieser positive Trend steht im Gegensatz zur Entwicklung in vielen anderen OECD-Mitgliedsstaaten. Die größten Zuwächse zeigen sich in den Naturwissenschaften, die geringsten im Lesen.
· Einen besonders großen Entwicklungssprung von 2000 auf 2006 haben die neuen Länder vollzogen.
· Trotz des insgesamt positiven Trends bleibt festzuhalten, dass die große Mehrzahl der Länder nach wie vor erhebliche Anteile leistungsschwächerer Schülerinnen und Schüler aufweist. Dies betrifft vor allem die Bildungsgänge, die zum Hauptschulabschluss führen.
· Der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Kompetenzerwerb ist leicht zurückgegangen; dies ist vor allem auf Kompetenzzuwächse von Schülerinnen und Schülern aus unteren sozialen Schichten zurückzuführen.
2. Positive Trends
Die bei PISA 2006-International im Dezember 2007 festgestellten Fortschritte der Schülerinnen und Schüler gelten für alle Länder, fallen aber unterschiedlich deutlich aus:
· Gegenüber den Erhebungen in 2000 und 2003 kann in den meisten Ländern eine Verbesserung in den naturwissenschaftlichen Leistungen festgestellt werden. Die Schülerinnen und Schüler in 13 Ländern übertreffen in den Naturwissenschaften den OECD-Mittelwert, drei Länder liegen auf oder unter dem internationalen Mittelwert.
· In sieben Ländern gelingt es in den Naturwissenschaften, die so genannte Risikogruppe (Kompetenzstufe I oder darunter) unter 15 Prozent zu halten. In weiteren sechs Ländern liegt dieser Anteil zwischen 15 und 20 Prozent; lediglich drei Länder weisen noch Anteile über 20 Prozent aus.
· In allen Ländern hat sich der Anteil von Schülerinnen und Schülern an Gymnasien erhöht, dies ging nicht zulasten des Leistungsniveaus. Insgesamt zeigt sich in allen Ländern, dass an den Gymnasien im Hinblick auf die Unterrichtszeit und die Unterrichtsqualität vergleichsweise günstige Rahmenbedingungen für das Lernen in den Naturwissenschaften bestehen.
· Im Gegensatz zum internationalen Trend bleiben im Länderdurchschnitt die Leistungen in den Lesekompetenzen stabil. Der Abstand zwischen dem stärksten Land und dem schwächsten Land hat sich gegenüber der ersten PISA-Erhebung deutlich verringert. Für die Gymnasien gilt, dass die Unterschiede zwischen den Ländern insbesondere in der Lesekompetenz eher gering sind.
· In Mathematik liegen vier Länder über dem OECD-Durchschnitt, 9 auf dem OECD- Mittelwert und nur drei Länder darunter.
· Die Anteile der 15-jährigen mit verzögerten schulischen Karrieren sind in allen Ländern zurückgegangen.
· Bei der Bildungsbeteiligung (relative Chance, ein Gymnasium zu besuchen) ist der Einfluss der sozialen Herkunft insgesamt zurückgegangen; dabei haben sich die Unterschiede zwischen den Ländern verringert.
3. Zentrale Herausforderungen und Probleme Neben positiven Entwicklungen wird auch eine Reihe von Problemen und Herausforderungen deutlich:
· Nach wie vor zeigen sich große Leistungsunterschiede zwischen den 15-jährigen Schülerinnen und Schülern, die größer ausfallen als in vielen Staaten der OECD; dabei weisen die Länder mit hohen Leistungsergebnissen geringere Unterschiede auf als die mit geringeren Leistungen.
· Die Abstände zwischen den Ländern sind nach wie vor erheblich und entsprechen mehr als einem Schuljahr zwischen dem stärksten und dem schwächsten Land.
· Die Länder unterscheiden sich deutlich in der Unterrichtszeit, die für die Naturwissenschaften vorgesehen ist.
· Keinem Land gelingt es, in Mathematik und Lesen den Leistungsstand der internationalen Spitzengruppe zu erreichen. Nur in einem Land liegt die so genannte Risikogruppe (auf oder unter Kompetenzstufe I) unter 15 Prozent.
· In allen Ländern erzielen Schülerinnen beim Lesen deutliche bessere Ergebnisse als Schüler; in Mathematik hingegen schneiden die Schüler, wenn auch weniger ausgeprägt, besser ab.
