Zum ersten Mal finden Ende Juni die „Meisterkurse für junge MusikerInnen im Irak“ statt. Musikerinnen und Musiker des Kölner Gürzenich-Orchesters reisen für 10 Tage in den kurdischen Teil des Iraks, um junge MusikerInnen zu unterrichten. Langfristig soll das Music-Education-System im Land weiter aus- und aufgebaut werden. Fast alle irakischen MusikerInnen erlernen ihr Instrument autodidaktisch, da viele Künstler nach dem Krieg nicht aus dem Exil in den Irak zurückgekehrt sind. Für diese Idee konnte der für das National Youth Orchestra of Iraq tätige deutsche Förderverein MusikerInnen des Gürzenich-Orchesters Köln gewinnen. „Die technischen und musikalischen Defizite der jungen, hoch ambitionierten irakischen Musikerinnen und Musiker, die auf ihren Probespiel-Videos für die Teilnahme an den Sommer-Akademien des National Youth Orchestra of Iraq deutlich wurden, haben uns die dringende Notwendigkeit dieses Projektes klar gemacht“, sagte Paul MacAlindin, der schottische Dirigent und Musikalische Direktor des Orchesters. Auch er unterrichtet junge Dirigenten und Pianisten bei den Master Classes im Irak. Für eine nachhaltige Entwicklung wird dringend weitere Unterstützung benötigt.

Zur Historie: Im Jahr 2009 wurde das National Youth Orchestra of Iraq gegründet, um jungen arabischen und kurdischen Musikerinnen und Musikern die Chance zu geben in einem Orchester gemeinsam Musik zu machen, unabhängig von religiöser und ethnischer Herkunft. Zuhal Sultan, eine in Großbritannien lebende junge irakische Pianistin hatte die Idee und fand in Paul MacAlindin einen wunderbaren Dirigenten und Musikalischen Leiter für die Entwicklung des Orchesters. Die jährlichen Sommerakademien sind sehr begehrt, denn seit dem Irak-Krieg gibt es kaum noch Lehrer im Land und bei den Sommer-Akademien gibt es Unterricht mit international tätigen Tutoren. Für die jungen irakischen Musiker, die fast ausschließlich autodidaktisch ihr Instrument erlernt haben, ist die Chance auf Instrumental-Unterricht sehr wichtig - aber auch die Reisen ins Ausland: 2011 waren sie als Campus-Orchester beim Bonner Beethovenfest eingeladen, 2012 gab es nach einer Probenphase in Edinburgh drei ausverkaufte Konzerte in Glasgow, Edinburgh (Fringe Festival) und in der Queen Elisabeth Hall in London. In diesem Jahr nimmt das National Youth Orchesrta of Iraq (NYOI) am Festival in Aix-en-Provence teil. Alle Sommerakademien bieten auch eine Begegnung mit der Kultur und mit jungen Musikern des jeweiligen Landes: so spielten MusikerInnen des Bundesjugendorchesters in Bonn gemeinsam mit den jungen Irakern, in Großbritannien waren es Jungendliche des Edinburgh Youth Orchestra und beim diesjährigen Festival in Aix-en-Provence in Frankreich gibt es eine Begegnung mit dem Französischen Nationalen Jugendorchester und weiteren Festivalteilnehmern.

Aus dem Wunsch nach Unterricht auch zwischen den jährlichen Sommer-Akademien entstand die Idee, mit Musikern und Pädagogen in den Irak zu reisen, um die MusikerInnen zu unterrichten und auch pädagogisch aus- und weiterzubilden, damit langfristig das Music-Education-System im Irak wieder auf- und ausgebaut werden kann. Das früher blühende System mit breit gefächerten Ausbildungen in Musik, Tanz und Theater z.B. an den „Institutes of Fine Arts“ benötigt weitere (Musik-)lehrerInnen. Das vom deutschen Förderverein des NYOI durchgeführte Projekt „Master Classes for Musicians in the Iraq“ wurde durch eine großzügige Unterstützung des British Council und weiterer Sponsoren und Förderer möglich sowie durch eine Kooperation mit MusikerInnen des berühmten Gürzenich-Orchesters Köln. Ende Juni fliegen einige Gürzenich-MusikerInnen für 10 Tage in den Irak – und auf sie warten viele irakische MusikerInnen, die sich auf pädagogische und künstlerische Anregungen freuen. Zunächst werden die Städte Erbil, Ranya und Sulaymaniyah besucht. Eine Gruppe Musikerinnen und Musiker aus Bagdad wurde nach Erbil eingeladen um teilnehmen zu können. „Das Projekt soll langfristig durchgeführt werden. Für eine regelmäßige Arbeit mit den jungen irakischen Musikerinnen und Musikern wird allerdings weitere Unterstützung benötigt, hoffentlich bald auch aus dem Irak“, so die Projektleiterin Gudrun Euler. Die Nachhaltigkeit der Arbeit zeigt bereits positive Entwicklungen im Irak: junge Musikerinnen und Musiker des NYOI spielen inzwischen auch im „Iraqi National Symphony Orchestra“, dem einzigen professionellen Orchester im Irak (in Bagdad angesiedelt), sie haben Kammermusik-Gruppen in unterschiedlichen Besetzungen sowie das „Kurdish String Orchestra“ gegründet, unterrichten und konzertieren. „Eine erfreuliche Entwicklung, die unbedingt ausgebaut werden sollte“, so der Vorsitzende des Kölner Fördervereins Karl-Walter Keppler.