In Bochum hat gestern die Deutsche Orchesterkonferenz 2006 stattgefunden. Etwa 300 Teilnehmer, darunter Musiker aus nahezu allen deutschen Profiorchestern und namhafte Vertreter aus den Bereichen Kultur- und Orchestermanagement, Kultur- und Bildungspolitik sowie Medienpolitik und Rundfunkanstalten, diskutierten über die Zukunft der deutschen Orchester und ihre Neupositionierung in der Gesellschaft.

Wichtigstes Ergebnis der Orchesterkonferenz ist die Formulierung von drei Zielen, die jedes Orchester – neben seiner Konzert- und Operntätigkeit als Hauptaufgabe – künftig konsequenter verfolgen soll:

1. Bessere Vernetzung des Orchesters in seinem regionalen Umfeld als „das“ Zentrum regionaler Musikkultur.

2. Massiver Ausbau differenzierter Musikvermittlungsprogramme für Kinder und Jugendliche – nicht als Ersatz für Musikerziehung in der Schule, sondern als Unterricht an einem anderen Ort. Darüber hinaus eine wesentliche Vergrößerung der Musikvermittlungsangebote für Eltern, Senioren und auch jene Menschen, die bisher noch keine oder nur geringe musikalische Sozialisation erfahren haben.

3. Ausbau der Marketingaktivitäten im Sinne eines ganzheitlichen Führungskonzeptes, das einerseits sowohl den Bedürfnissen des bestehenden als auch des potenziellen Publikums gerecht wird, andererseits weder eine Kommerzialisierung noch eine Nivellierung des künstlerischen Angebots zulässt. Regelmäßige professionelle Besucher- und Nichtbesucherumfragen sind hier ein erster wichtiger Schritt.

Seit über zehn Jahren sehen sich viele deutsche Orchester, bedingt durch die Finanzkrise der öffentlichen Haushalte, unter immer stärkerem Rechtfertigungsdruck. Alltagssorgen lassen kaum Zeit zum Nachdenken, schon gar nicht zum Vorausdenken. Doch wie sieht die Arbeit eines deutschen Profiorchesters in zehn, zwanzig Jahren aus? Was muss es bieten, um seinen Platz in einem schnell sich verändernden Umfeld behaupten zu können? Die Deutsche Orchesterkonferenz 2006 zeigte hier Perspektiven auf.

„Um auch in Zukunft akzeptiert und gebraucht zu werden, müssen die deutschen Orchester bereits heute ihre Aufgabenbereiche neu definieren. Neben der reinen Konzert- und Operntätigkeit als ‚Kerngeschäft’ muss die Musikvermittlung für jede Altersgruppe zur Pflichtaufgabe und die Vernetzung im regionalen Umfeld zur obersten Maxime eines jeden Orchesters werden“, sagte Gerald Mertens, Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung.

In seinem Grußwort betonte Bundespräsident Horst Köhler: „Die Finanzkrise der öffentlichen Haushalte macht vor den Orchestern und Opernbühnen nicht halt. Die Notwendigkeit von umfassender Bildung, ästhetischer Erziehung und Förderung von Kreativität rückt gleichzeitig immer deutlicher in den Blick. Die Bemühungen von Orchestern um den künstlerischen Nachwuchs sind hoffnungsvolle Ansätze. Die Zusammenarbeit von Musikerinnen und Musikern mit denen, die Erziehungsarbeit leisten, ist ein weiterer wichtiger Baustein, das Interesse von jungen Menschen an klassischer Musik zu wecken. Es gilt, diese Anstrengungen zu verstärken, damit wir unser reiches kulturelles Erbe und unser kulturelles Gegenwartsschaffen – auch in der Musik – der nachfolgenden Generation lebendig hinterlassen. Kunst und Kultur müssen ein Grundnahrungsmittel unserer Gesellschaft bleiben. Die deutschen Orchester leisten dafür einen unverzichtbaren Beitrag.“

Am Ende der Deutschen Orchesterkonferenz wurde der „Hermann Voss Kulturpreis der deutschen Orchester“ an den Dirigenten Professor Gerd Albrecht verliehen. Mit dieser seit 1979 alle drei Jahre von der Deutschen Orchestervereinigung verliehenen Auszeichnung wurden Albrechts langjährige Verdienste um die Gewinnung junger Menschen für die klassische Musik gewürdigt. Schon in den 70er Jahren setzte sich Albrecht persönlich im Konzertsaal, aber auch in Hörfunk und Fernsehen für eine erklärende Musikvermittlung für junge Menschen ein.

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