06.11.2020

An das
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz

Sehr geehrte Frau Ministerin, sehr geehrter Herr Schmid,

vielen Dank für Ihre freundliche Aufforderung, zum o. bez. Referentenentwurf aus Sicht der Komponistinnen und Komponisten in Deutschland Stellung zu nehmen.

Aus Sicht des DKV enthält der Referentenentwurf des BMJV insbesondere bei den Regelungen zur Plattformverantwortlichkeit deutliche Verbesserungen im Vergleich zu dem früheren Diskussionsentwurf. Bei einigen zentralen Punkten des Entwurfs besteht jedoch weiterhin erheblicher Nachbesserungsbedarf. Insbesondere bei den Schrankenregelungen, von denen der Bereich der Musik in erheblichem Maß betroffen wäre, bedürfen viele Fragen einer dringenden Klärung.

Die folgenden Anmerkungen orientieren sich im Wesentlichen an der Gliederung aus dem Anschreiben des BMJV vom 13. Oktober 2020 und beschränken sich auf Punkte, die für Komponisten in der Praxis besonders relevant sind (Pastiche-Schranke, Mindestbeteiligung, Bagatellschranke). Anmerkungen zu nicht im Anschreiben aufgeführten Punkten (Urhebervertragsrecht, Preflagging-Mechanismus, erweiterte Kollektivlizenzen) sind im zweiten Teil der Stellungnahme zusammengestellt.

Wir weisen an dieser Stelle darauf hin, dass wir uns bzgl. der hier nicht explizit erwähnten Punkte den Stellungnahmen unserer Partnerverbände und -institutionen – namentlich der GEMA, der Deutschen Filmkomponistenunion DEFKOM, dem Deutschen Textdichterverband DTV, sowie der Initiative Urheberrecht – anschließen.

 

1. Anmerkungen zu den im Anschreiben des BMJV aufgeführten Punkten

1.1. Zulässigkeit der Pastiche-Schranke (§ 51a UrhG-RefE)

Die Schrankenregelung des § 51a UrhG-RefE mit dem neu eingeführten Begriffs des "Pastiche“ ermöglicht eine umfassende Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken weit über das bisher zulässige Maß hinaus – ohne jede Art von Ausgleich zugunsten der betroffenen Urheber. Wie die in der Gesetzesbegründung aufgeführten Beispiele Sampling, Cover oder Remix zeigen, ist der Bereich der Musik besonders von dieser Regelung betroffen. Eine Vielzahl von aktuell lizenzierten Nutzungen könnte demnach zukünftig ohne Erlaubnis und Vergütung der Urheber der Originalwerke möglich sein. Prominente Beispiele im Bereich Sampling, Cover und Remix lassen den Schluss zu, dass diese die Verwertung des Originalwerks vollständig oder teilweise ersetzen können. Eine solche Substitution beeinträchtigt die Verwertung des Originalwerkes in einem Maß, das sich nicht mit den Anforderungen des Drei-Stufen-Tests nach Art. 5 Abs. 5 InfoSoc-Richtlinie vereinbaren lässt.

Neben der grundsätzlichen Reichweite der Schranke ist aus Sicht des DKV vor allem die Vergütungsfrage weiter zu klären. Zwar sieht der Referentenentwurf im Gegensatz zum früheren Diskussionsentwurf nun zumindest für Pastiche-Nutzungen auf UGC-Plattformen wie YouTube eine von der Plattform zu leistende Vergütung der Urheber vor (§ 7 Abs. 2 UrhDaG-RefE). Wird die gleiche Pastiche-Nutzung auf anderen Wegen, also z.B. auf Spotify ausgewertet, würden die Urheber der Originalwerke hingegen leer ausgehen. Der DKV spricht sich vor diesem Hintergrund dafür aus, dass die Regelung in §51a UrhG-RefE eng umgrenzt und mit einem umfassenden Vergütungsanspruch der Urheber kombiniert wird, und zwar unabhängig davon, ob die Nutzung digital oder analog erfolgt.

