Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, legt einen Forderungskatalog zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit in Kultur und Medien vor.

Der Deutsche Kulturrat tritt für Geschlechtergerechtigkeit in Kultur und Medien ein. Sie entspricht dem verfassungsrechtlichen Ziel der Gleichstellung der Geschlechter. Der Staat hat die Verpflichtung, Maßnahmen auf allen Ebenen zu ergreifen, um dieses Ziel zu erreichen. Strukturelle Hindernisse müssen abgebaut und beispielsweise neue Arbeitsmodelle etabliert werden.

Geschlechtergerechtigkeit in Kultur und Medien ist eine Querschnittaufgabe, die zum festen Bestandteil kulturpolitischer Forschung, Diskussion und vor allem entsprechenden Handelns werden muss.

Geschlechtergerechtigkeit umfassend umzusetzen, ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe, die sämtliche Lebensbereiche und Rahmenbedingungen umfasst.

Es geht darum, in den Kulturbereichen, in denen bislang für einzelne Geschlechter Nachteile bestehen, Geschlechtergerechtigkeit herzustellen. Die Chance, Kunst hauptberuflich ausüben und sich künstlerisch entfalten zu können, muss für alle Geschlechter gleich groß sein. Der Gender-Pay-Gap ist hier einer der zentralen Indikatoren für das Erreichen oder Nicht-Erreichen der angestrebten Geschlechtergerechtigkeit.

Gendergerechter Zugang zu individueller sowie projektbezogener Förderung

Der Deutsche Kulturrat fordert, dass

  • Jurys und Auswahlgremien, die durch öffentliche Mittel finanziert werden, paritätisch besetzt werden,
  • Maßnahmen der individuellen und projektbezogenen Förderung von Künstlerinnen, Künstlern und Kreativen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch familiengerechte Konditionen berücksichtigen,
  • altersunabhängige Förderprogramme für den beruflichen Wiedereinstieg nach einer Familienphase entwickelt werden, die Vätern und Müttern offenstehen,
  • Bewerbungs- und Auswahlverfahren, sofern möglich und sinnvoll, anonymisiert erfolgen,
  • die Vergabe von Preisen, Stipendien und Auszeichnungen nicht von der Geschlechterzugehörigkeit beeinflusst sein darf.

Gleiche Einkommenschancen durch Überwindung des Gender-Pay-Gap
Der Deutsche Kulturrat fordert, dass

  • Verbände der Urheberinnen und Urheber sowie der ausübenden Künstlerinnen und Künstler bestehende Honorarempfehlungen weiterentwickeln und, wo sie noch nicht vorhanden sind, entsprechende auf den Weg bringen,
  • diese genannten Verbände auf die Unzulässigkeit der Geheimhaltungsklausel in Arbeitsverträgen aktiv hinweisen,
  • Kultureinrichtungen und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft die Transparenz der Gehälter und Honorare befördern, indem beispielsweise anonymisierte Spannen der Gehalts- und Honorarstruktur zugänglich gemacht werden,
  • Kultureinrichtungen und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft die Vergütungsstruktur regelmäßig auf geschlechterspezifische Ungleichheiten überprüfen.
  • die Honorarempfehlungen in Förderrichtlinien von Bund, Ländern und Kommunen, in Kultureinrichtungen und Unternehmen der Kreativwirtschaft berücksichtigt und umgesetzt werden.

 

Kein Raum für Vorurteile und Rollenklischees in frühkindlicher Bildung, an allgemeinbildenden Schulen, in der außerschulischen Kinder- und Jugendbildung sowie in der Studien- und Berufsberatung
Der Deutsche Kulturrat fordert, dass

