Am 5. November 2011 wird der Deutsche Theaterpreis DER FAUST zum sechsten Mal verliehen. In diesem Jahr findet die Vergabe in der Oper Frankfurt statt.

Den „Preis des Präsidenten“ erhält die Theaterwissenschaftlerin Prof. Dr. Erika Fischer-Lichte. Der Theaterregisseur, Schauspieler und Intendant Wolfgang Engel wird für sein Lebenswerk geehrt. Die Nominierten der diesjährigen Verleihung stehen ebenfalls fest. Ausgezeichnet werden Künstlerinnen und Künstler, deren Arbeit wegweisend für das deutsche Theater ist. DER FAUST ist ein nationaler, undotierter Theaterpreis, der auf die Leistungskraft und künstlerische Ausstrahlung der Theater aufmerksam macht und diese würdigt.

Die Nominierten in den acht Kategorien:

Regie Schauspiel

Stephan Kimmig, „Kinder der Sonne“, Deutsches Theater Berlin
Luk Perceval, „Hamlet“, Thalia Theater Hamburg
Hermann Schmidt-Rahmer, „Rechnitz (Der Würgeengel)”, Düsseldorfer Schauspielhaus

Darstellerin/Darsteller Schauspiel

Bettina Hoppe, Cäcilie in „Stella“, Städtische Bühnen Frankfurt am Main
Valery Tscheplanowa, Maria Stuart in „Maria Stuart“, Städtische Bühnen Frankfurt am Main
Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen
Martin Wuttke, Dr. Jacques Duval in „Schmeiß Dein Ego weg!“, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin

Regie Musiktheater

Yona Kim, „Pnima“, Staatstheater Stuttgart
Laura Scozzi, „Die Reise nach Reims”, Staatstheater Nürnberg
Benedikt von Peter, „Intolleranza 1960“, Staatsoper Hannover

Sängerdarstellerin/Sängerdarsteller Musiktheater

Claudia Barainsky, Medea in „Medea“, Städtische Bühnen Frankfurt am Main
Koproduktion mit der Wiener Staatsoper
Merja Mäkelä, Adriana in „Adriana Mater“, Städtische Bühnen Osnabrück
Lauri Vasar, Billy Budd in „Billy Budd“, Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg

Choreografie

Mei Hong Lin, „Die Brautschminkerin“, Staatstheater Darmstadt
Christian Spuck, „Poppea//Poppea“, Theaterhaus Stuttgart – Gauthier Dance
Koproduktion mit Les Théâtres de la Ville de Luxembourg und in Kooperation mit dem Theater Bonn, der Schauburg München und Achtfeld GmbH Berlin
Stephan Thoss, „Blaubarts Geheimnis“, Hessisches Staatstheater Wiesbaden

Darstellerin/Darsteller Tanz

Marlúcia do Amaral in „Neither“ im Rahmen des mehrteiligen Ballettabends b.04, Ballett am Rhein Düsseldorf/Duisburg
Alexandre Riabko, Der Mann in Braun in „Dances at a Gathering“ im Rahmen des Ballettabends „Chopin Dances“, Hamburg Ballett
Giuseppe Spota, Blaubart in „Blaubarts Geheimnis“, Hessisches Staatstheater Wiesbaden

Regie Kinder- und Jugendtheater

Neco Çelik, „Gegen die Wand“, Junge Oper Stuttgart
Christopher Gottwald, „Das Kind der Seehundfrau“, Theater Pfütze Nürnberg
Kooperation mit dem Staatstheater Nürnberg
Daniela Löffner, „Demian“, Junges Schauspielhaus Düsseldorf

Ausstattung Kostüm / Bühne

Klaus Grünberg für Bühne und Licht bei „Rusalka“, Komische Oper Berlin
Johannes Schütz für die Gesamtausstattung von „Das Werk/Im Bus/Ein Sturz“, Bühnen der Stadt Köln
Natascha von Steiger für das Bühnenbild von „Das Erdbeben in Chili“, Staatsschauspiel Dresden
Koproduktion mit dem Maxim Gorki Theater Berlin

Die Mitglieder der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste wählen aus diesen Nominierten die Preisträger aus, die am Abend der Verleihung bekannt gegeben werden.


