Auf der Suche nach neuen Ideen im Musiktheater der Gegenwart hat das Nationaltheater Mannheim im Jahr 2019 einen Kompositionswettbewerb für Künstler*innen, aber auch Teams aus Komponist*innen, Librettist*innen und Theatermacher*innen ausgeschrieben. Das Gewinnerteam erhält den Auftrag, Albert Camus’ Roman »Der Fremde« aus dem Jahr 1942 in eine abend­füllende Kammeroper zu verwandeln, die im Studio Werkhaus des National­theaters zur Uraufführung gebracht werden soll. Als zweiter Preis wird der Auftrag für ein Kammermusikwerk vergeben.

Die Fülle der Ideen, die Qualität und die stilistische Vielfallt, die in knapp 100 Bewerbungen aus aller Welt das Nationaltheater Mannheim erreichten, hat die Vorauswahl auf sechs Finalteams durch die Operndramaturgie nicht leicht gemacht.

Nachdem das Finale coronabedingt mehrfach verschoben werden musste, fand es am vergangenen Donnerstag, 22. Juli 2021, nun digital via Zoom statt. Eine sechsköpfige Jury und das Publikum konnten nach einer konzeptionellen Vorstellung und musikalischen Kostproben, präsentiert von Musiker*innen des Nationaltheaters, abstimmen und die Gewinnerteams küren.

Damit geht der erste Preis, ein mit 20.000 Euro dotierter Kompositions­auftrag, an Cecilia Arditto (Komposition), Annette Müller (Libretto) und Bart Brouns (Beratung).

In der Begründung der Jury heißt es unter anderem:

»Ich habe mich für das Team um Cecilia Arditto entschieden, weil mir die Kombination einer klaren Erzählweise dicht am Autor mit einer phantastischen Welt aus Geräuschen, Klängen, Lichtern und Bewegungen spannend und innovativ erschien. Anstelle einer Oper erwarte ich mir ein fremde, poetische Klang-Welt.« Jan Dvořák (Dramaturg, Komponist und Leiter des Festivals »Mannheimer Sommer«)

Krystian Lada (Regisseur und Librettist) fügt hinzu: Ich habe mich für das Team von Cecilia Arditto entschieden, weil sie ein Verständnis dafür haben, Theater in Musik und Musik in Theater zu überführen. Und weil sie die multisensorischen Gestalt des Stücks in den Mittelpunkt der Opernkomposition stellen.«

Ein Punkt der auch den Komponisten Sidney Corbett überzeugte: »Das Projekt von Cecilia Arditto hat mich zum einen wegen der Linearität der Erzählweise überzeugt, die mir einen guten Rahmen für den komplexen Inhalt des Werks zu geben scheint. Zum anderen gefiel mir die Sinnlichkeit der musikalischen Sprache, besonders im Zusammenhang mit den Klangobjekten, die vom Text inspiriert sind.«

Der zweite Preis, ein mit 5.000 Euro dotierter Kammermusikpreis, geht zudem an Ehsan Khatibi (Komposition), Elnaz Seyedi (Komposition) und Johannes Abel (Libretto). Dieses Team konnte nicht nur die Jurystimmen, sondern auch die des Publikums für sich gewinnen.

In der Begründung der Jury heißt es:

»Den Kammermusikpreis vergebe ich an das Team um Elnaz Seyedi und Ehsan Khatibi, das in seinem Zugang zu Camus’ Roman den Tod als thematische Struktur wählt. Mich überzeugt die hörspielartige Atmosphäre, die sorgfältige Auswahl an Klängen sowie die Tiefgründigkeit des Konzeptes. Es ist mutig und konsequent Meursault nicht als singenden, sondern nur als erzählenden Protagonisten auf die Bühne zu setzen und so die Entfremdung zu verhandeln.« Theresa Beyer (Musikjournalistin, Kuratorin und Leiterin der Musikredaktion bei SRF2 Kultur)

Cordula Däuper (Regisseurin) ergänzt: » Den zweiten Preis möchte ich an das Team um Elnaz Seyedi und Ehsan Khatibi vergeben, deren bezwingende, eindringliche Klänge mich überzeugt haben. Auch den Umgang mit Sing- und Sprechstimme, Wort- und Stimmfetzen finde ich im Zusammenhang mit dem subjektiven Erleben der Hauptfigur sehr interessant. Ein im besten Sinne elektrisierendes „Hörspiel“ kann entstehen.

Sidney Corbett (Komponist) und Giorgos Panagiotidis (Ensemble Modern) sind sich einig, dass es eine sehr schwere Entscheidung war, da viele gute Ideen und Projekte dabei waren und es so ein gewinnbringender Abend für alle war. Am Ende fügt Corbett hinzu und das Nationaltheater kann sich dem nur anschließen: »Ich freue mich auf die Ergebnisse«.