Dresdner Philharmonie zum Tod von Krzysztof Penderecki

Die Dresdner Philharmonie trauert um einen der einflussreichsten Komponisten der vergangenen Jahrzehnte. Noch Anfang März dieses Jahres war Krzysztof Penderecki eingeladen, am Pult der Dresdner Philharmonie sein Concerto grosso für drei Violoncelli und Orchester zu dirigieren. Er musste sein Dirigat kurzfristig absagen, die Enttäuschung war groß, standen seine Werke doch in den letzten Jahrzehnten mehrfach auf den Konzertprogrammen des Orchesters. Zuletzt war in der Saison 2017/2018 Composer in Residence, in der u. a. seine Sinfonie Nr. 6 "Chinesische Lieder" erfolgreich zur Europäischen Erstaufführung kam.

Marek Janowski, Chefdirigent und künstlerischer Leiter der Dresdner Philharmonie: "Krzysztof Penderecki kannte ich persönlich seit Ende der 1960er Jahre. Zweifellos hat er den Kompositionsstil einer ganzen Ära der zeitgenössischen Musik mitgeprägt. Und er ist einer der wenigen Komponisten der vergangenen Jahrzehnte, dessen Werke einem großen Publikum bekannt und vertraut sind. Sein Tod macht mich sehr betroffen.“

Quelle: https://www.dresdnerphilharmonie.de

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Krzysztof Penderecki (1933–2020) – zum Tod des Komponisten 

Nach über 50 Jahren Verlagsfreundschaft müssen wir von Krzysztof Penderecki Abschied nehmen, der am 29.03.2020 in seinem Haus in Krakau gestorben ist. Mit ihm verliert die Musikwelt einen herausragenden Vertreter jener Komponistengeneration, die ihre ursprünglichen Impulse aus der Avantgarde des 20. Jahrhunderts empfing.

Schon in den späten 1950er Jahren suchte und fand Penderecki im Spannungsfeld von Geräusch und Musik neue Möglichkeiten des kompositorischen Ausdrucks. Damit verstörte er ein konservatives Konzertpublikum, eröffnete aber gleichzeitig neue künstlerische Horizonte und setzte sich an die Spitze der europäischen Avantgarde. Nach seiner Abkehr von den Klangexperimenten der frühen Jahre sprach man von der neoromantischen Wende Pendereckis.

Wie kaum ein zweiter seiner Generation erntete er sowohl harsche Kritik als auch große Bewunderung für seine kompositorische Entwicklung. Mitte der achtziger Jahre fand sich der Komponist an exponierter Stelle mitten in der Postmoderne-Diskussion wieder. Für ihn ergab die Gleichung aus Avantgarde und Tradition jedoch keinen Widerspruch, vielmehr glaubte er an eine Ästhetik der Synthese: "Ich habe Jahrzehnte damit verbracht, neue Klänge zu suchen und zu finden. Gleichzeitig habe ich mich mit Formen, Stilen und Harmonien der Vergangenheit auseinandergesetzt. Beiden Prinzipien bin ich treu geblieben…“.

Die andauernde Präsenz von Meisterwerken, darunter die 7. Sinfonie Seven Gates of Jerusalem, die Oper Die Teufel von Loudun, das Polnische Requiem und die wegweisende Lukas-Passion, zeugt von der breiten internationalen Bewunderung, die dem Komponisten zuteil wurde und ihn zu einem der meistgespielten Komponisten unserer Zeit macht.