Die Preisträger für das Lebenswerk und den Preis des Präsidenten stehen bereits fest:

Der Preis für das Lebenswerk geht an den Theaterregisseur, Schauspieler und Intendanten Wolfgang Engel

1943 in Schwerin geboren, legte Wolfgang Engel 1965 in Berlin die staatliche Bühnenreifeprüfung ab. Drei Jahre später begann er mit ersten Regiearbeiten in Schwerin. In den 1970er Jahren arbeitete er als Regisseur an den Landesbühnen Sachsen in Radebeul und am Jugendtheater in Berlin. Ab 1978 lehrte er an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. 1980 ging er als fester Regisseur an das Staatsschauspiel Dresden, wo ihn seine vielbeachteten Inszenierungen zu einem der wichtigsten Regisseure der DDR machten. Dort inszenierte er u.a. „Penthesilea“ (1986) und „Faust “ (1990). Ab 1983 reiste Engel auch zu Regiearbeiten in den Westen, u.a. an das Staatstheater in Saarbrücken, das Wiener Burgtheater, das Züricher Schauspielhaus, das Berliner Schillertheater und Münchner Residenztheater. 1991 ging er nach Frankfurt am Main und wurde fester Regisseur am Schauspiel. Von 1995 bis 2008 war Wolfgang Engel Intendant des Schauspielhauses Leipzig. Seitdem arbeitet er als freier Regisseur u.a. am Düsseldorfer Schauspielhaus (“Joseph und seine Brüder”) und am Staatsschauspiel Dresden (“Der Turm”). Überdies inszeniert er seit einigen Jahren auch Opern.

Wolfgang Engel ist einer der prägenden deutschen Theaterregisseure der vergangenen 40 Jahre. Mit seinen zahlreichen Inszenierungen, darunter viele, eher selten gespielte, klassische Texte, manifestierte er eine große Leidenschaft für die Sprache und damit verbunden für ein provokant gedachtes, politisches Theater, das die Figuren in ihrer emotionalen Individualität begreift. Seine Leistung besteht darin, den Menschen mittels Bildern und Metaphern ins Zentrum der Betrachtung zu rücken, ohne dabei zu politisieren oder den Zuschauer ästhetisch zu überfordern. Er hat wesentlich dazu beigetragen, das Theater zu einem Ort der Gegenwart und des kollektiven Denkens zu entwickeln. Wolfgang Engel setzte sich stark für die friedliche Revolution in der DDR ein und ging nach der Vereinigung der beiden Staaten und Theatersysteme mit großer Offenheit auf die Kollegen aus dem Westen zu. Ohne sein Engagement wäre dieses friedliche und kreative Zusammenwachsen der Theater in Deutschland so nicht möglich gewesen. Ebenfalls zu würdigen sind seine Verdienste um das Schauspiel Leipzig. Nicht nur, dass er als Intendant unermüdlich versuchte, das Theater in die Stadt hinein zu öffnen, seine Aufmerksamkeit galt ebenso der Förderung junger Schauspieltalente, welchen er stets Möglichkeiten der Herausforderung bot.

Der Preis des Präsidenten geht an die Theaterwissenschaftlerin Erika Fischer-Lichte

Erika Fischer-Lichte studierte von 1963 bis 1970 Theaterwissenschaft, Slawistik, Germanistik, Philosophie, Psychologie und Pädagogik an der Freien Universität Berlin und an der Universität Hamburg. Sie promovierte im Fach Slawistik. 1973 wurde sie Professorin am Institut für deutsche Sprache und Literatur der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. 1986 übernahm sie den Lehrstuhl für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Bayreuth, und wurde 1991 Direktorin des Instituts für Theaterwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit 1996 ist Erika Fischer-Lichte als Professorin und Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin tätig.

Erika Fischer-Lichtes Arbeiten mit den Schwerpunkten Ästhetik und Kunsttheorie, Theorie und Geschichte des Theaters, Ästhetik des Gegenwartstheaters und Verflechtungen von Theaterkulturen gehören zu den international bedeutenden und einflussreichsten Positionsbestimmungen nicht nur der Theaterwissenschaften. Mit ihrer dreibändigen Untersuchung zur „Semiotik des Theaters“ (1983) eröffnete sie ein Forschungsfeld, das den Blick auf das Theater neu strukturierte: Die Deutungshoheit über das Theater durch hermeneutische Operationen an dramatischen Texten wurde zugunsten der Untersuchung der Aufführung selbst als Text ausgesetzt. Die zweibändige „Geschichte des Dramas“ (1990, ebenfalls in vier Sprachen übersetzt) arbeitet folgerichtig die Differenz von „Theater“ und dem „Drama als Literatur“ aus. Fischer-Lichtes Ansatz, der umfassend die unterschiedlichen Parameter theatralischen Geschehens in die Perspektive nimmt und inspiriert ist von gegenwärtiger Theaterarbeit, gewinnt in ihrer „Ästhetik des Performativen“ (2004) eine neue Kontur, eine Arbeit, die nicht alleine zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung anreizt, sondern auch den Theaterschaffenden ein Spektrum produktiver Diskurse eröffnet.