 

1.2. Mindestbeteiligung der Urheber an gesetzlichen Vergütungsansprüchen (§ 27b VGG-RefE)

Die Funktionsfähigkeit von Verwertungsgesellschaften im Bereich der Musikurheberrechte ist u.a. auf die gemeinsame Rechtewahrnehmung von Urhebern und Verlegern zurückzuführen. Vor diesem Hintergrund unterstützt der DKV grundsätzlich die Möglichkeit, dass Verleger unter Wahrung der zeitlichen Vorgaben gemäß § 63a UrhG-E an gesetzlichen Vergütungsansprüchen beteiligt werden können. Gleichzeitig begrüßt der DKV die in § 27b VGG-RefE vorgesehene Mindestbeteiligung der Urheber an gesetzlichen Vergütungsansprüchen, wodurch ein fairer Interessenausgleich zwischen den Beteiligten sichergestellt wird.

 

1.3. Zulässigkeit der Schranke für Bagatellnutzungen (§ 6 UrhDaG-RefE)

Der Referentenentwurf sieht in § 6 UrhDaG weiterhin eine Bagatellschranke für geringfügige Online-Nutzungen vor, wonach Auszüge aus einem Musikstück von bis zu 20 Sekunden auf Online-Plattformen hochgeladen werden dürfen. Zwar sollen die Urheber im Gegenzug eine pauschale Vergütung von der Plattform erhalten. Dennoch bestehen erhebliche Zweifel, ob eine solche Regelung, die sich weder auf die InfoSoc-Richtlinie noch auf die DSM-Richtlinie zurückführen lässt, europarechtlich zulässig ist. Durch die Ausgestaltung als urheberrechtliche Schranke stellt die Regelung einen erheblichen Eingriff in die Ausschließlichkeitsrechte der Urheber dar, der aus Sicht des DKV nicht zu rechtfertigen ist. Das entsprechende Ziel, automatisierte Sperrungen von geringfügigen Nutzungen zu vermeiden, könnte stattdessen auf anderem Wege erreicht werden, etwa durch verfahrenstechnische Lösungen. Die Schaffung einer neuen Schrankenregelung ist hierfür jedenfalls weder erforderlich noch angebracht.

 

2. Anmerkungen zu weiteren Punkten des Referentenentwurfs

2.1. Urhebervertragsrecht

Art. 18 DSM-Richtlinie statuiert den Anspruch der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene und verhältnismäßige Vergütung. Es ist positiv zu bewerten, dass in § 32 Abs. 2 Satz 3 UrhG-RefE der Grundsatz einer nutzungsbezogenen Vergütung nunmehr auch klar gesetzlich festgelegt werden soll. Die gewählte Formulierung sollte aus unserer Sicht jedoch noch geschärft werden. So muss der Urheber grundsätzlich an jeder wirtschaftlichen Nutzung seines Werkes angemessen beteiligt werden, was bei einer fortlaufenden Nutzung durch eine erfolgs- und damit absatzabhängige Vergütung zu erfolgen hat. Die in Umsetzung von Erwägungsgrund 73 der DSM-Richtlinie erfolgende Klarstellung, dass eine Pauschalvergütung (sog. Buy-out) künftig der Rechtfertigung durch besondere Umstände der Branche bedarf, ist äußerst wichtig und hervorzuheben. Dieser absolute Ausnahmecharakter einer Pauschalvergütung muss aus unserer Sicht jedoch im Gesetzestext noch deutlicher hervorgehoben werden. Dies könnte etwa durch die Hinzufügung des Wortes "ausnahmsweise“ deutlicher dargestellt werden (in § 32 Abs. 2 Satz 3 UrhG-RefE). Keinesfalls darf der Buy-out mit dem bloßen Verweis auf die Branchenüblichkeit gerechtfertigt werden.

