Prof. Franz Xaver Ohnesorg
Prof. Franz Xaver Ohnesorg  
Foto:  KFR/Georg Lukas

Begeisterung bei den Besuchern, Freude beim Festival-Team: Nach zwei Jahren konnte 2022 wieder ein weitgehend von Pandemie-Beeinträchtigung verschontes Klavier-Festival Ruhr stattfinden. Intendant Prof. Franz Xaver Ohnesorg zog bei der Abschluss-Pressekonferenz am 8. Juli eine höchst erfreuliche Erfolgsbilanz. 27.000 Besucher kamen zu den 63 Veranstaltungen des weltweit größten Klavierfestivals. 101 Pianisten, zehn Ensembles und 16 weitere Solisten aus verschiedenen musikalischen Bereichen zeigten bei 63 Veranstaltungen ihre Weltklasse. Die vielfach preisgekrönte Education-Arbeit des Festivals wurde erneut ausgezeichnet und konnte endlich wieder mit Schülerinnen und Schülern in Präsenz arbeiten und stellte u.a. die Ergebnisse eines schulübergreifenden Tanzprojekts zu Igor Strawinskys Geschichte vom Soldaten in zwei Präsentationen in Duisburg vor.

Pianisten aus 20 Nationen traten in 24 Städten der Rhein-Ruhr-Region auf, darunter erstmals in Gevelsberg. Zehn Konzerte waren ausverkauft. In Vertretung des Schirmherrn des Klavier-Festivals 2022, Bernd Tönjes, Vorsitzender des Vorstands der RAG-Stiftung, zog auch Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Mitglied des Vorstands der RAG-Stiftung, eine positive Bilanz und betonte: „Ich bin von dem verbindenden Charakter von Kultur und Musik überzeugt. Dies wird dieser Tage vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen besonders deutlich. Es ist der RAG-Stiftung eine Freude und zugleich ein großes Anliegen, ein solch hochkarätiges kulturelles Programm wie das des Klavier-Festivals im Ruhrgebiet und damit an den ehemaligen Standorten des Bergbaus zu realisieren.“ Einen besonderen Dank sprach sie Intendant Prof. Franz Xaver Ohnesorg für sein erfolgreiches Wirken aus sowie für seinen großen Einsatz für die so wichtige kulturelle Bildung und Teilhabe chancenbenachteiligter Kinder und Jugendlicher im Rahmen des auch durch die RAG-Stiftung mitgeförderten Education-Programms des Klavier-Festivals. Nicht zuletzt dankte sie auch „all den großartigen Künstlerinnen und Künstlern, die bei uns im Ruhrgebiet zu Gast waren und die Region beflügelt haben.“

Auch Intendant Prof. Franz Xaver Ohnesorg hob hervor, das unersetzliche humanitäre Miteinander bei einem Konzert sei kaum je wichtiger gewesen als in diesen schwierigen Zeiten: „Nach zwei entbehrungsreichen Jahren der Pandemie sind Publikum wie Künstler für die von der Musik gestiftete Gemeinschaft unendlich dankbar und froh“. Ohnesorg dankte allen, die diese großartigen und nachhaltigen Erlebnisse ermöglicht haben, vor allem dem Initiativkreis Ruhr als Generalsponsor des Festivals, der RAG-Stiftung als Hauptförderer 2022 und den zahlreichen Sponsoren, Förderern und Donatoren, die dem Klavier-Festival über die schwierigen Jahre der Pandemie die Treue gehalten haben.

Leitmotiv „Lebenslinien“

Mit dem Leitmotiv „Lebenslinien“ habe das Festival nach den Worten Ohnesorgs noch mehr als sonst die Künstler selbst in den Mittelpunkt gerückt. Aufgetreten sind Pianisten, die dem Festival seit Jahrzehnten freundschaftlich verbunden sind und deren künstlerischer Werdegang in zahlreichen Auftritten über einen langen Zeitraum erlebbar ist. Als Beispiele nannte Ohnesorg Martha Argerich, die im letzten Jahr ihren 80. Geburtstag feiern konnte und dem Klavier-Festival im Januar in Wuppertal gemeinsam mit Gidon Kremer (Violine) und Mischa Maisky (Violoncello) einen fulminanten Auftakt beschert hatte. Sie ist seit ihrem Debüt 1989 schon zum 29. Mal zum Klavier-Festival Ruhr zurückgekehrt.

Zum „Urgestein“ des Festivals gehört zweifellos auch Alfred Brendel. Der Doyen unter den international gefeierten Pianisten beehrte in diesem Jahr das Klavier-Festival zum 28. Mal, diesmal mit einem tiefsinnigen Vortrag zu Goethe und Beethoven. Den Rekord an Auftritten hält freilich der faszinierende Liedpianist Graham Johnson: Seinen 52. Abend beim Klavier-Festival Ruhr seit seinem Debüt 1996 bestritt er auf Schloss Herten mit dem Bariton Benjamin Appl und dem wohl berühmtesten Liedzyklus der Musikgeschichte, Franz Schuberts Winterreise. Auch Grigory Sokolov (Debüt 1993) und Elena Bashkirova (Debüt 1992) gehören zu den herausragenden Gestaltern auf dem Klavier, die mit jeweils 24 Auftritten das Publikum mit immer neuen pianistischen Höhepunkten verzaubern konnten.

