In einem Festakt begleitet von Musik der WDR Big Band Köln und von Kabarett wurde gestern im Klaus-von-Bismarck-Saal des Funkhauses am Wallrafplatz der Intendantenwechsel im WDR vollzogen. Nach fast 44 Jahren beim WDR – davon zwölf Jahre als Intendant – wurde Fritz Pleitgen im Beisein von mehr als 500 Gästen verabschiedet. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, der Rundfunkratsvorsitzende Reinhard Grätz, der Verwaltungsratsvorsitzender Ludwig Jörder und Monika Piel als neue Intendantin würdigten Pleitgens große Verdienste, die er sich zunächst als weithin bekannter Fernsehjournalist und Auslandskorrespondent und später als Fernsehchefredakteur, als Hörfunkdirektor und schließlich als Intendant erworben habe.

Ministerpräsident Rüttgers (CDU) dankte Pleitgen für seine Verdienste um das Land Nordrhein-Westfalen und um die Modernisierung des Westdeutschen Rundfunks. Rüttgers betonte, dass die Landesregierung vehement für die Bewahrung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eintrete. „Ich bin überzeugt: Er hat sich bewährt und ist auch im zusammenwachsenden Europa ein Erfolgsmodell“, so Rüttgers.

Zu Pleitgens Nachfolgerin sagte Rüttgers, er wisse, dass Monika Piel die Qualität sehr am Herzen liege. „In der Landesregierung werden Sie immer einen verlässlichen Partner finden, wenn es darum geht, gute Rahmenbedingungen für ein kritisches und freies Programm zu finden“, sagte der Ministerpräsident. Er wünschte der neuen Intendantin viel Glück im „Zirkus WDR“ und ein „glückliches Händchen mit all den Akrobaten.“ Über den Wechsel Pleitgens an die Spitze der Ruhr 2010 GmbH freute sich der nordrhein-westfälische Landesvater besonders: „Für das Großvorhaben Kulturhauptstadt könnte es an der Spitze der Ruhr 2010 GmbH keinen besseren Mann geben als Sie. Kaum einer kennt unser Land und das Ruhrgebiet so gut wie Sie, der Duisburger Junge aus dem Arbeiterviertel Meiderich“, so Rüttgers.

Reinhard Grätz hob hervor, dass die Intendantenzeit von Fritz Pleitgen „von einer Fülle von medienpolitischen Ereignissen und Einschnitten, von programmlichen Entwicklungen und innerbetrieblichen Veränderungen“ gekennzeichnet gewesen sei. Als wichtige Meilensteine nannte er die Fortschreibung der Regionalisierung der WDR-Programme, die verstärkte Einbeziehung der europäischen Dimension in die Medienpolitik, die Bewältigung finanzieller und technologischer Entwicklungen, die „beherzt angefasste Integrationsaufgabe“, die Vorbereitung der Digitalisierung, die Stärkung des WDR als Kulturinstitution Nr. 1 in NRW und die Mitarbeit am „Gesamtkunstwerk ARD“. Als „besondere Leistung“ Pleitgens nannte Grätz neben anderen Innovationen die Gründung des Ereigniskanals Phoenix.

Auch die künftige Intendantin Monika Piel habe schon viele Jahre im öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinter sich. Sie kenne vor allem, aber nicht nur den Hörfunk bestens. Durch Berufsausbildung und langjährige Tätigkeit seien ihr die wirtschaftlichen und programmlichen Fragen bestens geläufig. Sie habe ferner einen „hervorragenden Überblick über die technologischen Entwicklungen“, die in Zukunft das Schicksal des WDR sein werden.

Der Vorsitzende des WDR-Verwaltungsrates Dr. Ludwig Jörder verwies in seiner Ansprache auf Pleitgens hohe Kompetenz in allen Sachfragen. Wie er es darüber hinaus geschafft habe, auch noch große Teile des Programms zu kennen, habe er „immer als nicht erklärbares Wunder empfunden“, sagte Jörder.

Pleitgen sei stets ein Kämpfer für die Belange des Westdeutschen Rundfunks und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewesen. Mit seinem Charisma habe er es geschafft, die Menschen zu überzeugen. „Vielleicht hätte er, wenn er sich auch darum noch gekümmert hätte, sogar die GEZ beliebt gemacht“, sagte Jörder. Er betonte, dass sich der Verwaltungsrat sehr auf die Zusammenarbeit mit der neuen Intendantin freue und hob Piels Verdienste hervor. „Mit Genugtuung haben wir beobachtet, wie sie den WDR Hörfunk in die Lage versetzt hat, dem zunehmenden Konkurrenzdruck Stand zu halten“, sagte Jörder.

