Am 13. September fand das zweite Online-Netzwerktreffen des Bündnis “Gemeinsam gegen Sexismus” statt. Es widmete sich dem Schwerpunktbereich Kultur und Medien mit Fokus auf „Sexismus in der Musikbranche” und bot Mitgliedern des Bündnisses die Möglichkeit, sich mit Expert*innen und Vertreter*innen aus Branche und Zivilgesellschaft dazu auszutauschen.
Sexuelle Belästigungen und Übergriffe im Kultur- und Medienbetrieb werden seit 2017 unter dem #metoo öffentlich gemacht und haben Sexismus und sexualisierte Gewalt in diesen Branchen ins Bewusstsein gerückt. Immer wieder werden Fälle von Übergriffen und Machtmissbrauch in Film, Theater, Medien und anderen Kultur- und Gesellschaftsbereichen bekannt. In einer Studie im Auftrag der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) gab über die Hälfte der weiblichen Befragten aus den Kultur- und Medienbranchen an, in den letzten drei Jahren sexuelle Belästigung erlebt zu haben.
Auch in der Musikbranche sind Einstellungen, Strukturen und Machtgefälle verbreitet, die Sexismus, abwertendes und übergriffiges Verhalten gegenüber Mitarbeiter*innen, Fans und Veranstaltungsbesucher*innen begünstigen. Sexistische und Gewalt gegenüber Frauen verherrlichende Inhalte finden sich oft auch in den Texten von Schlager-, Rock-, Pop- und Rapsongs.
Im Sommer 2023 wurde die Plattform #musicmetoo gegründet. Dahinter stehen zivilgesellschaftliche Initiativen wie Safe the Dance, Queer Cheer, Music S Women* sowie Music TH Women*. Mit der Plattform wollen sie Machtmissbrauch und Gewalt in der deutschen Musikbranche sichtbar machen.
Vor dem Hintergrund der jüngsten Debatten beleuchtete das Netzwerktreffen Ursachen, Handlungsbedarfe und Good Practices gegen Sexismus und sexuelle Belästigung in der Musikbranche. Es bot interessierten Bündnismitgliedern die Möglichkeit, sich mit Expert*innen und Vertreter*innen aus der Branche und der Zivilgesellschaft dazu auszutauschen und zu vernetzen.
Themenblöcke und Inputs
- Sexismus, sexuelle Belästigung, sexualisierte Gewalt in der Musikbranche – Begriffserklärung, Rechtslage, Hilfsangebote: Lea Maria Breuer, Referentin Musikbereich/Volljuristin, Themis-Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt
- Sexismus in der Musikbranche – Ausgangslage, Handlungsbedarfe, Herausforderungen: Anika Jankowski, Vorständin Music Women* Germany, Christian Ordon, Geschäftsführer bei LiveMusikKommission (LiveKomm)
- Vorstellung von Good Practices gegen Sexismus und sexuelle Belästigung im Musik- und Kulturbereich: Gabriele Schulz, Stellvertretende Geschäftsführerin Deutscher Kulturrat (DKR), Martin Rüssmann, Executive Board Association for Electronic Music (AFEM), Alexandra Vogel, Gründerin Initiative Awareness.
Im Anschluss an jeden Themenblock gab es Austauschrunden, in denen die Teilnehmenden Fragen, Erfahrungen und Good Practices zu den Inputs und aus ihrem jeweiligen Wirkungsbereich einbrachten. Dabei wurden seitens der Referent*innen und Bündnispartner*innen verschiedene thematische Akzente gesetzt.
Zentrale Ergebnisse
Hinsichtlich der Rechtslage und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) wurde unter anderem konstatiert, dass es einer Weiterentwicklung bedarf, um verschiedene Gruppen (wie etwa Solo-Selbständige), einzuschließen.
Geschlecht werde in der Musikbranche nach wie vor sehr eng repräsentiert: Es wird weiterhin vornehmlich binär gefasst. Dabei werden weibliche und männliche Geschlechterrollen häufig klischeehaft, überzogen und übersexualisiert dargestellt. Um dies zu ändern und sexistische Strukturen, Geschlechts- und Rollenverständnisse aufzubrechen, brauche es einen strukturellen und Bewusstseinswandel in Gesellschaft und Branche.
Vertreter*innen aus der Musikbranche betonten, dass es ein Bewusstsein und einen klaren Bedarf für Veränderung gäbe: Das Publikum wünsche sich Veranstaltungen, die sicher und frei von Sexismus u.a. Diskriminierungsformen sind. Auf Seiten von Mitarbeitenden und Betrieben gäbe es wiederum Bedarf für Sensibilisierung und Fortbildungen für die Einführung und Umsetzung entsprechender Maßnahmen.
Laut Branchenvertreter*innen werden vermehrt Maßnahmen gegen Sexismus und sexuelle Belästigung eingeführt oder aktuell erarbeitet (siehe hierzu bspw. den Code of Conduct der AFEM oder die Awareness Akademie der Berliner Clubcommission) – insgesamt sei es aber noch ein weiter Weg. Ein Hindernis sei häufig, dass es sich bei vielen Veranstalter*innen um kleine und mittlere Betriebe handele, die oft nur begrenzte personelle und finanzielle Ressourcen hätten, um sich fortzubilden, Maßnahmen zu ergreifen und umzusetzen.
Auch von Expert*innen aus der Zivilgesellschaft wurde betont, dass Codes of Conduct (CoC) ein wichtiges Element seien, es aber zum Teil an der Umsetzung hapere. Es sei wichtig, dass solche Verhaltenskodizes sich auf alle Bereiche eines Veranstalters oder Betriebs beziehen und von weiteren Maßnahmen flankiert werden. Je deutlicher die Sprache sei, desto besser.
Hinsichtlich der Einführung und Etablierung von Awareness-Strukturen und -Teams brauche es individuelle Konzepte, aber auch Mindeststandards, die beachtet werden sollten, um die Qualität zu sichern (siehe z.B. die Must-Haves der Initiative Awareness). Zentral sei zum Beispiel, dass Teams professionell ausgebildet sind.
Statement von Bundesfrauenministerin und Schirmherrin Lisa Paus
Anlässlich des Netzwerktreffens erklärte Lisa Paus, Bundesfrauenministerin und Schirmherrin des Bündnis “Gemeinsam gegen Sexismus“: “Wenn viele Menschen zusammenkommen, ist auch die Gefahr von sexuellen Belästigungen im Publikum häufig erhöht. Im Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der Konzert- und Veranstaltungsbranche habe ich von vielen Beispielen guter Praxis gehört: Es gibt zum Beispiel Anlaufstellen, Awareness-Teams, Schutzräume oder einen Code of Conduct mit verpflichtenden Regelungen.
Es braucht nun einen verstärkten Austausch, gute Konzepte und vor allem entschlossenes Handeln, um Sexismus und sexuelle Belästigungen erfolgreich zu bekämpfen. Es ist an der Zeit! Das Bündnis ‘Gemeinsam gegen Sexismus’ ist dafür der richtige Ort. Darum werbe ich für einen Beitritt und die Mitarbeit von Unternehmen der Veranstaltungs- und Musikbranche im Bündnis.”