"Wir holen die Neue Musik heraus aus dem Elfenbeinturm und bringen sie in den Alltag der Menschen", das erklärte Festivalleiter und SWR2-Musikredakteur Armin Köhler bei der Pressekonferenz zum Abschluss der Donaueschinger Musiktage 2006 am Sonntag (22. Oktober 2006). Grund für diese Einschätzung ist erneut der enorme Publikumszuspruch bei dem weltweit ältesten Festival für zeitgenössische Musik. Trotz zusätzlicher Stehplätze, einer Sonderaufführung und und einer Konzertverlegung in eine größere Halle waren alle Veranstaltungen mehr als ausverkauft: Köhler: „Andere Festivals freuen sich über Auslastung von 80 bis 90 Prozent. Wir haben weit über 100 Prozent. Das heißt aber nicht, dass wir unser Profil verwässern. Die Musiktage sind und bleiben ein Arbeitsfestival und ein Branchentreff mit höchstem Anspruch."

Zusätzlich zu dem Erlebnis vor Ort hatten in diesem Jahr Radiohörer im SWR-Sendegebiet und Internetnutzer weltweit Gelegenheit direkt an dem musikalischen Großereignis teilzuhaben: Erstmals hat das Kulturradio SWR2 alle Aufführungen live über UKW und das SWR2 Webradio gesendet, einige davon sogar in 5.1 Mehrkanalton. Zwischen den Aufführungen gab es in beiden Medien Interviews, Reportagen, Hintergrundberichte. SWR2-Musikchefin Dorothea Enderle: „SWR2 ist das erste Kulturradio, das ein gesamtes Festival für Neue Musik live
übertragen hat. Das war ein enormes Risiko, nicht nur mit Blick auf unsere Hörer, denen wir damit sicher einiges zugemutet haben, sondern auch in technischer Hinsicht. Wir sind sehr froh, dass das alles so reibungslos funktioniert hat und unterstreichen damit auch unseren Anspruch, musikalischen Entwicklungen den Raum und die Öffentlichkeit zu geben, die ihnen gebühren."

Bei den Donaueschinger Musiktagen standen vom 20. bis 22. Oktober 24 Uraufführungen und eine Deutsche Erstaufführung auf dem Programm, darunter so unterschiedliche Werke wie Alvin Currans „Oh Brass On The Grass Alas" mit 350 Laienmusikern, einer „Divertimento?" betitelten Farce für Ensemble von Mauricio Kagel oder die Konzertinstallation „Hyperion - Konzert für Licht und Orchester" von Georg Friedrich Haas mit einer spektakulären Licht-Raum-Installation von rosalie. Alle Kompositionen waren Auftragswerke des Südwestrundfunks. Der in diesem Jahr zum zweiten Mal vergebene Preis des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg, wie immer Orchester in Residence der Donaueschinger Musiktage, geht an die Komposition „Zweites Labyrinth für Orchestergruppen" von Jörg Widmann. Die Auszeichnung für das nach Auffassung der Orchestermusiker „bemerkenswerteste Orchesterwerk des Festivals" führt zu einer Übernahme des Stücks in das Repertoire der kommenden Spielzeit.

Während der Pressekonferenz erklärte SWR-Hörfunkdirektor Bernhard Hermann: „Wir Radiomacher tun einiges dafür, damit auch Festspiel-Übertragungen und Werke der Radiokunst ihren Platz im Alltag unserer Hörer finden. Das Radio wird immer wieder ein Ort für Entdeckungen und akustische Zufallsbegegnungen sein, auf die nicht jeder vorbereitet ist. Neugier und Mut zum Experiment sind zwei wichtige Aspekte, für die SWR2 als bekennendes Einschaltradio und als Motor der Kulturlandschaft im Südwesten steht, jetzt und in Zukunft." Die Donaueschinger Musiktage bezeichnete Hermann als „eines der Kronjuwelen unseres kulturellen Engagements" und zugleich als „immer wiederkehrendes Wagnis, sowohl mit Blick auf die Werke als auch mit Blick auf die Finanzierung." Gerade in Zeiten knapper werdender Mittel, so Hermann weiter, „sind so aufwändige Veranstaltungen nur mit der Unterstützung durch starke Partner möglich. Deshalb bedanke ich mich herzlich bei der Kulturstiftung des Bundes und der Ernst von Siemens Musikstiftung, die die Kraft, das Vertauen und den Mut haben, sich bei diesem Festival auf lange Sicht so intensiv zu engagieren."