  • in der frühkindlichen und außerschulischen Bildung sowie an den allgemeinbildenden Schulen bei jeglichem Lehrmaterial – sowohl mit Blick auf den Inhalt als auch die Gestaltung – sowie der pädagogischen Methodik darauf geachtet wird, nicht stereotypisierte Vorbilder zu präsentieren. Hier sind besonders die Autorinnen und Autoren von Lehrwerken sowie die Verlage von Bildungsmedien gefordert,
  • sämtliche Lehrpläne ihrerseits auf Vorurteile und Rollenklischees überprüft werden,
  • in den allgemeinbildenden Schulen über künstlerische sowie technisch-kreative Berufe und die damit verbundenen Berufschancen verstärkt informiert wird, um die geschlechtsspezifischen Zuweisungen aufzubrechen,
  • in der Studien- und Berufsberatung Heranwachsenden alle Berufe genderneutral nahegebracht und zur Wahl von Genres und Fächern (Klassik versus Jazz, Instrument versus Dirigat oder Komposition) ebenso beraten wird,
  • bei der Aus- und Fortbildung aller Lehrkörper darauf geachtet wird, die hier aufgeführten, genderneutralen Bildungsideale zu integrieren sowie die Kollegien möglichst geschlechterausgewogen zu besetzen; hier sind u.a. die Fortbildungseinrichtungen für Lehrerinnen und Lehrer sowie die Schulen und zuständigen Ministerien gefordert.


Etablierung von Parität an Hochschulen
Der Deutsche Kulturrat fordert, dass

  • Aufnahmegremien und Besetzungskommissionen an künstlerischen Hochschulen und Universitäten durchgängig paritätisch besetzt werden,
  • die Besonderheiten des Arbeitsmarktes Kultur (Gender-Pay- und Gender-Show-Gap, geschlechterspezifische Typisierungen von Genres und Berufsfeldern etc.) Teil des Lehrangebots an Kunst- und Musikhochschulen werden, so dass die Studierenden über ihre Chancen und die Herausforderungen im Beruf ein realistisches Bild bekommen,
  • geschlechtsspezifische Coachingangebote zur Stärkung der Verhandlungskompetenzen eingeführt werden,
  • die Programme zur Förderung von Professorinnen fortgesetzt und mehr Professorinnen an Kunst- und Musikhochschulen berufen werden, aber auch im Mittelbau und bei der Vergabe von Lehraufträgen die Geschlechtergerechtigkeit berücksichtigt wird, mehr Frauen in Leitungsfunktionen gewählt werden, um Parität herzustellen und den Studierenden vermehrt weibliche Vorbilder zu geben, auch für Führungspositionen die Arbeitsbelastung auf ein lebensfreundliches Maß begrenzt wird, z. B. durch mehr Teamarbeit, paritätisch besetzte Doppel- oder Mehrfachspitzen und flexible Karriere- sowie Arbeitszeitmodelle,
  • es Möglichkeiten für Studierende und Lehrende gibt, Kleinkinder uninah oder uniintern betreuen zu lassen.


Öffentlich finanzierte Kultureinrichtungen und öffentlich-rechtlicher Rundfunk müssen der Geschlechtergerechtigkeit in besonderer Weise verpflichtet sein
Der Deutsche Kulturrat fordert, dass

  • öffentlich finanzierte Kultureinrichtungen und der öffentlich-rechtliche Rundfunk Geschlechtergerechtigkeit als personalpolitisches Ziel formulieren und dieses Ziel konsequent verfolgen – zum Beispiel durch vermehrte Teilzeitangebote auch für Führungspositionen, flexible Karrieremodelle, mehr Teamarbeit oder Doppel- und Mehrfachspitzen und die Überwindung des Gender-Pay-Gap,
  • Aufsichts- und Beratungsgremien sowie Rundfunk- und Verwaltungsräte in allen öffentlich-rechtlichen Anstalten verbindlich geschlechtergerecht besetzt werden; zentrale Instrumente sind dabei die Landesrundfunkgesetze, der ZDF-Staatsvertrag, der Deutschlandfunk-Staatsvertrag sowie das Deutsche-Welle-Gesetz,
  • die geschlechtergerechte Besetzung beispielsweise durch den Beschluss eines Gleichstellungskodexes oder die Verabschiedung eines Gremienbesetzungsgesetzes, das ein Reißverschlussverfahren oder paritätisch besetzte Vorschlagslisten auf Bund- und Länderebene vorsieht, realisiert wird,
  • diese Zielvorgaben mit einem festen Zeitrahmen versehen und Sanktionen im Falle einer Nichtbeachtung formuliert werden.

