2021 forderte die Bundesregierung mit dem „Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter“ (GaFöG) die Bundesländer auf, die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbeschulung bis 2025 einschließlich auszugestalten. In Nordrhein-Westfalen bereiteten daraufhin die Ressorts Schule und Jugend der Landesregierung den Referentenentwurf eines Durchführungsgesetzes vor. Sie beriefen einen Beirat ein und führten zwei Dialogveranstaltungen mit Partnern im Ganztag durch, darunter auch der Landesmusikrat NRW und der Landesverband der Musikschulen in NRW. Der Landesmusikrat erarbeitete mit mehreren seiner in den Ganztag involvierten Mitgliedsverbänden ein Positionspapier zum Ganztagsanspruch.

Noch im Dezember 2023 avisierte die Landesregierung den Referentenentwurf des Durchführungsgesetzes für Januar 2024. Stattdessen passierte im März 2024 ein Grundlagenpapier das Kabinett: „Fachliche Grundlagen zur Umsetzung des Rechtsanspruches auf Ganztagsförderung für Kinder im Grundschulalter ab 2026“. Es leitet aus den bundesgesetzlichen Vorgaben des Gesetzes zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter (Ganztagsförderungsgesetz – GaFöG) Schlussfolgerungen ab und formuliert Leitlinien der Umsetzung, insbesondere zu Personal, Kooperation, Teilnahme und Beteiligung. Ressourcenfragen klärt es nicht.

Auf gesetzliche Regelungen wollen Landesregierung und Landtag nach derzeitigem Stand verzichten. Hingegen wollen die Ressorts die inhaltlichen Merkmale des bestehenden Grundlagenerlasses zum Ganztag (BASS 12-63) weiterentwickeln.

Das Grundlagenpapier des Kabinetts hält zwar an der Einbeziehung von Kulturangeboten durch außerunterrichtliche Partner fest: „Die Kooperation mit außerunterrichtlichen Partnern (z.B. Kultur, Sport) bleibt zentrales Gestaltungsmerkmal des Ganztags, die weiterhin auf Rahmenvereinbarungen mit zentralen Partnern beruhen sollen“, vermeidet aber weitere Regelungen, die angesichts des Ausbaus des Ganztags nötig wären.

Der Landesmusikrat NRW und seine Mitgliedsverbände erwarteten von einem Durchführungsgesetz Vorgaben in Hinsicht von Einbeziehung der Partner in das System Schule, von fachlicher Qualität der Angebote, von Finanzierung der Leistungen außerschulischer Partner und weiterer Rahmenbedingungen der Angebote, zu denen auch die Bereitstellung von Räumen gehört. Das Papier zu den fachlichen Grundlagen klärt von diesen offenen Fragen nur sehr wenig. Über die einzubeziehenden Partner sagt das Grundlagenpapier lediglich: „Alle am 01. August 2026 bestehenden außerunterrichtlichen Ganztagsangebote an der Offenen Ganztagsschule (OGS) sollen als erlaubt im Sinne des § 45 SGB VIII gelten.“ Zur Qualifikation des Personals liest man: „Den nicht grundständig qualifizierten Kräften der Ganztagsträger soll ein Fortbildungs- und Qualifizierungsangebot gemacht werden. Mit Blick auf die Qualifikation des im Ganztag tätigen Personals werden Mindestanforderungen nach Inkrafttreten des Rechtsanspruches stufenweise geprüft.“

Das Bereitstellen neuer Fortbildungs- und Qualifizierungsangebote begrüßt der Landesmusikrat NRW. In Bezug auf die angestrebten Qualifikationen hätten sich die Verbände aber präzisere Vorgaben gewünscht.

Prof. Dr. Christine Siegert, Präsidentin des Landesmusikrats NRW, kommentiert dies mit den Worten: „Gerade im großen Bereich der Amateurmusikvereine, die vielerorts schon jetzt in den Ganztag involviert sind, besteht große Bereitschaft zum Engagement und Interesse an Qualifikationsleitlinien und -angeboten. Auch freischaffende Musikpädagoginnen und -pädagogen haben großes Interesse an der Arbeit im Ganztag. Und die Musikschulen bringen seit vielen Jahren sehr viel Expertise in die Durchführung des Ganztagsanspruchs ein. Wenn die Landesregierung diese Akteure ab 2026 einbeziehen möchte, muss sie entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. Und ohne sie wird dem Bedarf kaum nachzukommen zu sein. Für die Schulmusikerinnen und Schulmusiker vor Ort ergibt sich erst dadurch die notwendige Sicherheit für ein gemeinsam abgestimmtes Angebot.“

Der Verzicht auf gesetzliche Vorgaben und günstige Rahmenbedingungen wundert umso mehr, als dass die beiden zuständigen Ressorts im Rahmen der Vorbereitung des Referentenentwurfs zu einem Durchführungsgesetz bereits viele Vorarbeiten durchgeführt und der Beirat sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Partnerverbände und -einrichtungen in den beiden Dialogveranstaltungen sehr viel Know-how geliefert und Regelungen vorgeschlagen haben.

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