In seiner Abschiedsrede verwies Pleitgen auf das hohe Ansehen und die gestiegene Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Als er 1995 Intendant geworden sei, wäre der „WDR glänzend in Schuss gewesen“, allein das Umfeld habe Probleme bereitet. Heute habe sich die Lage deutlich gebessert: „Die Zeichen stehen gut für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.“ In der Zuschauergunst lägen ARD und ZDF wieder vorne, die oft behauptete inhaltliche Konvergenz zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Kommerziellen habe nicht stattgefunden und bei den Übertragungsrechten „sind wir wieder mit von der Partie“, sagte Pleitgen. Auch politisch habe sich die Lage gefestigt. Als Beispiel nannte Fritz Pleitgen das Amsterdamer Protokoll, die Unesco-Konvention zur kulturellen Vielfalt, die Abwendung des Digital-Kartells und die Einigung mit Brüssel im Beihilfe-Verfahren.

Die Bundesrepublik Deutschland sei im Vergleich zu anderen Ländern gut dran, mit ARD und ZDF zwei leistungsfähige öffentlich-rechtliche Systeme zu besitzen: „Im Interesse der Gesellschaft sollte es dabei auch bleiben.“ Pleitgen verwies in diesem Zusammenhang auf die steigende Flut an Programmen und Informationen infolge der fortschreitenden Digitalisierung der Medienwelt. Die Menschen würden von Angeboten überflutet, ohne zu wissen, was wahr und was erfunden sei. „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss in diesen steigenden Ozeanen Kontinente der Kompetenz, Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit bilden“, sagte Pleitgen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk dürfe sich nicht auf seinen Erfolgen ausruhen. Das Gebühren-Privileg müsse täglich verdient werden durch exzellente Programme, durch höchste Wirtschaftlichkeit und durch Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Entwicklungen. Was den WDR angehe, sei er für die Zukunft „absolut optimistisch“. Mit Monika Piel sei für diese Aufgabe die richtige Persönlichkeit gewählt worden. In den knapp zehn Jahren ihrer Zusammenarbeit in der WDR-Geschäftsleitung gingen von Monika Piel zahlreiche wichtige Anregungen aus. „Sie wird unseren Sender mit neuen Akzenten in eine gute Zukunft führen. Bei ihr weiß ich den WDR in den besten Händen“, sagte Pleitgen.

Zum Abschied bedankte sich der scheidende Intendant bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dem Personalrat und den Gremien, auf deren Urteilsvermögen er sich in schwierigen Situationen stets verlassen konnte. Besonderen Dank richtete Pleitgen an die frühere WDR-Vertreterin in Brüssel, die ARD-Generalsekretärin Verena Wiedemann, und an die WDR-Justitiarin Eva-Maria Michel, die beide großen Anteil an der Einigung mit der EU-Kommission im Beihilfe-Verfahren hätten. Des weiteren dankte er SWR-Intendant Peter Voß, ARD-Programmdirektor Günter Struve, dem Gründungsdirektor und ersten Leiter des Berliner ARD-Hauptstadtstudios Jürgen Engert, dem NDR-Hörfunkdirektor Gernot Romann und weiteren ARD-Intendanten.

„Eine äußerst ersprießliche Partnerschaft“ habe er auch mit ZDF-Intendant Markus Schächter genießen dürfen. Das ZDF setze der ARD im Programmwettbewerb zwar mächtig zu. „Aber in Grundsatzfragen des Rundfunks, insbesondere auf der Europäischen Bühne, war und ist auf Markus Schächter immer Verlass“, sagte Pleitgen. Einen weiteren Dank richtete er an den Landesrechnungshof, der darüber wache, „dass wir nicht vom Pfad der Tugend abweichen“. Dies geschehe mit „fürsorglicher Strenge“, was die Positionen des WDR auch gegenüber europäischen Forderungen absichere. Diese Kontrolle, so Pleitgen, habe er „immer als äußerst hilfreich empfunden, denn der WDR hat nichts zu verbergen“.

