Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat am 19. Januar 2006 ein neues Gesetz zur Förderung und Anerkennung von Musikschulen (MSG) verabschiedet. Die treffendste Begründung dafür hat der Landtagspräsident, Prof. Dr. Adolf Spotka, in seinem Grußwort auf der gerade neugestalteten Website des Landesverbandes der Musikschulen (LVdM) gegeben, wenn er schreibt: „Wofür ich deshalb werben möchte, ist eine breite Koalition für die Musik, den Musikunterricht und damit für die Musikschulen in unserem Land, deren Beitrag zur pädagogischen, künstlerischen und musischen Bildung unserer Kinder nicht hoch genug veranschlagt werden kann."
Der Verband mit seinem Vorsitzenden Markus Biedermann und seiner Geschäftsführerin Elke E. Brommer sieht darin eine ausdrückliche Würdigung von 15 Jahren kultureller Bildungsarbeit an den Musikschulen des Landes und die Sicherung einer kontinuierlichen Weiterentwicklung.
„Noch ein Gesetz?" wird sich der eine oder andere fragen. In Zeiten, in denen der Ruf nach Bürokratieabbau laut wird und zu viele Regelungen durch Staat und EU beklagt werden, ist diese Frage durchaus berechtigt. Aber: Wo Fördergelder fließen, sind Regelungen unverzichtbar. Das erfordert die Ordnungspolitik. Der LVdM plädierte für ein neues Gesetz, weil es die in den vergangenen Jahren entwickelten Qualitäts- und Leistungsstandards von Musikschulen in Sachsen-Anhalt sichert und zielstrebig weiterentwickeln hilft.
Die Bedeutung der Musikschulen für die kulturelle Infrastruktur in unserem Lande ist unumstritten. Musikschulen stehen allen Menschen offen. Seit Jahren wird über sogenannte persönlichkeitsbildende „Transfer-Effekte" einer guten ästhetischen Bildung in vielen Publikationen berichtet und ihre Bedeutung positiv unterstrichen. Allerdings reichen diese Effekte nicht aus, um die musikalische Arbeit der Pädagogen überzeugend zu legitimieren.
Musikschulen erhalten seit Jahrzehnten eine Förderung durch Land und Kommunen. Ein weiterer Teil der Kosten für die Musikausbildung wird durch die Unterrichtsgebühren gedeckt.
Nach der Wende formierten sich die Musikschulen in Sachsen-Anhalt neu und nahmen sich den Strukturplan sowie Lehrpläne der westdeutschen Musikschulen im Verband deutscher Musikschulen (VdM) zum Vorbild. Das erste Gesetz zur Förderung von Musikschulen wurde 1997 vom Landtag Sachsen-Anhalt verabschiedet; allerdings wurde es bis zum 31.12.2006 befristet. Die Musikschulen nutzten die Zeit, um ihr Ausbildungskonzept kontinuierlich zu optimieren und zu beweisen, dass sie als Bildungsinstitute hochwertige Kooperationspartner für die allgemein bildenden Schulen und Kindertageseinrichtungen sind.
Auch Bildungseinrichtungen müssen ihre Angebote und Leistungen verstärkt auf Wirtschaftlichkeit und Kundenorientierung hin überprüfen, um sich ständig verändernden Markt- und Rahmenbedingungen gewachsen zu sein. Eine qualitativ hochwertige Musikschularbeit stellt sowohl hohe Anforderungen an die künstlerische und musikpädagogische Gestaltung des Unterrichts als auch an das betriebliche Management.
Die öffentlichen Diskussionen über Effektivität und Effizienz im kulturellen Bereich aufgrund von
- Kostenentwicklungen
- Ressourcenknappheit bei den öffentlichen Trägern
- Legitimationsdruck auf Kultureinrichtungen
- Bemühungen um Transparenz und Qualitätssicherung
- Rationalisierungsdruck durch politische Entscheidungen und gesetzlicher Vorgaben
zwingen die Bildungseinrichtungen zu einem gut durchdachten Qualitätsmanagement. Im neuen Gesetz kann das Land Sachsen-Anhalt auf Antrag des Trägers einer Musikschule die Genehmigung zum Führen der Bezeichnung „Staatlich anerkannte Musikschule" vergeben. Voraussetzung hierfür ist unter anderem die Durchführung eines vom Land anerkannten Qualitätsmanagements.
