Eine neue Forschungsgruppe unter der Leitung von Daniela Sammler wird sich mit dem Zusammenwirken von Musik und Sprache beschäftigen. Ziel ist es, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Kanäle, ihre neuronalen Grundlagen und ihre ästhetische Verschmelzung zu erforschen.
Was haben eine zarte Mozartsonate und eine flammende Präsidentschaftsrede gemeinsam? Augenscheinlich recht wenig – neuronal jedoch ungemein viel. Für unser Gehirn sind die Grenzen zwischen Musik und Sprache, zwischen Singen und Sprechen fließend. Zufall? Wohl kaum. Obwohl Musik und Sprache verschiedene Formen menschlicher Kommunikation sind, sind Ähnlichkeiten in Struktur, (Sprach-)Rhythmus und Melodie nicht von der Hand zu weisen – ganz besonders deutlich wird das in Liedern oder Poesie.
"Diese häufige Verschmelzung von Musik und Sprache lässt vermuten, dass das menschliche Gehirn ähnliche (gemeinsame) ‚Lösungen‘ für ihre Wahrnehmung und Produktion bereithält“, erklärt Forschungsgruppenleiterin Daniela Sammler.
"Moderne neurowissenschaftliche Methoden werden es uns ermöglichen, diese Gemeinsamkeiten und deren Grenzen weiter auszuloten, neurobiologische Schnittstellen auf dem Weg vom Klang zu Worten und Harmonie aufzudecken, auch um langfristig das Potenzial von Musik für Sprachrehabilitation und Pädagogik abzuschätzen.“
Forschungslinien zusammenführen
Das Programm der Gruppe, die im Oktober dieses Jahres die Arbeit aufgenommen hat, beleuchtet die Schnittstellen von Musik und Sprache aus vielfältigen Blickwinkeln in Wahrnehmung und Produktion. Melodie und Tonfall (die Prosodie) stehen dabei ebenso im Fokus wie die "Syntax“ von Musik und Sprache. Wie werden prosodische (also sprach-melodische) Signale neuronal verarbeitet und wie nehmen sie sich im Vergleich zur Musikwahrnehmung aus? Welche neuronalen Wechselwirkungen gehen Melodie und Text beim Liedhören ein bzw. wie integriert das Gehirn die Struktur, Bedeutung und affektive Färbung der beiden Kanäle? Und welche Mechanismen erlauben es Musikern und Gesprächspartnern flüssig miteinander zu interagieren – sei es mit Worten oder musikalisch? "Dies sind nur einige Fragen, und wir freuen uns, in der Tradition vieler Denker der Geistes- und Naturwissenschaften hier am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik Antworten darauf zu finden.“
Weitergehende Informationen erhalten Sie auf der Webseite der Forschungsgruppe Neurokognition von Musik und Sprache.
Daniela Sammler
Die Kognitionspsychologin Daniela Sammler leitete von 2013 bis 2020 die Otto-Hahn-Gruppe "Neuronale Grundlagen von Intonation in Sprache und Musik“ am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Nach ihrem Studium der Psychologie an der Universität Leipzig und Université Louis Pasteur in Strasbourg und ihrer Promotion am MPI in Leipzig forschte sie am Hôpital de la Pitié-Salpêtrière in Paris, der Université Nord-de-France in Lille, der University of Glasgow sowie der University of Western Sydney. Ihre Dissertation zur vergleichenden Neuroanatomie der Musik- und Sprachverarbeitung bei Patienten mit Hirnläsion oder pharmakoresistenter Epilepsie wurde 2009 mit der Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft für herausragende wissenschaftliche Leistungen ausgezeichnet. 2018 habilitierte sie sich erfolgreich an der Universität Leipzig. Abends man trifft sie gern in Gesellschaft von Musikerkolleg*innen, um in Vorträgen der Öffentlichkeit ihre Wissenschaft von Musik und Sprache im gemeinsamen Konzerterlebnis nahe zu bringen.