»Utopie« lautet das Motto des 3. Internationalen Musikfests Hamburg, das vom 27. April bis 30. Mai 2018 stattfindet. Nach den beiden als Biennale konzipierten Vorläufern 2014 und 2016 wechselt das Musikfest fortan in den Jahresrhythmus. In seiner dritten Ausgabe präsentiert das Internationale Musikfest Hamburg, das wiederum maßgeblich von der Kühne-Stiftung gefördert wird, in 62 Konzerten 41 unterschiedliche Programme. 20 davon werden von Musikern aus der Stadt gestaltet, 21 von Solisten, Ensembles und Orchestern aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Großbritannien und den USA.

Eröffnet wird das Musikfest am 27. April durch das NDR Elbphilharmonie Orchester, den NDR Chor sowie den Chor des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung seines Chefdirigenten Thomas Hengelbrock mit Beethovens Missa solemnis. Weitere Höhepunkte sind ein zweitägiges Gastspiel der Mailänder Scala mit dem Verdi-Requiem, ein Arienabend der amerikanischen Mezzosopranistin Joyce DiDonato, Konzerte mit dem Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Mahler Chamber Orchestra und dem Philadelphia Orchestra, ein großer Stockhausen-Schwerpunkt sowie die Uraufführung der Gothic Opera »Frankenstein«.

Thematisch reflektiert das diesjährige Programm das Prinzip Utopie in drei Schwerpunkten: Die Musik Karlheinz Stockhausens (1928 – 2007), des wohl wichtigsten deutschen Komponisten der Nachkriegszeit; Musiktheater-Produktionen von szenisch bis konzertant; Musik, die planetarische Welten imaginiert. Hinzu kommen zwei Programme, bei denen frühe Klassiker des utopischen Kinos mit Live-Musik aufgeführt werden.

2001 wurden in Hamburg zwei Konzerte von und mit Karlheinz Stockhausen nach unbedachten Äußerungen des Komponisten im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September kurzfristig abgesagt. Zehn Jahre nach Stockhausens Tod scheint die Zeit reif dafür zu sein, den musikalischen Welten des erratischen Sternenklangmeisters aus Köln auch in der Hansestadt wieder unvoreingenommen zu begegnen. Zu den Höhepunkten der reichhaltigen Stockhausen-Werkschau zählen Aufführungen seines Vokalwerks »Stimmung« (28. April, Hauptkirche St. Katharinen), der dritte Teil aus »Donnerstag aus LICHT« (6. Mai, Kampnagel), »Mantra« sowie die horrend schweren Klavierstücke mit Pierre-Laurent Aimard (23. Mai, Elbphilharmonie, Kleiner Saal), »Hymnen« (9. Mai, resonanzraum) sowie »Gruppen«, ein Werk für drei Orchester, das selbst die Dimensionen der Elbphilharmonie sprengt und deshalb im Mehr! Theater am Großmarkt aufgeführt wird (28. Mai). Vier Teile des groß dimensionierten letzten Stockhausen-Oeuvres »Klang«, die NDR das neue werk einst bei Stockhausen in Auftrag gab, sind in Kammerbesetzung mit Flöte, Trompete, Saxofon und Elektronik zu erleben (12./13. Mai, Elbphilharmonie, Kleiner Saal). Auch hier übernimmt wie bei einigen anderen Programmen des Stockhausen-Schwerpunkts die Flötistin Kathinka Pasveer, langjährige enge Weggefährtin des Komponisten und Widmungsträgerin zahlreicher seiner Werke, die Klangregie. Mit »Der kleine Harlekin« bringt die Wiener Taschenoper zudem ein Werk Stockhausens für Kinder zur Aufführung (19./20. Mai, Elbphilharmonie, Kleiner Saal).

Mit »Frankenstein« von Jan Dvořák und Philipp Stölzl steuert die Staatsoper Hamburg in Koproduktion mit Kampnagel Internationale Kulturfabrik als Uraufführung eine Gothic Opera zum Musikfest bei, die die eher unheimliche Seite der Utopie ironisch in Augenschein nimmt (fünf Aufführungen zwischen 20. und 27. Mai, Kampnagel). Salvatore Sciarrinos »Lohengrin«, eine »unsichtbare Handlung für Stimme, Instrumente und Chor«, gastiert in der gefeierten Produktion der Salzburger Osterfestspiele in der Elbphilharmonie (8. – 10. Mai, Kleiner Saal). Regie führt Michael Sturminger, der zuletzt in Hamburg die Uraufführung von »Just Call Me God« mit John Malkovich verantwortete. Solistin ist Sarah Maria Sun, die ihren bestens auf Neue Musik eingestimmten Sopran später beim Musikfest auch mit dem Quatuor Diotima und dem Schlagzeuger Johannes Fischer erklingen lässt (26. Mai, Elbphilharmonie, Kleiner Saal).