Michael Roßnagl, Geschäftsfüher der Ernst von Siemens Musikstiftung, bestätigte noch einmal die vor wenigen Tagen gegebene Zusage, die Musiktage bis 2010 mit jährlich 120.000 Euro zu fördern (vgl. SWR Pressemeldung vom 13.10.06): „Die ernsthaften, engagierten Bemühungen der Donaueschiger Musiktage um die Neue Musik hatte die Ernst von Siemens Musikstiftung bewogen, das Festival in den letzten drei Jahren mit jeweils 100.000 Euro zu unterstützen. Inzwischen finanziell gewachsen, möchte die Stiftung nun den Musiktagen die
Möglichkeit geben, über einen größeren Zeitraum hinweg zu planen und sich inhaltlich zu erweitern, um zusätzlich neue künstlerische Innovationen auf den Weg zu bringen."

Alexander Farenholtz, Verwaltungsdirektor der Kulturstiftung des Bundes, ergänzte: „Donaueschingen ist ein hervorragendes Beispiel, wie Neue Musik ein Publikum durch Qualität und Atmosphäre fesseln kann. Die Kulturstiftung des Bundes hat dem Festival durch eine mehrjährige Finanzierung Planungssicherheit und eine Weiterentwickung ermöglicht. Die Donaueschinger Musiktage sind ein wichtiger Partner für die Kulturstiftung, die der Neuen Musik in Deutschland mit langfristigen und breitenwirksamen Maßnahmen zu größerer Resonanz verhelfen will."

Der Donaueschinger Oberbürgermeister, Thorsten Frei, erklärte: „Auch die Stadt fühlt sich der Tradition und der Zukunft der Donaueschinger Musiktage verpflichtet. Unter anderem deshalb werden wir bis 2010 neun Millionen Euro in die Modernisierung der Donauhallen und die Schaffung eines weiteren - 300 bis 500 Personen fassenden - Saales investieren."

Im Rahmen der Pressekonferenz zum Abschluss der Donaueschinger Musiktage haben der neue Leiter des EXPERIMENTALSTUDIOS für akustische Kunst e.V., Detlef Heusinger, und der Leiter des ZKM | Instituts für Musik und Akustik (IMA), Ludger Brümmer, die bevorstehende Ausschreibung des von beiden Institutionen gemeinsam initiierten GIGA-HERTZ-PREISES für elektronische Musik bekannt gegeben. Der Preis, der ab 11. Dezember 2006 öffentlich ausgelobt wird, soll sowohl das künstlerische Schaffen renommierter Komponisten der elektronischen Musik, wie auch die gezielte Förderung neuer Projekte initiieren und unterstützen. Dazu vergibt eine international besetzte Fachjury einen mit 15.000 Euro dotierten Hauptpreis sowie vier mit je 8000 Euro dotierte Realisationsstipendien als Förderpreise. Weitere Informationen geben die beteiligten Institutionen.

Die nächsten Donaueschinger Musiktage finden von 19. bis 21. Oktober 2007 statt. Geplant sind u.a. Uraufführungen von Mark André, Alex Buess, Francesco Filidei, Pär Frid, Kristof Georgen, Arnulf Herrmann, Klaus Huber, Edgar Reitz/Johannes Kalitzke, Michael Lentz/Ulrich Winters, Helmut Oehring, Younghi Pagh-Paan, Michael Pelzl, Enno Poppe, Marc Sabat, James Saunders, Simon Steen-Andersen, Hans Thomalla, Trimpin, Hans Zender. Wie immer entstehen alle Kompositionen im Auftrag des Südwestrundfunks.