· Die Anteile der 15-Jährigen mit verzögerter Schullaufbahn liegen in Bildungsgängen, die zum Hauptschulabschluss führen, in vielen Ländern z.T. deutlich über 30 Prozent.
· Nach wie vor besuchen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund seltener ein Gymnasium und erreichen einen niedrigeren Leistungsstand.
· Die Aufschlüsselung nach Ländern und Bildungsgängen macht deutlich, dass sich vor allem in Bildungsgängen, die zum Hauptschulabschluss führen, große Anteile leistungsschwächerer Schülerinnen und Schüler befinden, darunter überdurchschnittlich viele aus sozial benachteiligten Familien und mit Migrationshintergrund.
II. Bildungspolitische Folgerungen
Die Länder stehen, wie schon in den Empfehlungen zu den Ergebnissen von PIRLS/IGLU 2006-International und PISA 2006-International vom 6. März 2008 ausgeführt, vor der Aufgabe, die Arbeit in den sieben, von der Kultusministerkonferenz im Dezember 2001 als Folgerung aus PISA 2000 beschlossenen Handlungsfelder in einer längerfristigen Perspektive kontinuierlich weiter zu entwickeln und dabei neue Schwerpunkte zu setzen.
1. Gezielte Förderung der leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler als Schwerpunkt gemeinsamer Aktivitäten Als Konsequenz auf die jetzt vorliegenden Ergebnisse verständigt sich die Kultusministerkonferenz auf eine umfassende gemeinsame Initiative zur Förderung leistungsschwächerer Schülerinnen und Schüler, um deren Anzahl deutlich zu verringern, Jugendliche mit Migrationshintergrund wirksamer als bisher zu fördern und die Bildungschancen unabhängig von der sozialen Herkunft zu erhöhen. Die Voraussetzungen, damit möglichst jede Schülerin und jeder Schüler einen schulischen Abschluss und die erforderlichen Grundlagen für einen erfolgreichen Übergang in die berufliche Ausbildung erwerben, sollen vor allem auf folgende Weise deutlich verbessert werden:
· Für die Förderung leistungsschwächerer Schülerinnen und Schüler werden zusätzliche Lern- und Betreuungsangebote zur Verfügung gestellt sowie geeignetere Wege der Kompetenzvermittlung entwickelt.
· Die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund wird durchgängig angelegt und stärker als bisher auf die Voraussetzungen der ethnischen Herkunft bezogen.
· Die in der Sekundarstufe I vorhandenen Ansätze für eine durchgehende Sprachförderung sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler werden weiter ausgebaut und durch breit angelegte diagnostische Verfahren ergänzt.
· Das Angebot von Ganztagsschulen insbesondere in Regionen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler wird kontinuierlich ausgebaut.
· Insgesamt soll darauf geachtet werden, dass die Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf bestimmte Schulen nicht zur Bildung von anregungsarmen Lernumgebungen mit massiven sozialen Problemen führt.
2. Den Unterricht weiter entwickeln
Die Ergebnisse des dritten PISA-Ländervergleichs geben eine Reihe von Hinweisen zur Weiterentwicklung des Unterrichts, um leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler gezielt zu fördern, aber auch, um die Kompetenzentwicklung aller Schülerinnen und Schüler zu verbessern. Die bestehenden regionalen Unterschiede sind für die Länder ein Anlass, in gesamtstaatlicher Verantwortung auch weiterhin gemeinsame Vorhaben zur Unterrichtsentwicklung durchzuführen.
Im Vordergrund stehen gemeinsame Projekte, um die Förderung der Sprachkompetenz als Aufgabe aller Fächer zu verankern, die Lernmotivation zu verstärken und den Unterricht stärker als bisher auf den Erwerb von Kompetenzen auszurichten. Dazu werden die Erfahrungen erfolgreicher Projekte zur Unterrichtsentwicklung und zur Qualifizierung von Lehrkräften, wie z.B. SINUS, berücksichtigt.
