Matthias Gülzow, Professor für Musikmanagement an der MHMK, Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation, stellte gestern Vormittag auf der Popkomm die Ergebnisse der von ihm geleiteten und vom VUT initiierten Untersuchung „Kreative fordern Technik – Musikplattformen im Stresstest“ zu 13 Musikportalen vor. Im Zentrum des Interesses stand dabei der langfristige Nutzen der Plattformen für die Künstler. Durchgeführt und unabhängig konzipiert wurde die Studie von insgesamt sieben Wissenschaftlern der MHMK: Prof. Matthias Gülzow vom MHMK-Campus Berlin, Prof. Dr. Tobias Debuch aus Hamburg, Prof. Dr. Martin Lücke aus München, Prof. Dr. Michael Oehler aus Köln sowie den wissenschaftlichen Mitarbeitern Judith Lehninger aus Berlin, Kerstin Ullrich aus Köln und Stefan Schulte-Holthaus aus München. Die Plattformen wurden in den 8 Kategorien Künstlerpräsentation, Promotion, Social Media, Design, Finanzen, Verfügbarkeit, Funktionalität, Fairness und Transparenz nach 45 Einzelkriterien untersucht und bewertet:

Musikvertriebsplattformen
bandcamp 2,1
recordJet 2,5
restorm 1,5
SoundCloud 2,5
music beta o.W.
vimeo 2,7
sellaround 1,5

Crowdfunding-Plattformen
Pledgemusic 1,7
Sellaband 1,5

Klassische Musikportale
simfy 2,1
Spotify 2,1
tape.tv 1,7
wahwah 1,8

Insgesamt bewerteten die Wissenschaftler die Vertriebsplattformen sellaround und restorm für Bands mit der Note 1,5 als am Besten geeignet, um eigene Songs zu promoten, sofern noch kein Vertrag mit einem großem Label unterschrieben wurde. Jedoch könne dies nicht als generelle Aussage verstanden werden, da jede Band Ihr individuelles Setup brauche. Die untersuchten Crowdfunding-Plattformen unterscheiden sich weniger in ihrer Qualität als in ihrer Ausrichtung und sollten daher im Einzelfall entsprechend den Marketingzielen ausgewählt werden, so die Studienautoren. Die Studie kommt weiterhin zum Schluss, dass die untersuchten klassischen Musikportale für Bands und kleinere unabhängige Musikunternehmen weniger interessant sind, da man dort nur wenig Einfluss auf die Aufnahme in die Portale habe. So führe der Weg zum kommerziellen Erfolg nicht über eines der klassischen Portale, „sondern über ein großes Label in diese Portale.“

Insgesamt evaluiert die Studie das große Angebot an Portalen für Musikfans, Bands und Labels, kann aufgrund der Vielzahl der Angebote und der rasanten technischen Fortentwicklung aber selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und langfristige Aktualität gewährleisten. Dies ändert jedoch nichts an den grundsätzlichen Schlussfolgerungen der Untersuchung.

1. Wie in fast allen Geschäftsbereichen ist das Internet Chance und Risiko zugleich.

Für bisher unbekannte Bands und auch kleinere Musikunternehmen überwiegen in der Summe die Chancen. Die Entwicklung der Portale ermöglicht ihnen eine leichtere Promotion von Songs. Erlöse in größerem Umfang werden allerdings auf diesem Weg auf absehbare Zeit nur in Einzelfällen zu erzielen sein.

2. Das in Praxis und Theorie allgemein entwickelte moderne Verständnis von Marketing gilt auch für die Musikbranche.

Das Idealbild des kreativen Musikers, von dem ein Management alle Widrigkeiten des Lebens fernhält, damit er sich dem Schaffensprozess in seiner reinen Form hingeben kann, scheint zwar noch in vielen Musikerköpfen zu existieren. In der Realität aber beschäftigt sich, auch durch die vorgestellten Plattformen, inzwischen eine so breite Masse von Bands selbst mit Marketing, dass nur sehr wenige Musiker auf der Welt umhinkommen werden, sich einem modernen Marketingverständnis zu stellen. Ebenso wie Songwriting, Performance und Produktion kreative Prozesse sind, an denen unterschiedliche Akteure mit ihren besonderen Kompetenzen beteiligt sind und die ineinander greifen müssen, braucht auch das Marketing für jeden Song neuen kreativen Input.

3. Auch in der kleinteiligen Musikbranche müssen die Aufwendungen für das Marketing in eine vernünftige Relation zu den Aufwendungen für die Produktion der Musik gebracht werden.

Dies gilt insbesondere im semiprofessionellen Bereich. Die übliche Faustformel „pro Euro Investition in das Produkt ein Euro Investition in das Marketing“ wird auch hier Gültigkeit haben. Auf dem Weg zum wirtschaftlichen Erfolg werden auch Newcomerbands nicht umhinkommen, Marketing- und Produktionskosten zu synchronisieren.

Die Studie in all ihrer Nüchternheit soll Kreative ermutigen, aktiv zu sein und zu bleiben und die Vielfalt der Marketingmöglichkeiten zu nutzen. Bei genauer Kenntnis des Marktes ergeben sich für Musiker durch die untersuchte Musikportallandschaft mehr Chancen, um sich einem Publikum zu präsentieren.

„Wir sind glücklich, dass erstmals eine wissenschaftliche Betrachtung der Musikvermarktungsmöglichkeiten im Internet aus Künstlersicht stattgefunden hat und so die Plattformen nach klar definierten Kriterien vergleichbar macht, zugleich aber auch die Komplexität der Materie aufzeigt“, so VUT-Pressesprecher Reimut van Bonn. „Wir wünschen uns, dass die MHMK die Arbeit an dieser Untersuchung fortsetzt und damit den Künstlern eine wertvolle Orientierungshilfe im Dickicht der Onlineplattformen bietet.“

Die Studie steht unter www.mhmk.de/uploads/media/studie-kreative-fordern-technik.pdf zum Download bereit.

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