Die Musicbanda Franui aus Osttirol hat mit dem Bassbariton Florian Boesch unter dem doppelbödigen Titel »Alles wieder gut« einen szenischen Liederabend mit Liedern von Henry Purcell bis Gustav Mahler geschaffen, das »vergängliche Bühnenbild« dazu stammt von dem schwedischen Künstler Jonas Dahlberg (21. Mai, Laeiszhalle). Eine fiktive Stadt in der amerikanischen Wüste ist Schauplatz der Brecht/Weill-Oper »Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny«, die die Symphoniker Hamburg in konzertanter Form unter Jeffrey Kahane auf die Bühne bringen (27. Mai, Laeiszhalle). Ebenfalls konzertant wird Benjamin Brittens Kammeroper »The Rape of Lucretia« aufgeführt. Mitwirkende sind Studierende der Hochschule für Musik und Theater Hamburg sowie der Musikhochschule Lübeck.

Außerirdisch wird es mit Gustav Holsts »Planeten« und einer Suite zu »Star Wars« von John Williams, die das NDR Elbphilharmonie Orchester unter seinem Ersten Gastdirigenten Krzysztof Urbański auf die Erde holt (10./12./13. Mai, Elbphilharmonie). Tatsächlich dem Weltraum abgelauschte Klänge verwendete der Minimal-Music-Guru Terry Riley bei seinem Werk »Sun Rings«, bei dem ein Streichquartett mit von der NASA aufgezeichneten Orbital-Sounds in musikalische Interaktion tritt. Beim Internationalen Musikfest Hamburg obliegt diese Rolle dem weltberühmten Kronos Quartet aus den USA, das sein aufregend eklektisches Programm zudem mit allerneuester Musik und Stücken von Laurie Anderson, George Gershwin und Janis Joplin anreichert (8. Mai, Elbphilharmonie).

Eine exquisite Nebenlinie des 3. Internationalen Musikfests führt zu zwei musikalisch untermalten Stummfilmen Fritz Langs, »Metropolis« aus dem Jahr 1927 (Ensemble Modern, 22. Mai, Elbphilharmonie) und »Frau im Mond«, der zwei Jahre später entstand. Die Symphoniker Hamburg spielen zur »Frau im Mond« live eine von der Elbphilharmonie mit in Auftrag gegebene Komposition des amerikanischen Dirigenten und Komponisten Timothy Brock, der die Aufführung auch musikalisch leitet.

Schwergewichte der internationalen Musikszene verleihen dem Musikfest neben künstlerischer Exzellenz zudem einigen Glamour: Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter seinem Chefdirigenten Mariss Jansons (30. April, Elbphilharmonie), das Mahler Chamber Orchestra unter Matthias Pintscher mit Beethovens 9. Sinfonie (15. Mai, Elbphilharmonie), Chor und Orchester des Teatro alla Scala unter seinem Chefdirigenten Riccardo Chailly mit Verdis »Requiem« (24./25. Mai, Elbphilharmonie), The Philadelphia Orchestra unter seinem Chefdirigenten Yannick Nézet-Séguin mit zwei unterschiedlichen Programmen (27. /28. Mai, Elbphilharmonie), die Pianisten Maurizio Pollini (26. Mai, Elbphilharmonie) und Sir András Schiff (30. Mai, Laeiszhalle) sowie die Star-Mezzosopranistin Joyce DiDonato mit dem Ensemble Il Pomo d’Oro mit »In War and Peace«, (30. Mai, Elbphilharmonie).