Seit 2007 bzw. 2008 führen die Länder bereits folgende gemeinsame Projekte durch, deren Bedeutung für die Unterrichts- und Schulentwicklung durch die Ergebnisse des dritten PISA-Ländervergleichs noch einmal verstärkt werden:
· „For.mat - Bereitstellung von Fortbildungskonzeptionen und -materialien zur kompetenz- bzw. standardbasierten Unterrichtsentwicklung“ · „ProLesen - Auf dem Weg zur Leseschule“ · „Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte im Hinblick auf Verbesserung der Diagnosefähigkeit, Umgang mit Heterogenität, individuelle Förderung“
Darüber hinaus entwickeln die Länder eine gemeinsame Strategie, um die Bildungsstandards deutlicher als bisher für die Unterrichtsentwicklung zu nutzen. Dabei wird die Zusammenarbeit zwischen den Landesinstituten und dem Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) ausgeweitet.
3. Für Transparenz sorgen und auf Qualitätssicherung setzen Der vor rund 10 Jahren eingeschlagene Weg, die Leistungsfähigkeit des deutschen Bildungswesens durch empirische Untersuchungen systematisch zu erfassen und die Steuerung des Bildungssystems an diesen Ergebnissen zu orientieren, stellt sich als erfolgreich heraus. Dies ist verbunden mit größeren Handlungsspielräumen und wachsender Eigenverantwortung für die einzelnen Bildungseinrichtungen.
Mit der Einführung von länderübergreifenden Bildungsstandards für den Primarbereich und die Sekundarstufe I (sowie künftig auch für die Sekundarstufe II) haben die Länder die dafür erforderlichen Grundlagen geschaffen und werden diese weiter entwickeln. Ab 2009 werden die Länder für Schülerinnen und Schüler aller Schularten der Sekundarstufe I und der Grundschule die Erreichung der Bildungsstandards in Ländervergleichen überprüfen, die PISA-E bzw. IGLU-E ablösen. Wie in der Gesamtstrategie der Kultusministerkonferenz zum Bildungsmonitoring festgelegt, werden die Länder aber auch in Zukunft an internationalen Schulleistungsuntersuchungen teilnehmen, um die internationale Anschlussfähigkeit zu gewährleisten.
Hinzu kommen jährliche länderübergreifende Vergleichsarbeiten für die Grundschule und die Sekundarstufe I (VERA), die regelmäßig wichtige Informationen für die gezielte Förderung der Schülerinnen und Schüler bereit stellen. Die Länder werden alle Verfahren zur Evaluation schulischer Arbeit (VERA, Schulinspektion, externe und interne Evaluation) so weiterentwickeln, dass die Möglichkeiten zur Nutzung der vorliegenden Daten für die Schul- und Unterrichtsentwicklung insgesamt und für die Förderung der leistungsschwächeren Schülergruppe im Besonderen ausgeweitet werden.
III Anlage der Studie
PISA untersucht seit 2000 auf Grundlage einer Stichprobe von 15-Jährigen die Kompetenzen in den Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften. Im Zentrum von PISA 2000 stand die Erfassung des Leseverständnisses, während Mathematik und die Naturwissenschaften Nebenkomponenten bildeten; bei PISA 2003 lag der Schwerpunkt auf der Mathematik, bei PISA 2006 stehen die Naturwissenschaften im Zentrum. In jedem Zyklus wurden in dem jeweiligen Schwerpunkt deutlich mehr Aufgaben eingesetzt als in den Nebenkomponenten.
Um einen Ländervergleich innerhalb Deutschlands zu ermöglichen, ist im Zusammenhang mit PISA 2006 eine nationale Ergänzungsstichprobe mit rund 40.000 15-jährigen Schülerinnen und Schülern aus 1.500 Schulen getestet worden. Die Ergebnisse für die einzelnen Länder und ihre Schularten werden auf Grundlage der internationalen Metrik (500-er Skala) vorgestellt, um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse innerhalb der Länder und im internationalen Maßstab zu ermöglichen. Dabei ist ein systematischer Vergleich der Schularten über alle Länder hinweg nur für das Gymnasium möglich. Aufgrund der Besonderheiten der Schulorganisation und der unterschiedlichen Bildungsbeteiligung in den Ländern muss bei den anderen Schularten jedes Land für sich betrachtet werden.
Der dritte PISA-Ländervergleich wurde von einem Konsortium unter der Leitung von Professor Dr. Manfred Prenzel am Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften an der Universität zu Kiel durchgeführt.
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse finden Sie im Anhang dieser Mail. Weiterführende Informationen finden Sie unter http://www.ipn.uni-kiel.de.
Absätze
Quelle
http://www.kmk.org