Einer der letzten Vertreter der großen Form

Wer heute aus zeitlicher Distanz die Lukas-Passion von 1966 hört, wird neben den experimentellen Kompositionsweisen darin auch traditionelle Elemente finden. Nicht zuletzt die markanten A-cappella-Sätze verrieten Pendereckis enge Bindung an historische Satztechnik. Mit den Jahrzehnten lichteten sich die dichten Cluster früherer Werke zu tonalen Strukturen, sperrige Klangflächen traten hinter einer rhythmisch und melodisch greifbaren Partitur zurück. Anklänge an die spätromantische Tradition Bruckners, Mahlers, Schostakowitschs oder Strauss‘ waren bewusst gewählt: "Ich bin einer der letzten Vertreter der großen Form, der alles schreibt: Sinfonien, Opern, Oratorien, Konzerte und Kammermusik. Ich arbeite so, wie ein Komponist des 19. Jahrhunderts, der alles können musste, auch Dirigieren.“

In zahlreiche Kompositionen bettete der Komponist außermusikalische Inhalte ein – seine Sakralkompositionen zeugen oft von seinem tiefen katholischen Glauben. Mit seiner Musik setzte er auch immer wieder politische Akzente. Das Instrumentalwerk Threnos widmete er den Opfern der Katastrophe von Hiroshima, das Klavierkonzert Resurrection jenen des 11. Septembers 2001. Im Polnischen Requiem stellte Penderecki auf vielfältige Weise Bezüge zu seinem Heimatland her. Das Lacrimosa entstand 1980 als Auftrag der polnischen Gewerkschaft "Solidarnosc“, weitere Teile schrieb der Komponist zum Gedenken an die Opfer von Auschwitz und des Warschauer Aufstands. Als den Komponisten 2005 die Nachricht vom Tod Papst Johannes Paul II. erreichte, fügte er die Ciaccona in memoria Giovanni Paolo II hinzu. Von der Kritik ließ sich Penderecki in seinen Überzeugungen nicht erschüttern, als ihm etwa in einer polnischen Pressekampagne nach der Uraufführung von Resurrection vorgeworfen wurde, dass er der Ästhetik des sozialistischen Realismus huldige.

Glaube und Vergänglichkeit

Ein Merkmal seiner künstlerischen Arbeit ist, dass er über Jahrzehnte freundschaftlich mit herausragenden Solisten zusammen arbeitete. Zahlreiche Solowerke für Künstler wie Anne-Sophie Mutter (u.a. das zweite Violinkonzert Metamorphosen), Boris Pergamenschikow (Concerto grosso) oder Mstislaw Rostropowitsch (Concerto per violoncello ed orchestra no. 2) durchziehen das Werkverzeichnis des Komponisten. Er hörte auf die persönlichen Klangfarben in der Interpretation und komponierte so, dass die Interpreten größtmöglichen Raum zur Entfaltung erhielten. Seine Liebe zur Musik wollte Penderecki auch an die nachfolgenden Generationen weitergeben. Unweit seines Landsitzes in Lusławice baute er das Krzysztof Penderecki European Centre for Music auf, das zum Treffpunkt für Musiker aus aller Welt wurde.

Mit seiner achten Symphonie Lieder der Vergänglichkeit, in der Penderecki Texte berühmter Dichter rund um das Thema "Wald“ und "Baum“ vertonte, konnte er seine beiden großen Leidenschaften verbinden: Die Musik und die Natur. Für sein privates Arboretum sammelte er über 1700 unterschiedliche Baumarten. So wie die Liste der Auftraggeber, Widmungsträger und zahllosen Auszeichnungen über die Anerkennung in der internationalen Musikwelt Auskunft gibt, so erzählen die Bäume, die der weltweit gefragte Dirigent von seinen Konzertreisen mitbrachte, von seiner besonderen Liebe zur und Verbundenheit mit der Natur.

Erst nach seinen Gattungsbeiträgen sieben und acht stellte Penderecki 2017 seine 6. Sinfonie mit dem Beinamen "Chinesische Lieder“ zur Uraufführung in Guangzhou fertig. Jenseits der Opernbühnen und Konzertsäle wurde seine Musik in Kinofilmen wie "The Shining“, "Shutter Island“ und "Das Massaker von Katyn“ einem Millionenpublikum bekannt.

Persönlicher Nachruf des Schott-Verlegers Peter Hanser-Strecker
Penderecki: Biografie, Werke, Fotos zum Download

Quelle: https://de.schott-music.com