Der „Interkommunale Leistungsvergleich" (IKLV) der Musikschulen in Sachsen-Anhalt, der mit Unterstützung durch das Land in den Jahren 1999 bis 2003 umgesetzt wurde, führte zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den eigenen Strukturen, Konzepten und Zielen im Kontext der Gesellschaft.
Das wichtigste Ergebnis dieser Studie war die Entwicklung eines Qualitätsplans. Aus der Synthese von Strukturplan des VdM und Qualitätsplan des LVdM resultiert das Konzept „Leistungsorientierter Unterricht" (LOU). In diesem Unterrichtskonzept wird der instrumentale oder vokale Einzelunterricht um die Ausbildung in Ensemblespiel und musiktheoretischen Ergänzungsfächern verpflichtend ergänzt. Dieses Unterrichtskonzept steht jedem besonders motivierten Musikschüler offen, der eine entsprechende Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft zeigt. Das Kultusministerium stellte durch Verordnung und Richtlinie die Förderbestimmung auf diese Parameter um. Während die Kommunen nach wie vor eine musikalische Grundversorgung vorhalten, fördert das Land vorrangig den Leistungsorientierten Unterricht. Damit sind Jugendliche, die an diesem Ausbildungskonzept teilnehmen, Landesförderschüler. Grundsätzlich besteht für jedes Kind und jeden Jugendlichen die Möglichkeit, in den Genuß dieser Förderung zu kommen. Hier geht es nicht um die Bildung eines bevorzugten elitären Kreises, sondern um Investition in die Zukunft der jungen Generation. Kultur und Bildung sind Schlüssel zur Prosperität eines Landes. Diese Korrelationen sind durch viele Studien belegt.
Auf dem von Kultusminister Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz initiierten 1. Forum der Musikschulen am 10. Juni 2005 wurde das Ausbildungskonzept der Musikschulen nach seiner ersten Testphase vorgestellt und bewertet. Olbertz bestätigte das Interesse einer Landesförderung aufgrund bestimmter Kriterien, nämlich Leistung und Qualität. Die Förderung nach dem „Gießkannenprinzip" hat in Sachsen-Anhalt ausgedient.
Die grundsätzlich positive Resonanz auf das Konzept motivierte die Linkspartei/PDS wie die Landesregierung im Spätsommer und Herbst 2005 jeweils einen Entwurf für ein Gesetz zur Förderung von Musikschulen einzubringen. Der Verband wurde immer wieder von den Abgeordneten um Rat gefragt und um Stellungnahmen gebeten. So konnte er seine Fachkompetenz einbringen und erfuhr Respekt und Anerkennung für die Arbeit seiner Mitgliedsschulen. Erfreulicherweise haben die Parteien zu einem Konsens gefunden: Einstimmig beschloss der Ausschuss für Kultur am 22. Dezember 2005, ein gemeinsam erarbeitetes Gesetz zur Beschlussfassung an den Landtag zu empfehlen.
Musikschulen im Land Sachsen-Anhalt verstehen sich nicht nur als Unterrichtsstätten für Instrumental- oder Vokalunterricht. In manchen Regionen sind sie inzwischen wichtigster Partner für die Gestaltung kultureller Infrastruktur. Die Begabtenförderung ist ein Element im Ausbildungskonzept, eine möglichst alle Kinder und Jugendliche erreichende ästhetische Bildung ist ihr Hauptanliegen.
Unterstützt durch das neue Gesetz können sich die Musikschulen Sachsen-Anhalts konzeptionell weiterentwickeln und neue Wege beschreiten. Ihr Ziel wird immer sein, ein Ort zu sein, an dem sich vor allem junge Menschen in einer Atmosphäre künstlerischer und pädagogischer Freiheit entfalten und ihre Welt mit allen Sinnen entdecken können.
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