Weltstars an der Ruhr

Erneut gelang es der Leitung des Festivals, Weltstars der internationalen Pianisten-Szene ins Ruhrgebiet und damit an die ehemaligen Standorte des Bergbaus zu holen: Das Eröffnungskonzert in Duisburg bestritt mit Víkingur Ólafsson einer der gefragtesten jüngeren Pianisten der Gegenwart. Freuen durfte sich das Publikum u.a. über Auftritte von Emanuel Ax, Yefim Bronfman, Hélène Grimaud, Evgeny Kissin, Igor Levit, Olli Mustonen, Ivo Pogorelich, Gerhard Oppitz und Arcadi Volodos. Jan Lisiecki konnte neben einem umjubelten Chopin-Soloabend endlich ein bereits für 2020 geplantes Projekt verwirklichen und spielte an zwei Abenden in Wuppertal und Dortmund alle fünf Klavierkonzerte Ludwig van Beethovens als Hommage zu dessen 250. Geburtstag. Für die erkrankte Khatia Buniatishvili und ihren jungen Klavierpartner Sodi Braite sprangen Sergio Tiempo und seine Schwester Karin Lechner ein. Der mit der leider erkrankten Maria João Pires geplante Abend wurde von dem erst 22jährigen Alexandre Kantorow gerettet, der in Düsseldorf eine hochsensible Auswahl an Stücken mit phänomenaler Bravour und Delikatesse interpretierte. Auch das „Gipfeltreffen“ zweier Giganten des Klaviers, Sir András Schiff und Evgeny Kissin, musste wegen einer plötzlichen Erkrankung Schiffs abgesagt werden. Spontan erklärte sich Evgeny Kissin bereit, den Abend in Essen mit seinem grandiosen Solo-Programm zu retten.

Dass auch historische Tasteninstrumente beim Klavier-Festival eine wichtige Rolle spielen, war in den Konzerten von Jörg Halubek in Hagen-Hohenlimburg und Ronald Brautigam in Schwelm zu erleben.

Debütkonzerte

13 Pianisten wurden zu ihrem Debüt eingeladen: Zu ihnen gehörte der überragende Sieger im 18. Internationalen Chopin-Wettbewerb, Bruce Liu, die erst 15jährige Alexandra Dovgan, der „BBC New Generation Artist 2021“ Tom Borrow, der Sieger im 19. Kissinger KlavierOlymp Giorgi Gigashvili und die jungen hochbegabten Pianistinnen Elena Fischer-Dieskau und Jeneba Kanneh-Mason.

JazzLine

In der JazzLine durfte sich das Publikum über die Rückkehr einiger „Stammgäste“ des Klavier-Festivals wie Chilly Gonzales und Jacky Terrasson freuen. Ihr Publikum von den Stühlen rissen aber auch Formationen wie das Trio von Wolfgang Haffner in Oberhausen, Monty Alexander, das Jazz-Wunder Hiromi und der hinreißende karibische Wirbelsturm Chucho Valdés mit dem Saxofonisten Paquito D`Rivera und ihrem jungen Sextett. Das Abschlusskonzert wird von Michel Camilo gestaltet, der zum 19. Mal zum Festival zurückkehrt.

Uraufführungen

Allen pandemiebedingten Schwierigkeiten zum Trotz gelang es Intendant Prof. Franz Xaver Ohnesorg, für das Festival 2022 zwei Uraufführungen zu realisieren: Am 13. Juni 2022 erklang in der Stadthalle Mülheim zum ersten Mal das vom Klavier-Festival in Auftrag gegebene Doppelkonzert für Violoncello, Klavier und Orchester des 1944 geborenen York Höller. Martin Helmchen (Klavier) und Elisabeth Hecker (Cello) hoben die Uraufführung mit dem Kölner Kammerorchester unter Christoph Poppen aus der Taufe. Die zweite Uraufführung war dem Klavierduo Arthur und Lucas Jussen anvertraut: Am 3. Juli präsentierten sie in Bochum als Abschluss eines temperamentvollen Abends Bunte Blätter für zwei Klaviere, ein Auftragswerk des Klavier-Festivals Ruhr von einem der führenden deutschen Komponisten der Gegenwart, Jörg Widmann.