Bzgl. der § 32 d-f UrhG-RefE zitieren wir beipflichtend aus der aktuellen Stellungnahme der DEFKOM:

"§32 d und e – Auskunft und Rechenschaft Dritter in der Lizenzkette

… Wir verstehen daher nicht, dass unser Anspruch nach §32a Abs. 2 im Vergleich zum Diskussionsentwurf nochmal abgeschwächt wurde. Wir erinnern uns, dass in diesem Entwurf wir Urheber ein Auskunftsrecht sowohl gegenüber dem ursprünglichen Vertragspartner, als auch gegenüber den das Werk auswertenden "Dritten“ hatten. Wir bitten Sie daher diese Möglichkeit wieder zu implementieren.

Auch die Regelung, dass Ansprüche gegen Lizenznehmer des Vertragspartners nur geltend gemacht werden können, soweit der Vertragspartner des Urhebers seiner Auskunftspflicht nach § 32d nicht binnen drei Monaten ab Fälligkeit nachgekommen ist, ist kontraproduktiv und unnötig. Im Umkehrschluss kann dies bedeuten, dass Auskünfte entlang der Lizenzkette nicht mehr möglich sind, wenn der Vertragspartner, … innerhalb dieser Frist lediglich über seine wirtschaftliche Auswertung Auskunft erteilt. Dies ist nicht im Sinne der DSM Richtlinie einer jährlichen Auskunft entlang der "Chain of Rights“.

Dagegen begrüßt die DEFKOM ausdrücklich die nun festgestellte kollektive Verhandlungsmöglichkeit in § 32d Abs. 3 und den eingeräumten Unterlassungsanspruch nach § 36d.

Die Stärkung der Berufsverbände ist allerdings unserer Meinung insgesamt noch verbesserungswürdig. Um die Identität von Urhebern und Künstlern in Konflikten mit den Verwertern so lang wie möglich zu schützen, bedarf es weiterer Mechanismen wie Verbandsklagerecht und kollektiver Abmahninstrumente. Ohne sie sind dem jetzt schon zur Genüge in der täglichen Praxis angewandten Blacklisting von Urhebern und Künstler weiter Tür und Tor geöffnet. Die Bestimmungen der DSM Richtlinie nach Artikel 18 Abs. 2 lassen dies durchaus zu bzw. regen es an.

Wir regen an, das im § 32f vorgeschlagene Mediationsverfahren so zu gestalten, dass Verbände es wahrnehmen können ohne einzelne Urheber dem Blacklisting auszusetzen. Dies wird auch ausdrücklich in der DSM Richtlinie im Erwägungsgrund 78 gefordert und könnte auf diese Weise in der Mediation installiert werden.

Mit Blick auf die Regelung zur Geltendmachung der Ansprüche der Urheber durch Urheberverbände in §32g UrhG-RefE ist es zu begrüßen, dass diese umfassend auf die urhebervertragsrechtlichen Vorschriften bezogen werden soll. Darüber hinaus wäre es sinnvoll, wenn auch die Verwertungsgesellschaften als Urheberverbände in diesem Sinne angesehen würden und die urhebervertragsrechtlichen Ansprüche ihrer Mitglieder für diese geltend machen könnten.

 

2.2. Preflagging-Mechanismus (§§ 8, 12 und 16 UrhDaG-RefE)

Das UrhDaG-RefE sieht in den §§ 8, 12 und 16 einen besonderen Mechanismus zur Kennzeichnung erlaubter Nutzungen durch die Nutzer vor (sog. Preflagging). Die äußerst problematische Ausgestaltung dieses Mechanismus im Diskussionsentwurf wurde im Referentenentwurf insofern entschärft, als der Mechanismus jetzt nach § 8 Abs. 1 UrhDaG nur noch für Inhalte gelten soll, deren Sperrung die Rechteinhaber tatsächlich verlangt haben. Zudem sieht § 16 Abs. 2 UrhDaG-RefE jetzt eine nachträgliche Vergütungspflicht der Plattform vor, sollte sich das Flagging als falsch herausstellen. Die vom DKV und vielen anderen Rechteinhabern befürchteten Missbräuche des Preflagging-Systems zur Reduktion der fälligen Lizenzvergütung werden insofern erheblich erschwert.