 
Kultur- und Medienverbände setzen sich Geschlechtergerechtigkeit zum Ziel
Der Deutsche Kulturrat fordert, dass

  • Personenzusammenschlüsse aus dem Kultur- und Medienbereich sich aktiv um eine geschlechtergerechte Zusammensetzung in der Zusammensetzung der Vorstände und Präsidien bemühen sollten,
  • die ehrenamtlichen Strukturen so gestaltet werden, dass das zivilgesellschaftliche Engagement mit Beruf und Familie vereinbar ist,
  • bei der Besetzung hauptamtlicher Stellen gendergerechte Bewerbungsverfahren etabliert werden; weiter können anonymisierte Auswahlverfahren und transparente Personalentwicklungspläne zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beitragen.


Verpflichtendes Monitoring und entsprechende Evaluationen sind notwendig
Der Deutsche Kulturrat fordert, dass

  • öffentlich finanzierte Einrichtungen der individuellen Künstlerinnen- und Künstlerförderung über die Gewichtung ihrer Förderung von Frauen und Männern Auskunft geben und dabei auch Fördersummen ausweisen,
  • in den Jahresberichten von öffentlich finanzierten Kultureinrichtungen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk über Maßnahmen zur Geschlechtergerechtigkeit Auskunft gegeben, über die Gremienbesetzung berichtet und über die Anteile von Frauen und Männern in den unterschiedlichen Positionen informiert wird,
  • in den Jahresberichten der künstlerischen Hochschulen und Universitäten die Anteile der weiblichen und männlichen Studierenden sowie Lehrenden gegenübergestellt sowie Maßnahmen, um Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen, dargestellt werden,
  • Verbände durch finanzielle Förderungen in die Lage versetzt werden, eigene statistische Analysen vorzunehmen, um die empirische Kulturforschung zu stärken und hin zu non-binären Betrachtungsweisen weiterzuentwickeln, denn geschlechter­spezifisches Monitoring sowie größerer Transparenz und Zugänglichkeit.


Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft in die Verantwortung einbinden
Der Deutsche Kulturrat fordert, dass

  • Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft die diverse Repräsentation ihrer Beschäftigten auf allen Hierarchieebenen fördern und eine aktive und strategische Personalplanung umsetzen, die bei Karriereschritten die Lebenslaufperspektive berücksichtigt; d. h. unterschiedliche Zeitpunkte für Bildungsphasen, Familienpausen, Wiedereintritt usw. dürfen kein Hinderungsgrund für Karrierewege und Aufstiegswünsche der Beschäftigten sein,
  • Maßnahmen zur Umsetzung von familienfreundlichen Arbeitsmodellen, Führung in Teilzeit, geschlechtergerechte Besetzung von Führungspositionen und Transparenz der Gehälter zur Verringerung des Gender-Pay-Gaps auch von der Kultur- und Kreativwirtschaft mit einem festen Zeitrahmen und verbindlichen Regeln versehen werden.
  • die Unternehmen obligatorische Trainings zur Erhöhung der Genderkompetenz aller Beschäftigten durchführen, um über unbewusste Stereotype und Rollenvorstellungen aufzuklären und gendersensibles Verhalten zu fördern.


Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: "Die von uns 2016 veröffentlichte Studie "Frauen in Kultur und Medien“ hat eine intensive Debatte über die Geschlechtergerechtigkeit im Kulturbereich ausgelöst. Die großen Defizite wurden in unserer jüngsten Studie "Frauen und Männer im Kulturmarkt" noch einmal deutlich bestätigt. Noch immer werden Frauen im Kulturarbeitsmarkt strukturell benachteiligt. Deshalb muss sich jetzt etwas ändern. Geschlechtergerechtigkeit im Kultur- und Medienbereich kann erreicht werden, wenn jetzt Bundesregierung, Bundestag, Kulturverbände und Kulturwirtschaft an einem Strang ziehen. Deshalb haben wir einen umfangreichen Forderungskatalog vorgelegt, damit allen klar ist, was getan werden muss.