Für viele Kulturbetriebe sind Kredite keine Hilfe – sie schieben Probleme nur auf. Nötig sind Zuschüsse zur Liquiditäts- und Existenzsicherung im Kultursektor, fordert der Bürgermeister und Senator für Kultur und Europa des Landes Berlin, Dr. Klaus Lederer, und sieht hier auch den Bund in der Pflicht:
Es ist gut, dass im Bundeswirtschafts- und Bundesfinanzministerium derzeit über weitere wirtschaftliche Hilfen in der Corona-Pandemie nachgedacht wird. Allerdings ist es dringlich, dass dabei die Besonderheiten des Kulturbetriebs nicht erneut, wie schon bei den Soforthilfen für Klein- und Kleinstunternehmen und Soloselbständige, außen vor bleiben. Eine schnelle und unkomplizierte Kreditvergabe jenseits des Hausbankprinzips ist sicherlich wünschenswert, wenn diese zum Beispiel auf eine zehnjährige Laufzeit angelegt, vollständig abgesichert und ohne zusätzliche Kosten schnell in Anspruch zu nehmen sind.
Für viele Kulturbetriebe sind Kredite jedoch als Lösung untauglich, weil sie zwar das Liquiditätsproblem kurzfristig lösen könnten, aber unmittelbar zur kaum wieder loszuwerdenden Verschuldung führen. Aus dem Liquiditätsproblem darf kein Verschuldungsproblem werden. Denn sonst droht ein massives Wegbrechen von Kulturbetrieben zwar nicht jetzt, aber nach Corona. Eine solche Insolvenzwelle wäre ein nie dagewesener Kahlschlag und ein unwiederbringlicher Verlust für unsere Kunst und Kultur.
Viele kleinere private Kulturbetriebe (Clubs und Livespielstätten, Independent-Kinos, kleine Bühnen, Varietés und Kabaretts, professionelle freie Orchester und Gruppen, private Museen) sind zwar wirtschaftlich tätig, mit Blick auf Liquidität und Rücklagen allerdings Non-Profit-Organisationen. Sie finanzieren sich in der Regel ohne größere Gewinnmargen durch die Kartenerlöse oder Auftritte, die seit Schließung der Einrichtungen wegen Corona vollständig weggebrochen sind. Damit stehen sie vor dem Problem der Insolvenz, wenn es nicht schnell zu wirksamen Hilfen kommt. Denn die Fixkosten bleiben ihnen erhalten, selbst wenn sie alle Möglichkeiten zu ihrer Minimierung (Kurzarbeit etc.) in Anspruch nehmen.
Hinzu kommen die durch die völlige Unsicherheit der Dauer der Krise verursachten Einbrüche des Vorverkaufs und überwältigende Rückerstattungsforderungen: das ist eine existenzielle Bedrohung der gesamten Branche.
Eine Perspektive der Betriebsfortsetzung ist im Moment mehr als ungewiss, die Frage, wann wieder mit einer Normalisierung des Publikumsverkehrs gerechnet werden kann, vermag niemand zu beantworten. Kulturbetriebe waren die ersten, die schließen mussten und werden vermutlich die Letzten sein, die wieder öffnen. Unter welchen Auflagen, ist unklar, wie das Publikum reagieren wird, derzeit völlig offen. Schließlich gibt es für Kulturbetriebe gegenwärtig keinerlei Kompensationsmöglichkeiten, um Einnahmen zu erzielen. Ausgefallene Aufführungen, Programme und Kartenerlöse lassen sich – anders als in anderen Branchen – nicht nachträglich wieder "hereinholen“, sie sind für alle Zeit verloren.
Deshalb sind Zuschüsse zur Liquiditäts- und Existenzsicherung im Kultursektor zwingend erforderlich, Kredite helfen nicht weiter. Das muss sich in den neu zu konzipierenden Soforthilfen des Bundes abbilden. Kultur ist nicht nur deshalb zentral für unser Land, weil eine demokratische Gesellschaft ohne ein lebendiges Kulturleben schlechthin unvorstellbar ist. Kulturbetriebe und Orte, in denen Kunst entsteht, sind auch zentraler Teil der Wirtschaftsstruktur unseres Landes, Ausgangspunkt für die Wertschöpfung einer ganzen Branche mit erheblichem volkswirtschaftlichem Gewicht.
Ich fordere die Bundesregierung auf, die Besonderheiten der Kulturbranche bei der Konzeption von Nothilfen aufgrund der Corona-Epidemie zu berücksichtigen. Es kann nicht sein, dass die Autoindustrie, die Landwirtschaft und andere Branchen die besondere Aufmerksamkeit und Zuwendung des Bundes erfahren, während die Kulturinstitutionen unseres Landes den Bach heruntergehen. Kultur ist systemrelevant und existenziell bedroht!