 

2.3. Erweiterte Kollektivlizenzen (§ 51 VGG-RefE)

Ein zentrales Anliegen der Richtlinie ist es, den Abschluss von Lizenzvereinbarungen zwischen Online-Plattformen und Rechteinhabern zu fördern. Bei der Lizenzierung kommt Verwertungsgesellschaften eine besondere Rolle zu, die die Urheberrechte ihrer Mitglieder treuhänderisch wahrnehmen. Verwertungsgesellschaften bündeln die Rechte unzähliger Rechteinhaber und können daher ein großes Rechteportfolio aus einer Hand zu festen Tarifen anbieten. Auf diese Weise wird die Rechteklärung für die Rechtenutzer erheblich vereinfacht und zugleich sichergestellt, dass die Urheber eine angemessene Vergütung für die Nutzung ihrer Werke erhalten. Der DKV begrüßt, dass der Referentenentwurf die wichtige Rolle von Verwertungsgesellschaften anerkennt, was sich auch in den neuen Regelungen zu erweiterten Kollektivlizenzen ausdrückt. Erweiterte Kollektivlizenzen schaffen Rechtssicherheit für Nutzer und können insofern ein wichtiges Mittel zur Verhinderung von "Overblocking“ darstellen. Im weiteren Prozess ist daher insbesondere darauf zu achten, dass die Regelungen zu erweiterten Kollektivlizenzen nicht ausgehöhlt oder verwässert werden.

 

3. Fazit

Zum Abschluss dürfen wir nochmals festhalten, dass es bei allen für die Kreativschaffenden positiv umgesetzter Vorgaben der Richtlinie an einigen Punkten unbedingt noch wichtiger Nachbesserungen bedarf, um die Werkschöpfungen unserer Musikautor*innen nicht weiterhin zum Spielball der wirtschaftlichen Interessen von Upload-Plattformen und sonstigen Profiteuren der Auswertung zu machen.
Ihr Ministerium hat in der Vergangenheit durch kluge Rechtspflege stets auch die Interessen der naturgemäß schwachen Künstler und Kreativen in Deutschland und damit auch im europäischen Zusammenhang im Blick gehabt. Wir würden uns sehr wünschen und darum ersuchen, dass dies auch weiterhin gewährleistet bleibt.
Mit großem Dank für Ihre verantwortungsvollen Mühen und herzlichen Grüßen

 

Moritz Eggert                                                                                   Ralf Weigand
(Präsident)                                                                                         (Vizepräsident)

 

Der 1954 gegründete Deutsche Komponistenverband (DKV) vertritt als Berufsverband die in Deutschland lebenden Musikurheber*innen aller Genres und Sparten gegenüber Politik und Wirtschaft. Besondere Schwerpunkte sind dabei das Urheberrecht auf nationaler und internationaler Ebene sowie die Mitwirkung und Einflussnahme bei der gesetzlichen Ausgestaltung der sozialen Absicherung der Arbeit von Urheber*innen im 21. Jahrhundert. Darüber hinaus stärkt der Verband die Position seiner Mitglieder gegenüber Musikverlegern, Verwertern, Medien sowie der Musikindustrie und positioniert die Interessen der Musikautor*innen in Fragen der Vergütung. Weiter setzt er sich für die Anerkennung und Verbreitung von Musik ein, die von in Deutschland tätigen Musikautor*innen geschaffen und produziert wird. Außerdem vertritt er die Interessen seiner Mitglieder auf europäischer Ebene.
Um den teils sehr spezifischen Erfordernissen der unterschiedlichen im DKV vertretenen Genres gerecht werden zu können, gibt es innerhalb des Verbandes drei Fachgruppen: Die FEM (Fachgruppe E-Musik), die DEFKOM (Deutsche Filmkomponistenunion) und die VERSO (Vereinigung Songwriter).