Die Education-Arbeit des Klavier-Festivals Ruhr

Dem Education-Programm ist es nach zwei Jahren der Corona-Pandemie gelungen, seine vielfältigen Aktivitäten erfolgreich fortzusetzen. Für seine nachhaltige Stadtteilarbeit in Duisburg-Marxloh und die dort seit 2008 entwickelte Kooperationskultur wurde das Education-Programm mit dem mit 20.000 Euro dotierten erstmals vergebenen NRW-Preis Kulturelle Bildung 2022 für herausragende Kooperationskonzepte in der Kulturellen Bildung ausgezeichnet. Ein weiterer Höhepunkt war das von Richard McNicol, dem Mentor des Education-Programms, initiierte deutsch-französische Education-Projekt „Twice upon“, das Anfang April in die deutsche Erstaufführung des gleichnamigen Werkes von Luciano Berio mündete. Rund 170 Kinder und Jugendliche  aus Bochum-Gerthe (Heinrich-von-Kleist-Schule), Duisburg-Marxloh (Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium) und zwei Schulen aus dem bei Paris gelegenen Département Seine-Saint-Denis haben das ungewöhnliche Werk des italienischen Komponisten einstudiert. Angeleitet wurden sie dabei von Mitgliedern der Kölner Musikfabrik und dem Pariser Ensemble Intercontemporain – zwei der renommiertesten Klangkörper für zeitgenössische Musik. Gefördert wurde dieses außergewöhnliche Projekt, das die Stiftung Klavier-Festival Ruhr in Kooperation mit der Philharmonie de Paris durchgeführt hat, von der Ernst von Siemens Musikstiftung, der Stiftung Mercator, der Klöckner & Co SE sowie dem Deutsch-Französischen Jugendwerk.

Trotz der „Omikron“-Welle in den ersten Monaten des Jahres gelang es, eine kontinuierlich wachsende Zahl von Kindern und Jugendlichen unter Berücksichtigung aller notwendigen Sicherheitsmaßnahmen im Präsenzunterricht zu fördern. In Duisburg-Marxloh ist das Festival seit 2018 an sämtlichen Schulen des Stadtteils sowie seit 2020 an zwei Kindertagesstätten präsent. Bis zum Ende des Schuljahrs wurden in Duisburg-Marxloh und an mittlerweile vier Schulen in Bochum-Gerthe über 950 Kinder und Jugendliche in mehr als 1.100 Workshops bzw. Unterrichtseinheiten durchgeführt. Nach pandemiebedingter zweijähriger Pause konnten Resultate aus der musikalischen und tänzerischen Arbeit in diesem Jahr wieder bei zwei ausverkauften Festivalpräsentationen in der Gebläsehalle im Landschaftspark Duisburg-Nord gezeigt werden. Gefeiert wurde dabei sowohl die Arbeit aus den Grundschulen als auch das schulübergreifende Tanz- und Musikprojekt zu Igor Strawinskys Geschichte vom Soldaten.

Das langfristige Engagement des Klavier-Festivals Ruhr in Duisburg-Marxloh wird seit 2011 von der Klöckner & Co SE ermöglicht. 2015 ist als zweiter wichtiger Partner die Stiftung Mercator hinzugekommen, die die Education-Arbeit im Rahmen des Modellprojekts "ÜberGänge - Brücken bauen mit Musik und Tanz" fördert und in die Breite trägt.

Auch in der Little Piano School und im KlavierGarten, seit 2019 mitgefördert durch die RAG-Stiftung, konnten die Präsenzangebote im Laufe des Frühjahrs stabilisiert werden. Allein in Essen gibt es mittlerweile wieder sechs Standorte, an denen 119 Kinder im Alter von 2 bis 6 Jahren in 23 Gruppen jede Woche im Kleingruppenunterricht musikalisch und sozial gefördert werden. Bei einer der beteiligten Kindertagesstätten handelt es um einen sogenannten armutssensiblen Kindergarten. Auch im Kirchenkreis Gladbeck-Bottrop-Dorsten finden wieder zahlreiche Präsenzangebote statt. So werden in fünf Gladbecker Kindergärten 100 Kinder in 21 Gruppen unterrichtet. Unter den zahlreichen Fortbildungsangeboten konnte im Juni eine sechstägige Workshop-Woche mit der Begründerin der Little Piano School, Kim Monika Wright, wieder in Präsenz stattfinden.

Dank der Förderung der RAG-Stiftung, die sich bereits seit 2016 für das Education-Programm mit dem Ziel der kulturellen Teilhabe chancenbenachteiligter Kinder und Jugendlicher engagiert, konnte auch die gemeinsame Initiative „Junges Ruhrgebiet“ fortgesetzt werden. Über 400 Jugendlichen wurde so ermöglicht, ausgewählte Konzerte zu besuchen.

Preis des Klavier-Festivals Ruhr

Mit dem Preis des Klavier Festivals Ruhr 2022 werden Yaara Tal und Andreas Groethuysen ausgezeichnet. Das Duo spielt am 8. Juli im Kulturzentrum am ehemaligen Bergbaustandort Herne sein 17. Konzert seit seinem Debut 1997. Die „Lust am gemeinsamen Klang“ prägte jeden ihrer Auftritte, für die sie oft spezielle Programme für das Klavier-Festival zusammengestellt haben. Zudem wirkte das weltbekannte Duo mit großer Begeisterung bei einigen Education-Präsentationen mit.