Das Brahms-Institut an der Musikhochschule Lübeck (MHL) vermeldet zwei bedeutende Neuzugänge für seine Sammlung. Durch eine Schenkung und einen Ankauf befinden sich seit Kurzem zwei weitere Briefe des Komponisten Johannes Brahms im Besitz des Instituts, das seine mittlerweile mehr als 200 Schreiben umfassende Briefsammlung des Komponisten kontinuierlich ausbaut.
Professor Dr. Wolfgang Sandberger, Leiter des Brahms-Instituts, zu den beiden Neuer-werbungen: „Brahms ist ein virtuoser Briefschreiber. Beide Schreiben spiegeln die feine Ironie und den Witz des Komponisten wider und ergänzen unsere Sammlung auf hervorragende Weise.“
Johannes Brahms an Antonia Speyer-Kufferath
Die erste Neuerwerbung ist ein Brief von Johannes Brahms an die Sopranistin Antonia Speyer Kufferath (1857–1939). Sie ist einer großzügigen Schenkung der ehemaligen Generalbundesanwältin Prof. Monika Harms aus Hamburg zu verdanken. Der Brief bietet einen charmanten Einblick in das professionelle Networking des Komponisten. Die von Brahms geschätzte Sängerin hatte mehrere Vorschläge für gemeinsame Konzerte unterbreitet – vom Liederabend bis zur Aufführung von größeren Oratorien. In seinem Brief vom 30. Dezember 1884 sagt Brahms nun aber nur ein Konzert in Krefeld zu: „Ich bin bescheiden u. nehme von Ihren schönen Anerbieten nur das kleinste: den Liedervortrag. […] Auf Crefeld freue ich mich dennoch, das werden Sie verstehen u. sich mit mir freuen auf hübsches Musiciren u. freundliches Beisammensein.“ Das freundschaftliche Verhältnis von Brahms zu der Sängerin spiegelt sich nicht zuletzt in der Unterschrift, „Ihr von Herzen ergebener Joh. Brahms“.
Antonia Speyer-Kufferath erhält ihre Gesangsausbildung bei Julius Stockhausen in Berlin und Pauline Viardot in Paris. Bis zu ihrer Heirat mit dem Musikschriftsteller Edward Speyer im Jahr 1885 ist sie eine international gefragte Konzert- und Oratoriensängerin.
Johannes Brahms an Fritz Simrock
Der zweite Brief, datiert auf den 30. Januar 1896 und adressiert an den Verleger Fritz Simrock, hat das Brahms-Institut bei einem Antiquariat erworben. Durch seinen Lübeck-Bezug ist das Schreiben für das Brahms-Institut von besonderer Bedeutung: Brahms erwähnt darin den Komponisten „Bruhns aus Lübeck“, der ihm Klavierstücke widmen möchte und sich dafür eine Empfehlung von Brahms erhofft. Dieser zeigt sich jedoch wenig begeistert von Bruhns und klagt gegenüber dem Verleger: „Kann man auf so was grob, fein oder überhaupt antworten!? […] Aber so was kommt jeden Tag, man kann sichs nicht arg genug vorstellen.“
Jakob Ludwig Bruhns wird 1852 als jüngster Sohn des Lübecker Weinhändlers Karl Bruhns geboren. Seine Mutter Julie stammt aus einer thüringischen Musikerfamilie. Julia da Silva-Bruhns, die Mutter von Thomas Mann, ist seine Cousine. Als 26-Jähriger wird Bruhns Teilhaber der traditionsreichen elterlichen Weinhandlung an der Untertrave 111/112, geht aber bald darauf seinen musikalischen Neigungen nach. 1889/90 studiert er am Konservatorium in Leipzig. Bruhns komponiert eine Reihe von Klavierstücken, darunter „50 Stücke zu Carl Czernys Kunst der Fingerfertigkeit“, auf die im Brief Bezug genommen wird. Die Hoffnung, Brahms durch die Widmung zu einer Empfehlung des Werkes bewegen zu können, erfüllt sich nicht. Die Klavierstücke erscheinen ohne die Widmung an Brahms im Verlag Schlesinger.
Der Öffentlichkeit werden beide Briefe erstmals am Sonntag, den 16. Juni 2024, um 11 Uhr im Rahmen einer feierlichen Matinee in Anwesenheit von Prof. Monika Harms präsentiert. Musikalisch begleitet wird die Veranstaltung mit Liedern aus dem Repertoire von Antonia Speyer-Kufferath und Werken von Jakob Ludwig Bruhns.
Über das Brahms-Briefwechsel-Verzeichnis (BBV)
Die beiden neuen Briefe werden in das Brahms-Briefwechsel-Verzeichnis (BBV) aufgenommen, ein wichtiges digitales Grundlagenwerk für die Forschung zu Leben und Werk von Johannes Brahms. Entstanden als Forschungsprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), gehört es zu den weltweit am meisten beachteten Projekten des Lübecker Instituts. Knapp 11.000 Schreiben von und an Johannes Brahms, die weltweit verstreut in Archiven, Bibliotheken und Privatbesitz liegen, sind dort dokumentiert. Das Brahms-Institut setzt sich aktiv dafür ein, diese wertvollen historischen Dokumente zu bewahren und der Öffentlichkeit nicht nur digital, sondern auch in wechselnden Ausstellungen zu präsentieren.