Monika Piel, deren sechsjährige Amtszeit am 1. April beginnt, würdigte Fritz Pleitgens Verdienste und sein großes Kommunikations­talent: „Fritz Pleitgen hat mit jedem geredet, der ihn angesprochen hat, jeden gefragt, wo er herkommt und sich für jeden Zeit genommen – mit echtem Interesse.“ Pleitgen habe den WDR in einer sehr schwierigen, von großen Veränderungen geprägten Zeit übernommen und trotz stetig wachsender Konkurrenz in der Medienlandschaft zu dem gemacht, was er heute sei: „Ein weltoffener Landessender für die Menschen in Nordrhein-Westfalen.“ W-D-R könne man auch buchstabieren als „Welt-Deutschland-Region“, sagte Piel. Dies seien die drei Stützpfeiler der Berichterstattung. „Der WDR ist nicht nur in Nordrhein-Westfalen verankert, sondern er ist zugleich auch weltweit orientiert. Dafür steht Fritz Pleitgen, dafür stehe auch ich“, sagte die 55-Jährige.

Die neue Intendantin verwies aber auch auf die großen Herausforderungen der digitalen Medienwelt. In Zukunft gehe es nicht mehr allein darum, wer die besten Programme mache, sondern immer mehr sei entscheidend, wer seine Programme über welche Wege verbreiten dürfe. Das Publikum müsse uneingeschränkten freien Zugang zu den öffentlich-rechtlichen Programmen haben, und die öffentlich-rechtlichen Sender müssten überall dort präsent sein, wo es das Publikum erwarte. Die gesellschaftliche Bedeutung und Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werde auch in der immer unübersichtlicher werdenden Kommunikationsgesellschaft nicht kleiner, sondern sie lasse sich im Gegenteil neu und nachdrücklich begründen, sagte Piel.

„Wir dürfen nicht zulassen, dass eines gar nicht so fernen Tages unsere Programme nur noch auf dann veralteten Randwegen oder von nur ausschließlich kommerziell denkenden Netzbetreibern verschlüsselt zu unserem Publikum gelangen.“ Der öffentlich-rechtliche Rundfunk brauche die Entwicklungsfreiheit im Internet, dafür werde sie kämpfen und darin sehe sie sich in der Kontinuität mit Fritz Pleitgen. „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk darf nicht von den wichtigsten Kommunikationsplattformen der Zukunft ausgeschlossen werden“, so Piel.

Sie gehe trotz fortschreitender Digitalisierung und Internet-Nutzung nicht davon aus, dass die klassischen Medien Hörfunk und Fernsehen kurzfristig verschwinden werden. Es werde seine Zeit dauern, bis die neuen Angebote breite Nutzerschichten erreichen. Auch die zunehmende Ökonomisierung des Internets mit einer steigenden Anzahl kostenpflichtiger Angebote werde dazu beitragen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Netz auch in Zukunft von hoher Bedeutung sein werde.

Nach Piels Worten hat sich die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bewährt: „Sie ist die Umsetzung des Solidarprinzips im Bereich der gesellschaftlichen Kommunikation: Alle zahlen und deshalb wird es für alle erschwinglich. Was wir für täglich 56 Cent an Medienangeboten für viele große und kleine Nutzerschichten liefern, wird sich auch in der Zukunft im direkten Vergleich sehr gut sehen lassen können.“

Piel kündigte an, sich in Kontinuität zu ihrem Vorgänger für die überaus hohe Qualität des WDR-Programms einzusetzen. Dazu gehöre auch das Festhalten an dem Film über den Contergan-Fall („Nur eine Tablette“). Dieser solle trotz des andauernden juristischen Tauziehens möglichst noch im Frühsommer ausgestrahlt werden. Sie äußerte zugleich die Hoffnung auf eine möglichst baldige Ausstrahlung des preisgekrönten Fernsehfilms WUT zur Hauptabendzeit im WDR Fernsehen. Eine Ausstrahlung um 20.15 Uhr sei durch die Freigabe der geplanten DVD für ab 16 Jahren durch die Freiwillige Selbstkontrolle (FSL) allerdings ausgesprochen schwierig. „Dagegen haben wir Einspruch eingelegt“, sagte Piel. Es gehöre zu den originären Aufgaben des WDR, Themen aufzugreifen, die dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienten und einen gesellschaftlichen Diskurs anstießen. „Auch das bedeutet Glaubwürdigkeit. Deshalb werden wir auch in dieser Sache nicht nachlassen“.

Die kürzlich mit dem Grammy ausgezeichnete WDR Big Band Köln spielte unter der Leitung von Bernd Lechtenfeld unter anderem Stücke von Jimi Hendrix, Pat Metheny und Herbie Hancock. Als Solist war der US-amerikanische Jazz-Gitarrist Hiram Bullock zu hören. Zudem traten die beiden Kabarettistinnen Katrin Schmick als „Ullalala Schmidt“ und Maria Grund-Scholer als Bundeskanzlerin „Angie“. Die Moderation der Veranstaltung hatte Götz Alsmann.

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