Zum Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Haftung von Eltern bei Urheberrechtsverletzungen ihrer minderjährigen Kinder kommentiert Dr. Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundesverbands Musikindustrie:
„Die aktuelle Erklärung des BGH sollte keinesfalls als ein Freifahrtschein für betroffene Eltern bzw. ihre Kinder zum „sorglosen Filesharing“ missinterpretiert werden. Jedenfalls ist die Pressemitteilung des BGH sicherlich nicht dahingehend zu verstehen, dass Eltern nach einmaliger Belehrung sich nun nicht mehr um das Surfverhalten ihrer Kinder kümmern müssen. Welche Maßnahmen Eltern konkret zu treffen haben – vor allem auch bei wiederholten Rechtsverletzungen – bleibt mit Blick auf die Urteilsgründe abzuwarten“.
Es bleibe nun zu hoffen, dass der BGH in seiner Urteilsbegründung die Chance wahrnehme, Eltern klarere Vorgaben für einen verantwortungsvollen Umgang ihrer Kinder mit dem Internet an die Hand zu geben: „Dabei kann und soll es nicht um eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung von Kindern gehen. Vielmehr sollten frühzeitig ein Bewusstsein für den Wert von Musik, Filmen oder Büchern vermittelt und die zahlreichen Wege aufzeigt werden, digitale Inhalte legal im Internet zu nutzen. So wie Eltern ihren Erziehungsauftrag in der physischen Welt selbstverständlich wahrnehmen, haben sie ihre Kinder auch in der Online-Welt zu schützen. Hier geht es letztlich um die Medienkompetenz der Eltern und der Kinder“, so Drücke weiter.
Insgesamt zeige der Fall auch, dass die Forderung der Kultur- und Kreativwirtschaft nach einem konsistenten Haftungs- und Durchsetzungsrahmen bei Rechtsverletzungen im Internet ein drängendes Thema bleibe. Wenn die Regeln im Internet, was erlaubt und was verboten ist, nicht klar definiert sind, ist auch eine Orientierung nur schwer zu leisten. In diesem Kontext hätte auch das von der Kultur- und Kreativwirtschaft seit vielen Jahren geforderte Warnmodell klare Vorteile:
„Wir fordern seit Jahren ein Warnhinweismodell, bei dem im Fall einer Urheberrechtsverletzung zunächst eine Warnung durch den Internet-Service-Provider an den Anschlussinhaber versendet wird. Nach Erhalt einer solchen Warnung gäbe es somit die Möglichkeit, den Vorgang innerhalb der Familie zu diskutieren und damit einer erneuten Rechtsverletzung vorzubeugen. Leider scheitert die Einführung eines solchen Modells, das im Übrigen laut aktueller DCN-Studie der GfK auch von der Mehrheit der Bevölkerung als sinnvoll und wirkungsvoll erachtet wird, sowohl an der dafür notwendigen Kooperation der Internet-Service-Provider als auch am Bundesjustizministerium, das mit Begriffen wie „Angst-Modell“ gezielt Stimmung dagegen macht.“
Bei der aktuellen Entscheidung des BGH wurde ein Sonderfall verhandelt, bei dem die Eltern eines 13-Jährigen, der im großen Umfang Musikdateien in Internettauschbörsen angeboten hatte, von verschiedenen Tonträgerunternehmen auf Schadenersatz in Anspruch genommen worden waren. Die Täterschaft des Sohnes stand aufgrund seines Geständnisses im polizeilichen Ermittlungsverfahren fest. Nachdem bereits das Landgericht Köln die Beklagten zur Schadensersatzzahlung verurteilt und das Oberlandesgericht Köln dieses Urteil bestätigt hatte, waren die Beklagten in die Revision gegangen.
Der BGH sah es nunmehr als erwiesen an, dass die beklagten Eltern ihrer Aufsichtspflicht im konkreten Fall dadurch genügt hatten, dass sie ihr Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen eingehend und mehrfach belehrt hatten. Welche weiteren konkreten Anforderungen der Bundesgerichtshof an die Erfüllung der Aufsichtspflicht knüpft, wird sich im Folgenden erst aus den schriftlichen Urteilsgründen ergeben.
Absätze
Quelle
http://www.musikindustrie.de