Sie ist eine der großen Sängerinnen der vergangenen Jahrzehnte. Eine herausragende internationale Karriere ist ihr gelungen, die Staatsoper Unter den Linden war aber immer ein Fixpunkt und ein Stück Heimat. Anna Tomowa-Sintow, vor genau 80 Jahren im bulgarischen Stara Zagora geboren, errang weltweite Berühmtheit als Opern- wie als Konzertsängerin; ihre silberglänzende, ausdrucksstarke und wandlungsfähige Stimme beeindruckte ebenso wie ihre Bühnenpräsenz und ihr Temperament. Für die hohe Wertschätzung spricht auch, dass Anna Tomowa-Sintow gleich zwei Mal der Titel einer »Kammersängerin« verliehen wurde, an der Wiener Staatsoper wie an der Staatsoper Unter den Linden.
Ihr 80. Geburtstag am 22. September 2021 ist Anlass, sie an dem Haus, an dem sie zum Weltstar wurde und dem sie seit Jahrzehnten eng verbunden ist, zum Ehrenmitglied zu ernennen.
Als Tochter einer Opernchorsängerin trat sie schon als Kind im Theater auf. Nach ihrer Gesangsausbildung am Konservatorium in Sofia feierte sie in ihrer Heimatstadt 1965 ihr Debüt als Tatjana in Tschaikowskys »Eugen Onegin«. 1967 kam sie ans Opernhaus Leipzig, wechselte 1972 dann aber nach Berlin, an die Staatsoper Unter den Linden. Hier sang sie zahlreiche große Partien des lyrischen und dramatischen Sopranfachs, vor allem in Opern von Mozart, Wagner, Verdi, Puccini und Strauss, auch im slawischen Repertoire. Zu nennen sind etwa Fiordiligi, Donna Anna und Contessa, Elsa und Elisabeth, Desdemona und Aida sowie Ariadne, Arabella und Marschallin – und darüber hinaus noch Vieles mehr. Rasch avancierte sie zum Publikumsliebling, oft und gern kam sie auch in späteren Jahren an die Staatsoper zurück. So war sie 2013 als Saburowa in der von Daniel Barenboim dirigierten Neuproduktion von Rimsky-Korsakows »Die Zarenbraut« im Schiller Theater zu erleben, wo sie durch ihre stimmliche Frische wie durch ihre spielerische Lebendigkeit ihre Kolleg:innen auf der Bühne und die Zuschauer:innen im Saal begeistert hat. 2017 sprach sie zur Wiedereröffnung des grundsanierten Opernhauses Unter den Linden die Zueignung aus Goethes »Faust« als Auftakt zum Musiktheaterabend »Zum Augenblicke sagen: Verweile doch!« mit Schumanns »Faust-Szenen«.
Mit dem Beginn ihres Berliner Engagements setzte auch die weltweite Gastiertätigkeit von Anna Tomowa-Sintow ein. 1973 startete die Zusammenarbeit mit Herbert von Karajan, der die junge Sängerin für die Uraufführung von Orffs »De temporum fine comoedia« zu den Salzburger Festspielen verpflichtete. 19 Festspielsommer hat sie in der Mozartstadt gesungen, in Opern- wie Konzertaufführungen. Mit den bedeutendsten Orchestern und Dirigenten ist sie gemeinsam aufgetreten, an allen bedeutenden Zentren der Klassischen Musik hat sie ihre künstlerischen Spuren hinterlassen, darunter die Wiener Staatsoper, das Teatro alla Scala und das Royal Opera House Covent Garden. Neben Herbert von Karajan, der als Mentor besonders prägend war, sang sie in Aufführungen, die von Künstlern wie Carlos Kleiber, Karl Böhm, Wolfgang Sawallisch, Colin Davis, Claudio Abbado, Riccardo Muti, Zubin Mehta oder Daniel Barenboim geleitet wurden. Zu ihren Bühnenpartnern zählten alle Großen der Opernwelt, einschließlich der »Drei Tenöre« Luciano Pavarotti, Plácido Domingo und José Carreras. Zahlreiche ausgezeichnete Tonaufnahmen dokumentieren das singuläre gesangliche und gestalterische Vermögen von Anna Tomowa-Sintow – man höre nur einmal die schwebend leichte und dabei doch hoch expressive, sensibel klanglich ausbalancierte Einspielung der »Vier letzten Lieder« von Richard Strauss mit ihr und Herbert von Karajan.
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