Igor Levit erhält den Carl-von-Ossietzky-Preis der Stadt Oldenburg für Zeitgeschichte und Politik des Jahres 2022. Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung wird dem in Berlin lebenden Pianisten und Aktivisten von Oberbürgermeister Jürgen Krogmann im Rahmen eines Festaktes im Kulturzentrum PFL überreicht. Die Zuerkennung erfolgt aufgrund des einstimmigen Votums einer unabhängigen Jury und wird alle zwei Jahre in Erinnerung an den Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky verliehen. Aus terminlichen Gründen findet die Ehrung in diesem Jahr am 9. Dezember statt.

 „‚Die Zeit, in der man passiv sein konnte, ist vorbei‘, so begründet Igor Levit sein vielfältiges politisches Engagement als bekennender Europäer und international gefeierter Pianist für den Klimaschutz und für die uneingeschränkte Achtung der Menschenwürde. Ganz im Sinne Carl von Ossietzkys spürt und analysiert Levit nicht nur die Brüche der Gesellschaft, in der er lebt, sondern er positioniert sich konsequent gegen Rassismus, Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit und die Verrohung der Sprache. Mit seiner Stimme als Musiker und als politisch denkender, sprechender und handelnder Mensch erreicht Igor Levit Menschen verschiedener Generationen und sensibilisiert für die Dringlichkeit mutigen zivilgesellschaftlichen Engagements. Deshalb zeichnen wir Igor Levit mit dem Carl-von-Ossietzky-Preis 2022 der Stadt Oldenburg aus“, schreibt die Jury für die Vergabe des Carl-von-Ossietzky-Preises in ihrer Begründung.

Die vierköpfige Jury

Der Jury gehören an die Historikerin Professorin Dr. Dagmar Freist (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg), der Journalist und frühere Direktor des NDR-Landesfunkhauses Schleswig-Holstein Friedrich-Wilhelm Kramer (Hamburg), der Journalist und ehemalige Tagesthemen-Moderator Thomas Roth (Berlin) sowie der Historiker Professor Dr. Martin Sabrow (Potsdam), Senior Fellow am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung.

Der Preisträger

Igor Levit wurde 1987 in Nizhni Nowgorod in der damaligen Sowjetunion als Sohn jüdischer Eltern geboren. Bereits seit seinem dritten Lebensjahr erhielt er Klavierunterricht bei seiner Mutter, der Opernkorrepetitorin und Musikpädagogin Elena Levit. Im Alter von acht Jahren siedelte die Familie als Kontingentflüchtlinge nach Hannover über, wo Levit seine musikalische Ausbildung intensivierte. Ab 1999 folgte ein Studium am Mozarteum in Salzburg, das er anschließend an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover fortführte. 2010 legte er dort sein Examen mit höchster je vergebener Punktzahl ab. Bereits während seines Studiums konzertierte Levit im In- und Ausland, nahm an renommierten Wettbewerben teil und wurde mit Stipendien und Preisen geehrt. Inzwischen ist er in den größten Musikhäusern der Welt zu Gast. Sein breites Repertoire umfasst neben Bach und Beethoven auch Komponisten der klassischen Moderne wie Schostakowitsch, Reger, Hindemith sowie zeitgenössische Musik. Besondere Bedeutung hat für ihn auch der 2021 verstorbene Pianist und Komponist Frederic Rzewski, dessen Werke häufig einen politischen Bezug aufweisen. Seit 2019 ist Levit Professor für Klavier an der Musikhochschule Hannover.

Politisches Denken und Handeln

Für den überzeugten Europäer ist gesellschaftspolitisches Engagement eine staatsbürgerliche Pflicht, wenn wissenschaftliche Fakten geleugnet, Menschen ausgegrenzt, demokratische Prinzipien
gefährdet und Menschenrechte verletzt werden. So haben unter anderem die Griechenland-Krise 2008, der Syrien-Krieg und die Flüchtlingsströme 2015, das weltweite Erstarken von Rechtspopulismus, Extremismus und Antisemitismus sowie der Klimawandel wesentlich zu seinem politischen Engagement beigetragen.

Auftritte gegen Rechtsextremismus und für Solidarität mit der Ukraine

Levit, der 2020 durch seine Corona-Hauskonzerte auf Twitter auch jenseits der internationalen Konzertbühnen einem großen Publikum bekannt geworden ist, positioniert sich nicht nur in unzähligen politischen Statements in den sozialen Medien, sondern auch mit musikalischen Open-Air-Auftritten gegen rechts wie 2020 in Potsdam und 2021 in Jamel bei Wismar. Musikalische Aktionen am Klavier für mehr Klimaschutz führten ihn unter anderem 2019 im Rahmen eines Klimastreiks in die Oldenburger Fußgängerzone und 2020 im Zuge der Baumrodungen für die A 49 in den Dannenröder Forst. Anlässlich des aktuellen Kriegsgeschehens bezieht Levit Stellung, indem er seine Solidarität mit der Ukraine zum Ausdruck bringt. Ein Twitter-Hauskonzert mit russischen und ukrainischen Künstlern sowie ein Benefizabend im Berliner Ensemble zugunsten des Aktionsbündnisses Katastrophenhilfe wurden von ihm spontan initiiert.

Ehrungen und Auszeichnungen

Für seine künstlerische Arbeit wurde Levit, der bereits 2005 als jüngster Teilnehmer des Arthur Rubinstein Wettbewerbs die Silbermedaille gewann, mit vielen Stipendien, nationalen und internationalen Preisen wie dem Gilmore Artist Award ausgezeichnet. Auch für sein politisches Engagement wurde Levit mehrfach geehrt. 2019 wurde ihm der 5. Internationale Beethovenpreis für Menschenrechte, Frieden, Freiheit, Armutsbekämpfung und Inklusion zuerkannt. Im Januar 2020 zeichnete ihn das Internationale Auschwitz-Komitee mit der Gabe der Erinnerung, der Statue B, aus. Im Herbst des gleichen Jahres folgte die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes für seine allabendlichen Hauskonzerte in Pandemie-Zeiten und seinen Einsatz gegen Antisemitismus. Im Oktober 2020 ehrte ihn das Jüdische Museum Berlin gemeinsam mit den Freunden des Jüdischen Museums Berlin mit dem Preis für Verständigung und Toleranz, 2021 folgten der Niedersächsische Staatspreis für das Jahr 2020 und der ifa-Preis für den Dialog der Kulturen des Instituts für Auslandsbeziehungen.

Über den Carl-von-Ossietzky-Preis

Der Carl-von-Ossietzky-Preis für Zeitgeschichte und Politik wird seit 1984 alle zwei Jahre am 4. Mai, dem Todestag des Namenspatrons, oder in zeitlichem Zusammenhang zu seinem Sterbedatum von der Stadt Oldenburg verliehen. Ausgezeichnet werden Personen, einzelne Arbeiten oder Gesamtwerke, die sich mit Leben und Werk Ossietzkys oder die sich mit dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus auseinandersetzen. Der Preis kann auch für Arbeiten oder Personen zuerkannt werden, die sich im Geiste Carl von Ossietzkys mit der demokratischen Tradition und Gegenwart in Deutschland oder mit Themen der Politik und Zeitgeschichte befassen. Der Preis 2020 wurde der Philosophin und Publizistin Dr. Carolin Emcke zuerkannt, konnte aber aufgrund der Corona-Pandemie erst im Folgejahr unter Ausschluss der Öffentlichkeit überreicht werden.

Die ausführliche Fassung der Jury-Begründung sowie weitere Informationen zum Preis gibt es im Internet unter www.ossietzky-preis.de.

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