Seit dem 16. August haben in Baden-Württemberg vollständig geimpfte sowie genesene Personen wieder freien Zugang zu Veranstaltungen, Geschäften und Gastronomie. Die Freie und Hansestadt Hamburg wird dieses Öffnungsmodell ab 28. August in auf die 2G – also Geimpfte und Genesene – reduzierte Form übernehmen. Große Teile der Veranstaltungswirtschaft reagieren erleichtert und sehen darin nach anderthalb Jahren erstmals eine gewisse Perspektive für eine schrittweise Rückkehr zur Normalität. Aber es regt sich auch Kritik: Führende Hamburger Hotelbetreiber:innen, Gastronom:innen und Clubbesitzer:innen äußern sich kritisch über die soeben in Hamburg eingeführte 2G-Regel. Es wird bereits gemutmaßt, dass der Hamburger Plan scheitern könne. Das Hamburger Clubkombinat befürchtet einen Impfdruck, „der mit einem Ausschluss sozialer Teilhabe einhergehe. Der Arbeitsrechtler Hecht weist darauf hin, dass man Mitarbeiter nicht zur Impfung zwingen könne.“

Der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV) reagiert mit Fassungslosigkeit auf diese kritischen Stimmen. „Ich habe den Eindruck, dass die Kritiker:innen das 2G-Modell nicht richtig verstanden haben. Niemand ist verpflichtet, die Chance, welche die von Hamburg eingeführte 2G-Regel für Veranstaltungen, Musikclubs oder die Gastronomie eröffnet, auch umzusetzen“ sagt Jens Michow, Präsident des Veranstalter:innenverbandes, der bundesweit über 450 Unternehmen der Kulturveranstaltungsbranche repräsentiert. 2G sei eine Option, um vorhandene Sitzplatz- und Raumkapazitäten uneingeschränkt auslasten zu können. Niemand sei verpflichtet, sie zu nutzen. „Hamburg ist nach Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg das dritte Bundesland, welches erkannt hat, dass man Grundrechte nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit einschränken kann. Es ist aber nicht verhältnismäßig, dass man zur Eindämmung des Infektionsschutzes auch die Rechte von Menschen einschränkt, bei denen die Gefahr schwerer Infektionen ausgeschlossen ist“, so der Jurist.
Kein:e Veranstalter:in sei glücklich darüber, bei Nutzung der 2G-Regeln auf derzeit rund 40% des Publikums verzichten zu müssen. Ohnehin, so hofft der Verbandschef, werde es sich bei 2G nur um eine vorläufige Lösung auf dem Weg zur Rückkehr in die Normalität handeln. „Ich verstehe, dass Schnelltestergebnisse nicht hinreichend zuverlässig sind. Da PCR-Tests aber der Goldstandard unter den Corona-Tests sind, sollten auch die negativ PCR-Getesteten in gleicher Weise an Veranstaltungen teilnehmen können wie die 2G.“

Die Kritik, dass es sich bei 2G um eine ‚Impflicht durch die Hintertür‘ handele, hält Michow für unberechtigt. „Kein Mensch kann und soll gezwungen werden, sich impfen zu lassen“, stellt Michow klar. Aber wer sich nicht impfen lässt, könne keine Solidarität von Geimpften und Genesenen einfordern. „Ziel der unsere Grundrechte einschränkenden Eindämmungsverordnungen ist der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und insbesondere eine Verhinderung der Überlastung unseres Gesundheitssystems. Da Immunisierte, also die 2G, die Gewähr dafür bieten, dass sie diese Zielerreichung nicht mehr gefährden, ist es nicht mehr verhältnismäßig, wenn ihre Grundrechte in gleicher Weise eingeschränkt bleiben wie die nicht immunisierter Menschen. Daher müssten für die 2G auch die Türen von Restaurants, Musikclubs und Konzerthallen uneingeschränkt geöffnet werden dürfen.

Und natürlich sei klar, stellt Michow fest, dass das 2G-System nur funktionieren kann, wenn auch die Künstler:innen und das Veranstaltungspersonal entweder geimpft oder genesen sind. Dazu werde aber niemand zur Impfung ‚gezwungen‘ werden müssen. „Ebenso, wie wir von unserem technischen Personal das Tragen vorgeschriebener Schutzkleidung erwarten, ist es rechtlich unbedenklich, wenn für den Einsatz bei Veranstaltungen nur Mitarbeiter:innen ausgewählt werden, die immunisiert sind, also die erforderlichen Voraussetzungen für eine Präsenz bei der Veranstaltung bieten.“

Die Verbände des „Forum Veranstaltungswirtschaft“, der Allianz maßgeblicher Verbände des Wirtschaftszweigs, der auch der BDKV angehört, hat die 2G-Forderung zwischenzeitlich auf ‚2G+PCR‘ erweitert. Anders als der Schnelltest sollte auch ein negatives PCR-Testergebnis die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass von der getesteten Person keine Infektionsgefahr mehr ausgeht, sodass man auch diesen Personen den Zugang zu kapazitätsunbeschränkten Veranstaltungen ermöglichen müsse.
„Die Option von 2G bzw. 2G+PCR ist derzeit die einzige Alternative, um der Kulturveranstaltungs-wirtschaft zumindest ein kleines Stück den Weg zurück in die Normalität zu ebnen“, sagt der Verbandspräsident. „Anders als Gastronom:innen und Musikclubs erbringen Veranstalter:innen ihre Leistungen nicht in eigenen Räumen. Für jedes einzelne Event muss die Spielstätte sowie die gesamte Infrastruktur separat angemietet werden. Das lässt sich aber nur finanzieren, wenn der:die Veranstalter:in hundert Prozent der Kapazität des gemieteten Raums vollständig nutzen darf. Daher fordern wir nun die unverzügliche bundesweite Umsetzung dieses Modells.“ Die Branche rolle mit schnellen Schritten auf ein drittes Krisenjahr zu. „Sofern die Länder jetzt nicht endlich schnell reagieren und zumindest den Hamburger Weg umsetzen, werden wir die Verfassungsgemäßheit der entsprechenden Verordnungen gerichtlich klären lassen.“, kündigt Michow an.

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