Das besondere Kennzeichen des Internationalen Musikfests Hamburg aber bildet auch diesmal wieder das starke, vielfarbige Tau, das sich aus den einzelnen programmatischen Fäden der wesentlichen Player von Klassik und Neuer Musik in Hamburg zusammensetzt. Allen voran die HamburgMusik gGmbH, die die Hälfte des Programms veranstaltet und bei acht weiteren Produktionen als Co-Veranstalter auftritt. Das NDR Elbphilharmonie Orchester steuert zehn Konzerte mit vier Produktionen bei, davon zwei mit Musik Ludwig van Beethovens (Missa Solemnis und die 3. Sinfonie »Eroica«, beide unter der Leitung des Chefdirigenten Thomas Hengelbrock). Bei Stockhausen elektronisch gibt es ein Wiederhören mit einigen Kompositionen aus dem letzten, unvollendet gebliebenen Zyklus »Klang«. Zudem entfesseln die Schlagzeuger des NDR Elbphilharmonie Orchesters in einem Gipfeltreffen mit den Kollegen des Schlagquartett Köln ein stellenweise intergalaktisches Trommelgewitter namens »A Universe of Sound« (5. Mai, Elbphilharmonie).

Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg bringt zwei Philharmonische Konzerte und ein Kammerkonzert ins Programm ein. Zudem spannen Chefdirigent Kent Nagano, das Vokalensemble Singer Pur und die Musiker des Orchesters in einem Sonderkonzert zum Musikfest einen Bogen von Ockeghem über Wagner bis Messiaen und Pärt (29. April, Elbphilharmonie). Die Symphoniker Hamburg bereichern das Programm neben den beiden genannten Film- und Musiktheater-Produktionen um einen reinen Mozart-Abend mit gleich zwei Pianisten (Elena Bashkirova und Denis Kozhukhin, 4. Mai, Laeiszhalle) und bieten flankierend zur »Mahagonny«-Oper einen Abend mit Texten und Liedern von Lotte Lenya und Kurt Weill (13. Mai, Laeiszhalle, Kleiner Saal). Das Ensemble Resonanz erarbeitet mit Rupert Huber Stockhausens »Tierkreis« (16. Mai, Elbphilharmonie, Kleiner Saal), das in Hamburg ansässige Decoder Ensemble widmet das Konzert seiner »Unterdeck«-Serie im Kaistudio 1 während des Musikfests dem Schaffen des schwedischen Gegenwartskomponisten Simon Steen-Andersen (4. Mai), auch die Hamburgische Vereinigung von Freunden der Kammermusik beteiligt sich mit einem Konzert des Tetzlaff-Quartetts (25. Mai, Elbphilharmonie, Kleiner Saal). Bei mehreren großen Co-Produktionen mit der HamburgMusik trägt die Konzertdirektion Dr. Rudolf Goette entscheidend zum Gelingen des Internationalen Musikfests bei.

Zu einem guten Fest gehören auch unerwartete Gäste, die umso Überraschenderes zu bieten haben. Dazu zählt der britische Organist Kevin Bowyer, der sich mit dem Sorabji-Projekt einen gut achtstündigen Marathon an der Klais-Orgel im Großen Saal der Elbphilharmonie vorgenommen hat. Zur Deutschen Erstaufführung gelangt dabei die Orgelsinfonie Nr. 2 des britischen Exzentrikers Kaikhosru Shapurji Sorabji (20. Mai).

Verehrer des britischen Sängers, Performers und Songschreibers David Bowie werden sich insbesondere um Karten für den 1. Mai reißen, wenn das Ensemble stargaze aus Berlin unter der Leitung von André de Ridder in der Elbphilharmonie Bowies letztes zu Lebzeiten erschienenes Album Blackstar aufführt. Mit seinem ikonografisch gewordenen Video zum Titelsong und den ersten gesungenen Worten scheint Bowie die wohl kühnste private Utopie des Menschen einzulösen: Kontrolle zu haben nicht nur über das eigene Sterben, sondern über die Kommunikation mit der Nachwelt noch vom Jenseits aus. Zwei Tage nach der Veröffentlichung von »Blackstar« war David Bowie tot. Die erste Zeile des Albums, die die erschütterten Fans zu hören bekamen, lautet »Look up here, I’m in heaven«.

Das 3. Internationale Musikfest Hamburg wäre nicht möglich ohne die kontinuierliche Förderung der Kühne-Stiftung, das Engagement des Förderkreises Internationales Musikfest Hamburg sowie die Zuwendung des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg.

Karten für das Internationale Musikfest gehen am 27. November in den Verkauf. Für die Konzerte in der Elbphilharmonie können Tickets ab sofort über www.musikfest-hamburg.de bestellt werden. Übersteigt die Nachfrage das Angebot, werden die Karten nach dem Zufallsprinzip zugeteilt.